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Neulateinische Metrik


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der Besiegte alles, was traurig, grausam und hart ist. Durch die Niederlage gebrochen begann das aufrührerische Volk kaum den Gott der Väter zu bekennen […]

      Aber Buchanan hat nicht versucht, die bisherigen metrischen Formen und die metrische Komposition seiner Dramen zu variieren – selbst die Erweiterung von fünf zu sechs Akten ist damals keine Neuigkeit.IambusTrimeter40 Die Sprechverse sind ausschließlich in iambischen Trimetern gehalten, die – übrigens wunderbar lyrischen – ChorliederChor in den damals üblichen lyrischen Metra, und die Zahl der Akteure ist auf wenige Personen konzentriert. Den Streit der beiden von ihm in die Handlung des BaptistesBuchanan, GeorgeBaptistes eingefügten Rabbiner Gamaliel und Malchus über Johannes den Täufer als öffentliche Gefahr und die erregte Debatte zwischen Herodes und seiner Frau über die Maximen königlicher Macht sind meisterhaft dramatisiert, überschreiten aber an keiner Stelle die damals rezipierten Regeln der Tragödie.

      So wenden wir uns seinem damaligen Kollegen am Collège de Guienne, Marc Antoine MuretMuret, Marc Antoine (1526–1585), zu, der eine ganz andere, auf das klassische französische Drama führende Richtung einschlug.Muret, Marc AntoineJulius Caesar41 Sein im Jahr 1544 verfasster und 1547 veröffentlichter Julius Caesar ist ein historisches Drama, das von zwei gegensätzlichen Themen beherrscht wird, dem Ruhm Caesars und dem Kampf um die Freiheit.Dati, LeonardoHiensal42 Wahrscheinlich verband Muret mit dem historischen Stoff ein eigenes, politisches Anliegen, den Kampf um die Befreiung von drückender Herrschaft.

      In der Einleitung hebt er selbst die Herrschaft der ratio und das Vermeiden von Affekten, von Wahnsinns- und Unterweltsszenen hervor. Darum fehlt auch ein Götterapparat. Das Personal ist aufs äußerste reduziert. Aus dem alten Tragödienfundus stammt nur die Amme als Vertraute von Caesars Gattin Calpurnia.

      Die metrische Komposition ist noch konventionell und zusätzlich auf schlichteste Formen reduziert. Die Monologe und Dialoge sind mit einer Ausnahme nur in iambischen TrimeterIambusTrimetern mit den üblichen Lizenzen gehalten, aber durch regelmäßige ZäsurZäsuren gefügiger und durch häufige EnjambementEnjambements effektvoller gestaltet. Durch enge Anlehnung an SenecaSenecas Tragödienstil erreicht er es, in wuchtigen Versen dem durchgehend hohen Pathos Ausdruck zu verleihen. Vgl. Caesars Rede in V. 7–19Muret, Marc AntoineJulius Caesar:

Quacunque Nereus margines terrae premit,
reges vel ipsi Caesaris nomen timent.
Numerent triumphos, cum volent, alii suos,
seque a subactis nominent provinciis: 10
plus est vocari Caesarem. Quisquis novos
aliunde titulos quaerit, is jam detrahit.
numerare ductu vis meo victas plagas?
Percurrito omnes. Ipsa victrix gentium
mihi Roma cessit. Ille tam magnus gener, 15
ut pene nomen duceret jam impar sibi,
terra marique fusus agnovit meas
praestare vires: quemque noluerat parem,
tulit priorem.

      Wo immer (der Meergott) Nereus die Ränder der Erde bedrängt, fürchten sogar die Könige den Namen Caesars. Mögen andere, wenn sie wollen, ihre Triumphe aufzählen und sich nach den Provinzen, die sie unterworfen haben, benennen: Caesar zu heißen gilt mehr. Wer auch immer von anderswoher neue Titel sucht, der mindert sie schon. Willst du die Länder zählen, die unter meiner Führung besiegt wurden? Dann zähle sie alle auf. Selbst Roma, die Bezwingerin aller Völker, hat sich mir ergeben. Jener so großartige Schwiegersohn [Cn. Pompeius Magnus] hat, um fast schon zu glauben, dass sein Name ihm nicht gebührt, anerkannt, als er auf Land und Meer besiegt war, dass meine Macht stärker ist. Wen er als Gleichrangigen nicht dulden wollte, den ertrug er als Überlegenen.

      Muret behält auch die Gliederung in fünf Akte und den Einschub von ChorliedernChor in den üblichen Metra bei: GlykoneenGlyconeus, alkäischeAlcaicus und sapphische Strophen und sapphische VerseSapphicus.

      Die eigentliche dramaturgische Neuerung ist im 5. Akt angelegt, in dem die zwei Themen dieser Tragödie unversöhnlich aufeinanderprallen, einerseits der Triumph über die Ermordung des Tyrannen und die Wiederherstellung der Gerechtigkeit, die von Brutus und Cassius in drei parallel sich sekundierenden Reden gefeiert werden – eine solche Form gibt es bei SenecaSeneca nicht –, andererseits die Trauer um den ermordeten Helden Caesar, seine Apotheose und die Verfluchung der Mörder. Hier die triumphierenden Worte des Brutus nach der Ermordung CaesarsMuret, Marc AntoineJulius Caesar:

Spirate cives! Caesar interfectus est; 438
Ille, ille Caesar, patriae terror suae,
hostis senatus, innocentum carnifex, 440
legum ruina, publici juris lues:
cuius rapinas nuper, et libidines
agnovit orbis totus, et perpessus est,
in curia, quam oppresserat43, oppressus jacet.

      Bürger, atmet auf. Caesar ist ermordet worden. Jener große Caesar, der Schrecken seines Vaterlandes, der Feind des Senats, der Schlächter der Unschuldigen, das Verderben der Gesetze, die Pestkrankheit des staatlichen Rechts, dessen Raubzüge und Willkür der ganze Erdkreis erkannte und durchlitt, er liegt bezwungen in der Curia, die er unterdrückt hatte.

      Der Umbruch erfolgt mitten im 5. Akt mit der Klage der Calpurnia (478–499) und dem 5. Lied des ChoresChor, der nun zu Caesars Partei übergeht, dann zwei Monologen Caesars und Calpurnias – Letzterer ist in feierlichen trochäischen Septenaren gehalten –, die den Reden der Caesarmörder vom Anfang des 5. Aktes knapper korrespondieren. Das sechste ChorliedChor ist nicht in den an dieser Stelle üblichen AnapästenAnapaestus gehalten, sondern in fünf feierlichen asklepiadeischen StrophenAsclepiadeus, die sich deutlich an die horazischen OdenHoraz, besonders Oden 3,30, anlehnen.Muret, Marc AntoineJulius Caesar

Sunt manes aliquid; cumque diem ultimum 551
adduxit fera mors, est aliquid tamen,
quod vitat Libitinam,
exstructosque fugit rogos. […]

      Die Totengeister haben eine Existenz, und wenn der unbarmherzige Tod den letzten Tag gebracht hat, gibt es doch etwas, was der Totengöttin entkommt und den aufgeschichteten Scheiterhaufen entflieht.

      Diese Korrespondenzen und der Sieg der Vernunft über die Leidenschaften, das Maß und die Ordnung sind die Prinzipien der französischen Tragödie, die sich hier auch in der metrischen Komposition ankündigen.

      In der letzten hier zu besprechenden, in der Sekundärliteratur kaum beachteten Tragödie, der Stuarta tragoedia des Adrien RoulersRoulers, Adrien (Adrianus RouleriusRoulers, AdrienStuarta tragoedia, Poetikprofessor in Douai, gest. 1597), sind die bisherigen metrischen Probleme überwunden. Die Zahl der Abweichungen von der Verspraxis SenecaSenecas ist sehr gering und gleichzeitig sind die Wege zum modernen Drama gebahnt – man könnte sogar eine Nähe zum Drama der Vorgänger ShakespeareShakespeare,