Ilona Schulze

Bilder - Schilder - Sprache


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des eigenen Labels zurückgreifen.

      So hat zum Beispiel das Label Esprit im Herbst/Winter 2015/2016 die Kampagne #ImPerfect durchgeführt, die sowohl TV-Spots, Print- und Online-Anzeigen sowie Außenwerbung umfasste und auch Teil der Schaufensterdekoration in Esprit-Shops wurde (Bild 1). Einfachere Text-Bild-Kombinationen finden sich auf bzw. in Schaufenstern, wobei der Schrift bzw. dem Text unterschiedliche Funktionen zukommen, da er sowohl das Thema der Schaufensterdekoration vorgeben, als auch Teil der Dekoration sein kann (vgl. Bild 2 und Bild 3).

      Bild 1:

      Schaufenster Fa. Esprit, Kaufingerstraße 24.

      Bild 2:

      Schaufenster Fa. Hunkemöller, OEZ.

      Bild 3:

      Schaufenster Fa. Hirmer, Kaufingerstraße 28.

      2.2 Der öffentliche Raum als Bühne der LL

      Linguistic Landscapes sind das Signum eines öffentlichen und weitgehend anonymen Raums, in dem die Kommunikation zwischen zentralen Akteuren (Produzent/Händler-Kunde) nur noch indirekt, vermittelt über Signs stattfindet. Definitionen dessen, was als öffentlicher Raum zu verstehen ist, kreisen vornehmlich um die Frage der Zugänglichkeit sowie der Bestimmung von ‚Raum‘ als gedachtem vs. geografischem Areal, wobei letzteres vornehmlich durch Menschen geschaffene oder von ihnen in ihrer Struktur wesentlich geprägte Räume meint und weniger auf Naturräume wie z.B. Wälder Bezug nimmt.

      Zentral ist zunächst die Unterscheidung von ‚privat‘ und ‚öffentlich‘, da nicht alle Teile der von Menschen geschaffenen Räume für jedermann zugänglich sind. Dabei kann die Selektion der Zugangsberechtigung unterschiedliche Dimensionen annehmen. Grundlegend ist zunächst die Trennung zwischen privaten (Wohn-)Räumen und öffentlich zugänglichen Räumen wie Straßen, Plätzen und Gebäuden aller Art (Geschäfte, Schulen, Behörden, Museen, Schwimmbäder etc.).

      Damit wird die doppelte Struktur des öffentlichen Raumes sichtbar, die sowohl den Raum außerhalb von Gebäuden umfasst als auch den Raum innerhalb o.g. Gebäudetypen. Diese sind vor allem im Bereich der Geschäfte durch den Eigentümer häufig als Privatbesitz, aber aufgrund ihrer ökonomischen Funktion nicht als privater Raum zu sehen, da die Nutzung durch anonyme, dem Eigentümer unbekannte Personen erwünscht ist. Klamt (2007) beschreibt in diesem Zusammenhang Fensterfronten von Geschäften (Schaufenster) und Arkadengänge als Übergangszonen, in denen die Trennung von Innen (Geschäft) und Außen (Straße) nicht mehr eindeutig gegeben ist. Eine andere Interpretation in Bezug auf Arkaden findet sich bei Scollon & Scollon (2003), die in ihnen eine typisch europäisch geprägte Ästhetik sehen, in der „urban surfaces without signs as an expression of high levels of elegance“ gewertet werden.

      Allerdings kann bei prinzipiell öffentlich zugänglichen Gebäuden durch bestimmte Merkmale eine Selektion hinsichtlich der Nutzergruppe erreicht werden. Diese wird in der Regel dadurch erzielt, dass bestimmte Zielgruppen über Marker angesprochen werden. Diese Marker sind häufig Teil und prägendes Element der Linguistic oder Semiotic Landscape eines gegebenen Raumes und verweisen auf gelernte Wissens- und Interpretationsstrukturen, die bei den Nutzern des öffentlichen Raumes gegeben sind. Grundsätzlich führt diese Perspektive zu einem weiteren Verständnis von öffentlichem Raum als heterogenem, von der und für die Öffentlichkeit konstruiertem Orten unterschiedlicher Form und Funktion (Klamt 2007).

      Wesentlich für die Entstehung eines öffentlichen Raumes im obigen Sinne sind zwei weitere, bisher nicht thematisierte Elemente. Die beschriebenen Strukturen verweisen auf eine hohe Nutzungsdichte, die eine gute Erreichbarkeit der jeweiligen Orte sowie einen hohen Frequentierungsgrad und damit eine starke Integration in den Alltag andeuten. Gleichzeitig liegt eine stark ökonomisch geprägte Ausrichtung dieser Orte vor, in denen Kommunikation zwischen den Gruppen bzw. Akteuren nur unter bestimmten Bedingungen möglich ist.

      Dies gilt zunächst auch für kleinere Ortschaften, in denen z.B. der Dorfplatz, die zentrale Dorfstraße oder das Dorfwirtshaus die Funktion des öffentlichen Raumes im hier beschriebenen Sinne erfüllen. Dort trifft man sich, dort sind u.U. Schule, Kindergarten und Läden angesiedelt, in denen Einkäufe gemacht werden. In diesem überschaubaren Rahmen, in dem eine gewisse Vorhersagbarkeit im Hinblick auf die anwesenden Personen herrscht, kann Kommunikation sowohl zwischen den Nutzern als auch zwischen den Nutzern und den Anbietern (Wirt, Ladenbesitzer) noch weitestgehend direkt als face-to-face-Kommunikation ablaufen. In urbanen Räumen hingegen ist zum einen eine Kommunikation zwischen den Nutzern aufgrund der großen anonymen Masse nicht Ziel des Aufenthalts im öffentlichen Raum, zum anderen ist eine unmittelbare Kommunikation Anbieter-Kunde ebenfalls nicht mehr möglich.

      Gleichzeitig ist jedoch gerade diese Kommunikation zentral für die Wahrnehmung des öffentlichen Raumes, da sie wesentlich zu seiner konkreten Ausprägung beiträgt und damit Teil seiner Konstruktion ist. Klamt (2007) verwendet den Begriff „Wahrnehmungsraum“ als Gegenbegriff zum „objektiven Raumverständnis der Naturwissenschaften“1 und betont damit die Konstruiertheit und Subjektivität des öffentlichen Raumes, da dieser durch seine konkrete Form zwar (konventionalisierte) Wahrnehmungen und Interpretationen vorschlägt, der Nutzer diesen aber nicht folgenden muss und insgesamt eine Umgestaltung und Uminterpretation jederzeit möglich ist.

      Daraus leitet sich ab, dass in Anlehnung an die Ausführungen von Friedrich & Schweppenhäuser (2010) zum Kommunikationsdesign die Konstruktion des öffentlichen Raums kulturspezifische Elemente und deren Interpretationen und Bewertungen umfasst, die sich auf die konkrete Ausgestaltung dieses Raumes in architektonischer, infrastruktureller und ökonomischer Hinsicht beziehen und auswirken. Friedrich & Schweppenhäuser (2010) verweisen hier z.B. auf die Sehschulung und deren Einfluss darauf, ob bestimmte Kombinationen von ‚Objekt‘ und ‚Text‘ als passend empfunden werden sowie auf die von der kulturellen Prägung vorgegebenen Konnotationen zentraler Elemente der Wahrnehmung.

      Auch wenn Friedrich & Schweppenhäuser (2010) sich in ihren Ausführungen auf Werbung und Marketing und das Zusammenspiel von beworbenem ‚Objekt‘ und passender ‚Schrift‘ bzw. passendem ‚Text‘ beschränken2, können ihre Ausführungen durchaus auf die Wahrnehmung des öffentlichen Raums übertragen werden, wenn die architektonischen3 und/oder natürlichen Gegebenheiten bzw. deren Kombination (Gebäude, Wege, Straßen, Grünflächen, Wälder4 etc.) als ‚Objekt‘ und die Präsenz von Sprache in verschrifteter Form, Piktogrammen etc. als ‚Text‘ verstanden wird, die zusammen den öffentlichen Raum und erst in der jeweils spezifischen Kombination einen bestimmten Typus desselben bilden.

      Dabei stehen die architektonischen Gegebenheiten und die spezifische Ausprägung von geschriebener Sprache in der Regel in einem reziproken Verhältnis zu einander und verweisen zumindest in der Tendenz auf besonders prägnante Formen des jeweils anderen Elements. So lassen bestimmte architektonische Strukturen eine entsprechende Nutzung und eine für sie typische LL sowohl in Bezug auf die Qualität (hier verstanden sowohl hinsichtlich der Form als auch des Inhalts) als auch der Quantität erwarten. Diese Beziehung gilt dabei nicht nur für die in dieser Betrachtung im Zentrum stehende ökonomische Nutzung urbaner öffentlicher Räume (vgl. Fn. 7).

      Für Naturräume, wie z.B. Wälder, werden nur wenige, nutzungsspezifische Signs im Sinne von Wegweisern für Wander- oder Radwege, ggf. Rastplätze o.ä. erwartet, die in ihrer äußeren Form deutlich von Signs urbaner Strukturen abweichen. Auch für den hier wesentlichen öffentlichen Raum in urbanen Strukturen zeigen sich ebenfalls spezifische architektonische Formen, die auf bestimmte Signtypen verweisen. Die Wahrnehmung von Wohngebäuden ggf. in Verbindung mit umgebenden Grünanlagen (Gärten), Parkmöglichkeiten und ‚normalen‘ Eingängen verweisen auf Wohngegenden ohne umfangreiche ökonomische Nutzung. Entsprechend werden keine oder nur wenige sehr spezifische Schilder erwartet, die einen ökonomischen Hintergrund haben (Bäcker, Arzt, sonstige Dienstleister). Stattdessen kann erwartet werden, dass Signs mehrheitlich aus Straßenschildern,