Barbara Lux

Kurzwortbildung im Deutschen und Schwedischen


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ähnliche Strukturen erzeugt.1 Eventuell haben im Deutschen auf -i endende Kopfwörter wie Zivi < Zivildienstleistender die Entstehung von Pseudoableitungen auf -i wie Pulli < Pullover durch Analogiebildung begünstigt.

      Für das Schwedische spricht Laurén (1976:311) im Hinblick auf Kopfwörter von „kortord“2, die durch „final reduktion“3 entstanden sind. Er kommt zwar darauf zu sprechen, dass Kürzungen mit oder ohne Rücksicht auf Morphemgrenzen erfolgen können, leitet daraus aber keine unterschiedlichen Kurzworttypen ab. Andere schwedische Bezeichnungen für Kopfwörter sind „avbrytning“4 (z.B. bei Svenblad 2003:XI) oder „ellips“ (z.B. bei Malmgren 1994:72).

      Ein interessanter Unterschied zwischen dem Deutschen und dem Schwedischen betrifft die Wortarten, die Kopfwörter bilden können. Deutsche Kopfwörter sind fast ausschließlich Substantive. Daneben gibt es nur sehr wenige Adjektive depri < deprimiert, die jedoch eine eingeschränkte Flexion und Syntax aufweisen, d.h. sie sind nicht flektierbar und können nur prädikativ vorkommen. Im Schwedischen machen Substantive zwar ebenfalls den größten Teil der Kopfwörter aus, doch auch verbale Kopfwörter wie bomba < bombardera ‚bombardieren‘ und galva < galvanisera ‚galvanisieren‘ sind nicht selten. Generell ist die Kurzwortbildung im Schwedischen nicht so stark auf Substantive beschränkt wie im Deutschen. Diese Offenheit gegenüber verschiedenen Wortarten deckt sich insofern mit dem Bild, das sich im Lauf dieser Arbeit von der schwedischen Kurzwortbildung ergeben wird, als sie sich in verschiedener Hinsicht deutlich flexibler zeigt als die deutsche.

      2.2.2.2 Endwörter

      Das Gegenstück zu Kopfwörtern bilden Endwörter, von manchen Autoren auch als Schwanzwörter bezeichnet: Sie entstehen durch eine Art Aphärese, d.h. der vordere Teil der Vollform wird ohne Berücksichtigung von Morphemgrenzen getilgt. Derartige Bildungen sind in beiden Untersuchungssprachen nur marginal vertreten. Besonders für das Deutsche ist fraglich, ob es sich hierbei überhaupt um einen produktiven Kurzworttyp handelt, da es keine Belege für genuin deutsche Endwörter gibt.1 Sämtliche mir bekannten deutschen appellativischen Endwörter können auch als Lehnkurzwörter interpretiert werden, die bereits gekürzt oder zusätzlich zu ihrer Vollform entlehnt wurden. Dies gilt beispielsweise für die häufig angeführten Belege Bus < Omnibus oder Cello < Violoncello oder auch Fax < Telefax. Eine gewisse Produktivität bei Endwörtern lässt sich im Deutschen am ehesten für Personennamen annehmen, da manche Rufnamen wie Lotte < Charlotte oder Tina < Bettina zu Endwörtern gekürzt werden.

      Im Schwedischen werden Endwörter oft nicht von Kopfwörtern abgegrenzt und ebenfalls als „avbrytning“2 oder „ellips“ bezeichnet. Für Laurén (1976:304) sind diese Kurzwörter „kortord“3 durch „initial reduktion“4. Endwörter sind im Schwedischen etwas häufiger als im Deutschen und können nicht immer als Lehnkurzwörter interpretiert werden, was dafür spricht, dass durch diesen Kürzungstyp tatsächlich produktiv Kurzwörter entstehen können, wenngleich dieser Prozess marginal bleibt. Bei sämtlichen schwedischen Belegen bleiben die endbetonten Segmente der Vollform erhalten. In Tabelle 7 sind deutsche und schwedische appellativische Endwörter zusammengestellt, wobei für die deutschen Belege wie gesagt die Einschränkung gilt, dass dieser Typ vermutlich nicht produktiv ist und die Belege auch als Lehnkurzwörter interpretiert werden könnten.

deutsche Endwörterschwedische Endwörter
Bus < Omnibusbil < automobil ‚Auto‘
Cello < Violoncellogoja < papegoja ‚Papagei‘
Fax < Telefaxsessa < prinsessa ‚Prinzessin‘

      Tabelle 7: deutsche und schwedische Endwörter

      Ein noch seltenerer Typ von kontinuierlichen Kurzwörtern ist das sogenannte Rumpfwort (vgl. Kobler-Trill 1994:64f.), bei dem lediglich ein mittlerer Teil der Vollform erhalten bleibt. Beispiele hierfür beschränken sich im Deutschen auf Kürzungen von Rufnamen wie Basti < Sebastian und Lisa < Elisabeth. Im Schwedischen ist die Situation ähnlich; es lassen sich nur sehr wenige Belege unter den Appellativa finden, nämlich komp < ackompanjemang ‚Begleitung‘ und kollo < barnkoloni ‚Ferienlager‘, die bei Laurén (1976:321) unter „kombinationer av olika reduktioner“5 fallen. In allen Fällen bleibt der Teil erhalten, der den Hauptakzent trägt. Von den angeführten Beispielen ist allerdings lediglich komp ein eindeutiges Rumpfwort; bei kollo ist auch eine andere Bildungsweise denkbar. Es könnte auch durch eine elliptische Kürzung6 von barnkoloni zu koloni und eine anschließende Reduzierung auf ein Kopfwort entstanden sein. Da der Typ der Rumpfwörter so marginal ist und nicht produktiv zu sein scheint, soll er im Weiteren außen vor bleiben und wurde auch nicht als eigener Kurzworttyp in die Typologie aufgenommen.

      2.2.2.3 Diskontinuierliche Kurzwörter

      Anders als Kopf- und Endwörter bestehen diskontinuierliche Kurzwörter nicht aus einem zusammenhängenden Teil der Vollform. Meist wird ein Anfangsteil der Vollform, der mehr oder weniger als die erste Silbe umfassen kann, mit einem weiteren der Vollform entnommenen Segment kombiniert. Die Bildungsweise ist also nicht einheitlich; auf Morphem- oder Silbengrenzen scheint keine Rücksicht genommen zu werden. Vermutlich ist die Schaffung eines phonologisch wohlgeformten Outputs das Hauptkriterium dafür, welche Segmente der Vollform übernommen werden. Auch dieser Typ, für den in Tabelle 8 propriale und appellativische Beispiele zusammengestellt sind, ist im Deutschen und Schwedischen relativ selten, was bedeutet, dass die Kopfwörter die prototypischen Vertreter der Kurzwörter im engeren Sinne sind.

deutsche diskontinuierliche Kurzwörterschwedische diskontinuierliche Kurzwörter
taz < die TageszeitungSkop < Skandinavisk Opinion Aktiebolag
Epo < Erythropoetinkoll < kontroll
Flak < Flugabwehrkanonemilo < militärområde ‚Militärgebiet‘
Krad < Kraftradsynka < synkronisera ‚synchronisieren‘

      Tabelle 8: deutsche und schwedische diskontinuierliche Kurzwörter

      Der schwedische Begriff „teleskopord“1 deckt den Teil der diskontinuierlichen Kurzwörter ab, bei denen Segmente von Anfang und Ende der Vollform kombiniert werden, z.B. moped < motorvelociped. Einen weiter gefassten Begriff, der den Kurzworttyp der diskontinuierlichen Kurzwörter wie in dieser Typologie definiert bezeichnet, gibt es im Schwedischen nicht. Entsprechende Belege werden allgemein als „ellips“ oder „kortord“2 betitelt. Für Laurén (1976) sind derartige Beispiele „kortord“ durch „medial reduktion“ (306)3 oder „kombinationer av olika reduktioner“4 (321).

      Zuweilen werden manche der eigentlich den diskontinuierlichen Kurzwörtern zuzurechnenden Belege wie stins < stationsinspektör ‚Bahnhofsvorsteher‘ und pryo < praktisk yrkesorientering ‚berufsorientierende Praktika‘ fälschlicherweise zu den Lautinitialwörtern gezählt. Im Fall von stins werden aus der Vollform jedoch deutlich mehr als die Initialen entnommen. Vom ersten Morphem {stations} werden die ersten beiden Grapheme übernommen, vom zweiten Teil der Vollform jedoch ein noch größerer Teil. Die Graphemfolge <ins> steht zwar am Anfang des Morphems {inspektör}, macht aber letztlich sogar mehr als eine ganze Silbe aus und kann somit eigentlich nicht mehr als Initiale bezeichnet werden. Wenn es sich nicht um ein Lautinitialwort handelt, muss dieser Beleg demnach als diskontinuierliches Kurzwort analysiert werden. Ein ähnlicher Fall liegt bei dem Beleg pryo vor. Auch hier umfasst das anlautende <pr> mehr als eine Initiale, weshalb auch dieser Beleg meiner Meinung nach zu den diskontinuierlichen Kurzwörtern gerechnet werden sollte, wenn auch dieser Fall weniger eindeutig ist als stins.

      Bei den schwedischen Belegen fällt wieder auf, dass neben Substantiven weitere Wortarten diskontinuierliche Kurzwörter bilden. Adjektive wie deppad < deprimerad ‚deprimiert‘ sind dabei eher selten, doch Verben wie gratta < gratulera ‚gratulieren‘ und impa < imponera ‚imponieren‘ sind unter den diskontinuierlichen Kurzwörtern relativ häufig.

      2.2.3 Sonderfälle