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Theater und Ethnologie


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sehr erfolgreicher) Schauspieler nach, wie man aus einem Foto, das er dem Publikum zeigt, schließen kann (auch wenn das Foto nicht ihn selber, sondern einen amerikanischen Schauspieler zeigt, damit wir wenigstens von dem uns vertrauten auf das weniger bekannte Fremde schließen können). Er musiziert, rezitiert und singt ein Lied aus einer chinesischen Oper (in dem es angeblich um niederstürzenden Regen geht – oder sind es Tränen?); und der Teenager-Sohn ist eben ein Teenager, die ganze Sache hängt ihm allmählich zum Hals heraus. Das alles bleibt relativ unterschwellig, unausgesprochen, und führt kaum zum Eklat. Man spürt es, sieht es manchmal auch, aber man muss sich schon bemühen; nur wer sich die chinesischen Vokabeln gut gemerkt hat, wird vielleicht etwas von dem psychischen Konfliktszenario unter dem überspannt-lustigen theatralischen Prätext mitbekommen. Wird auf der ersten Ebene nur die Illusion geweckt, dass Kommunikation darin besteht, die richtigen Wörter mit den richtigen Dingen zu verknüpfen, so wird zwischen den Zeilen und Gesten dieses ganz naiven und manchmal komischen Worte-und-Dinge-Theaters, in dem fast gänzlich auf Expressivität, Psychologisierung oder schon irgendwie kodifizierte Körpersprache zum Ausdruck dieser ‚unterschwelligen‘ Realität verzichtet wird, etwas anderes mitkonjugiert, das die Performativität des Sprachkurses als einer vermeintlich effizienten und gelungenen Form interkulturellen Austauschs im Innern unterbricht oder es wenigstens daran ‚hapern‘ lässt. Die geschäftliche Performanz, performance in der Sprache des neoliberalen Globalismus – Vermittlung von Sprachkompetenz und eine geschäftliche Transaktion, die sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer „einen wichtigen Schritt in die Zukunft“ bedeuten könnte –, bleibt scheinbar aufrechterhalten; die Performativität, die sich auf der Ebene der kulturellen Selbstdarstellung und des interkulturellen Austausches vollzieht, artikuliert jedoch eine andere ambivalentere Erfahrung, die auf angestauten Frust und Unverständnis hinweist. Trotzdem gibt es keinen Eklat, keine dramatische Wendung, keine Katastrophe und Peripetie. Aber man ahnt trotzdem, dass aus dem Businessplan nichts wird.

      Edit Kaldor, deren Gespür für das, was sich in, mittels oder durch Sprache vollzieht oder eben nicht vollzieht, sehr groß ist, nicht zuletzt deshalb, weil sie – wie sie selber sagt, keine Sprache richtig oder ganz beherrscht (d.h. keine Sprache so fließend spricht, dass sie nicht über die Wörter und Ausdrücke, die sie verwendet, und über die Spannung zwischen Sagenwollen und Sagen andauernd nachdenken muss) –, fängt ihre eigentliche Antwort auf die Frage des Interviewers nach der story oder the playwhat is it about – damit an, dass sie über die chinesische Familie sagt, es handle sich um eine „family who like many of us is trying to survive by inventing some sort of identity for themselves, some business to make a living and, as it happens to be, in this case by giving Mandarine lessons and making a DVD with Mandarine lessons.“2 Damit trifft sie den Nerv der (kulturellen) Performativitätsproblematik. Denn nicht nur spielt sie auf die Verschiebung von einem essentialistischen zu einem performativen Identitätskonzept an, auf die Tatsache, dass die ‚chinesische Familie‘, die vor allem aus der Sicht der Gastkultur, aus unserer Sicht also, eine Art Homogenität aufzuweisen scheint, sich selbst als typische chinesische Familie und Träger einer vermeintlich in der Sprache (aber was für einer?)3 aufbewahrten kulturellen Identität erst in dieser heiklen Situation, in der sie sich jetzt befindet, „as it happens to be“, darstellen, ja sogar produzieren und performativ hervorbringen, schließlich auch verdingen soll.4 Gerade die Floskel „as it happens to be“ markiert aber auch die Kontingenz der Situation, die ein weitverbreitetes Missverständnis über Performativität klärt: als ob irgendeine biologisch und ontologisch verwurzelte Essenz durch eine frei gewählte und neu konstruierte Identität zu ersetzen wäre; und als ob es ein freies Subjekt gäbe, das diesem performativen Dispositiv voranginge und sich für diese oder jene Rolle, dieses oder jenes Szenario entscheiden würde. Hier hingegen wird ganz deutlich gemacht, dass die Familie sich in einer Situation befindet bzw. sich mit einer Situation abfinden muss, einer nicht-vertrauten Situation, in der sie zu einem Spiel greift, das ihr die materielle Möglichkeit einer Existenz in der ihr fremden Kultur sichern soll und das als ein durchaus ambigues Disziplinierungsspiel präsentiert wird. Stellt die Rollenverteilung zwischen der lehrenden chinesischen Familie und dem lernenden Publikum doch die Pervertierung der eigentlichen Machtverhältnisse dar: Der didaktische Drill samt komischer Trillerpfeife ruft die Ambivalenz von Lust und Unlust im quasi-schulischen Disziplinierungsapparat bestimmter Einbürgerungskurse samt obligatem Sprachkurs auf, die in diesem Fall eher das Los der Lehrenden als das der Studierenden ist, denn das Publikum kann das Spiel ruhig genießen und lässt sich gerne unterhalten durch das, was die lehrende Familie, in einem anderen Sinn freilich, unterhalten soll – Brecht lässt grüßen. Dennoch hat auch diese Umkehrung der Rollen einen Haken. Was jetzt als Spaß für das westliche Publikum präsentiert wird – das chorische Nachsprechen von fremden Vokabeln nach dem anfangs skurrilen, allmählich aber irritierenden Signal der Trillerpfeife –, erscheint auf einmal in einem anderen Licht, wenn man es als warnende Antizipation einer uns bevorstehenden, sich rasch nähernden Realität versteht, als lustig-drohendes Zukunftsbild, in dem das alte Europa und die westliche Welt als ganze ihre führende Rolle und damit auch das Recht, als normierender Maßstab und Bildungsideal für das Eigene und das Fremde, für Autonomie und Individualität zu fungieren, verloren haben werden.

      Als Edith Kaldors CRTV-Interviewer die Vorstellung „a teaching play“ nennt, wird er noch einmal von ihr zurechtgewiesen; sie betrachte ihre Vorstellung doch eher als „a theatre performance“ – und der chinesische Schauspieler, der ihr zur Seite steht, fügt selber halb ironisch, halb stolz „art“ – „Kunst!“ – hinzu. Es ist klar, dass sich C’est du Chinois im Spannungsfeld dieser verschiedenen Diskurse situiert. Natürlich ist die Vorstellung eine zugleich fiktive und reale Lehrstunde und für alle Beteiligten eine Art Lehrstück, in dem nicht nur oder nicht an erster Stelle chinesische Vokabeln gepaukt werden, sondern auch hermeneutisches, diskursives und performatives Grundwissen vermittelt oder einfach geprobt wird. Und zu diesem Wissen gehören eben auch die Erfahrung des Nicht-Verstehens, des Bruchs, der nicht-so-recht gelingenden Performativität einer Identitätskonstruktion in einem anderen als dem vertrauten Kontext sowie die komplizierte Vermittlung bzw. Rezeption dieser an sich schon sehr brüchigen Identität. Es wäre lächerlich zu behaupten, die Vorstellung vermittle uns einen adäquaten Begriff einer authentischen chinesischen Familie, aber sie trennt auch nicht einfach die banale, nach außen gekehrte kommunikative Seite – die anfangs sehr lustige Sprachstunde – von einem im Dunkeln bleibenden privaten Kern. Vielmehr inszeniert die Vorstellung, wie schon gesagt, as it happens to be, den unvermeidlich unbeholfenen Versuch einiger Menschen aus Shanghai in dem unvertrauten Kontext, der die europäische Kultur für sie immerhin bedeutet, zunächst eine Gemeinschaft zu bilden, die als Familie fungieren kann. Dabei handelt es sich um Menschen, die einerseits chinesische Werte und Gewohnheiten aufrechtzuerhalten versuchen, die aber andererseits diese prekäre, alles andere denn homogene Identität auch als identifizierbare Ware verdingen müssen, um überhaupt in diesem fremden Kontext überleben zu können und die Arbeit an der Identität bzw. der mehr oder weniger gemeinsamen Existenz zu ermöglichen. Wir verstehen einiges, vor allem das, was sich im schlichten Wort und Ding-Bereich situiert, und weil wir uns Mühe gegeben haben uns etwas zu merken, sind wir imstande, einiges zu ahnen von dem, was sich auch sprachlich den beschreibenden Sprechakten entzieht (wir vermuten, dass beleidigt, geflucht, geträumt wird); und wir ahnen auch etwas von dem Schmerz und dem Frust der Missverständnisse und der Konflikte, des Unverständnisses zwischen Generationen, zwischen Männern und Frauen, von Lust und Unlust, Verlangen und Angst, alles was zwischen den Zeilen gesagt und nicht ausgesprochen wird – wir brauchen es nicht wirklich zu verstehen, vielleicht irren wir uns auch manchmal. Vielleicht treffen wir ohne unser Wissen ins Schwarze. Fast wie in unserem eigenen, vertrauten Lebenskontext.

      Als Vorstellung, Performance, führt C’est du Chinois Sprache als Spiel der einfachen Kommunikation, der Verständigung und der Repräsentation auf; sie deckt aber auch den diskursiven und performativen Rahmen auf, das Disziplinierungsmodell, durch das Repräsentation und Kommunikation produziert und erlaubt werden und das hier auch ziemlich unumwunden mit einem umfassenden globalen, wirtschaftlichen Zweck verbunden wird. Die Vorstellung lässt spüren, wie dieses oberflächliche referentielle Sprachspiel zwar nicht genügt, um die komplexere Realität dieser Leute und ihre dramatischen Versuche „to invent some sort of identity for themselves“ sowie die daraus resultierenden Konflikte adäquat zu fassen;