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Sprachliche Höflichkeit


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was sich auf der Beziehungsebene abspielt, nicht das einzig relevante Phänomen in der Kommunikation ist. Diese Erkenntnis ist natürlich nicht neu, aber sie mahnt uns, Theorien nicht unkritisch und ohne holistische Analyse der Daten zu verwenden. Im Rahmen eines Forschungsprojektes zu Language and Health Online streben wir deshalb an, Inhaltsanalyse mit Strategien der Beziehungsarbeit zu korrelieren.1 Dabei können wir beobachten, dass die Interagierenden in zentralen Momenten der Textgenese ihre Stellung zueinander ausloten, dass sie also letztlich BeziehungsarbeitBeziehungsarbeit leisten, während gleichzeitig Informationsaustausch, Hilfesuche, Hilfestellung usw. stattfindet. Auch wenn sich das Forschungsinteresse von einem ausschließlichen Fokus auf Höflichkeit fortbewegt hat, bleibt es weiterhin möglich, Interaktionen mit emischer Relevanz zu analysieren. Sobald akzeptiert wird, dass ‚Höflichkeit‘ ein evaluatives und kontextgebundenes Konzept und, wie oben beschrieben, Teil einer moralischen Ordnung ist, gelingt es auch, jene Passagen herauszufiltern, in denen die gegenseitigen Beziehungen verhandelt werden. Dies verhilft wiederum zu einem verbesserten Verständnis der impliziten Höflichkeitsideologien, welche historisch gewachsen sind. Es könnte sich auch herausstellen, dass diese Höflichkeitsideologien mit anderen Grundeinstellungen überlappen, diese verstärken oder ihnen widersprechen (zu denken wäre etwa an Ideologien zu Geschlecht, Klasse, Alter, Professionalität usw.).

      Ein weiterer Forschungsansatz innerhalb der Beziehungsarbeit könnte darin bestehen, sich auf einen gesonderten Aspekt zu konzentrieren, also etwa Unhöflichkeit oder Höflichkeit, und nicht auf eine gesonderte Praxis (wie Beratung im medizinischen Kontext, Emailanfragen von Studierenden usw.). Genau diesen Weg schlägt Culpeper (2001, 3) mit seiner Arbeit zu Unhöflichkeit ein, indem er unter Verwendung verschiedener Daten und Methoden (darunter Feldnotizen, Interviews, Fragebögen oder Korpusdaten) möglichst viele Ereignisse und Meta-Diskussionen zu diesem Phänomen berücksichtigt. Durch die explizite Bezugnahme auf Erkenntnisse der bereits erwähnten Disziplinen hebt er zudem den interdisziplinären Charakter von Unhöflichkeitsphänomenen hervor. Diese Herangehensweise ist gewinnbringend, da sie dem Themengebiet (d.h. Unhöflichkeit und Höflichkeit) gerecht wird, welches durchaus mehr als nur sprachliche Oberflächenstrukturen umfasst und es verdient, in seinem historischen, sozialen und lokalen Kontext (in verschiedenen Kulturen und sprachlichen Gegebenheiten) untersucht zu werden. Die Annäherung an einen gewählten Gegenstand von möglichst vielen Seiten ist also eine wertvolles Verfahren, das weitergeführt werden sollte.

      4. Abschließende Bemerkungen

      Dieser kurze Beitrag zur Würdigung der herausragenden Arbeit Culpepers auf dem Gebiet der (Un)Höflichkeitsforschung soll nicht dahingehend missverstanden werden, dass hier einer der angesprochenen Forschungsansätze favorisiert würde. Vielmehr wird dafür plädiert, dass verschiedene Analyseansätze gut miteinander kombinierbar sind. Dabei dürfen die (teilweise sehr feinen) Unterschiede in den Forschungsfragen nicht außer Acht gelassen werden. Es sind letztlich die konkreten Forschungsziele, die die Wahl der Analysewerkzeuge im Bereich der Interpersonalen PragmatikInterpersonalen Pragmatik bestimmen und die sehr weit auseinanderliegen können – sie reichen von der Suche nach Universalien in linguistischer Interaktion und in der Gesellschaft bis hin zu kleinteiligen Untersuchungen von Beziehungsmarkern in spezifischen lokalen Kontexten. Je nach Erkenntnisinteresse können Forscherinnen und Forscher methodische Werkzeuge und theoretische Erkenntnisse anderer Fächer auf ganz eigene Weise miteinander verbinden und so auf dem Wissen anderer aufbauen, um das jeweilige Forschungsvorhaben optimal zu verfolgen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Forschungsziel als Beitrag zum Verständnis einer spezifischen Praxis in ihrem Facettenreichtum definiert wird oder ob sich das Interesse auf individuelle, kulturelle, situative und kotextuelle Normen und Ideologien bezieht, die Interaktion globaler prägen.

      Literatur

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