Lingyan Qian

Sprachenlernen im Tandem


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und Exaktheit

       Bedeutung und Fluss

       aufgabenorientiert

       prozedural.

      Nach seinem Befund variieren die Systeme des Sprecherwechsels deutlich in diesen verschiedenen Kontexten. Während im prozeduralen Unterrichtskontext z.B. die lehrerseitigen Monologe ohne Sprecherwechsel einen großen Anteil ausmachen, sind im Kontext, der sich an Bedeutung und Fluss orientiert, zahlreiche Sequenzen mit Sprecherwechsel zu sehen. Des Weiteren lässt sich in dieser Studie feststellen, dass die Organisation des Sprecherwechsels im Fremdsprachenunterricht nicht ausschließlich der Steuerung der Lehrperson unterliegt. Die Lerner leisten lokal und kreativ auch einen Beitrag zur Gestaltung des Sprecherwechsels.

      Ein besonderes Thema, das in der Kommunikation mit nicht kompetenten Sprechern häufig behandelt wird, ist die Reparatur. Während die Reparaturhandlungen in nicht-institutionellen MS-NMS-Konversationen eher spontan und interapersonal sind, verdeutlicht die konversationsanalytische Zweitspracherwerbsforschung, wie die Reparatursequenzen im Fremdsprachenunterricht systematisch organisiert werden.

      Jung (1999) untersucht Reparatursequenzen anhand von Videodaten (60 Minuten) aus einem Fremdsprachenunterricht (Englisch als Fremdsprache) an einer amerikanischen Universität für Erwachsene aus Afrika, Ostasien und Südamerika. Der Fokus des aufgenommenen Unterrichts liegt darin, das Hörverständnis und die Sprechfähigkeit der Lerner zu fördern und damit ihre kommunikative Kompetenz voranzutreiben. Die empirische Untersuchung mit konversationsanalytischer Methode zeigt, dass die „participation frameworks“ (Jung 1999: 167) eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Reparatursequenzen im Fremdsprachenunterricht spielen. Jung (1999) unterscheidet dabei „learner role-playing activities“ von „teacher-fronted activities“ und beschreibt die Organisation der Reparatursequenzen in dem jeweiligen Kontext. In „learner role-playing activities“, in denen die Lerner Dialoge in Form vom Rollenspiel durchführen, manifestieren sich verschiedene Variationen der Reparatursequenzen, wie selbstinitiiert und selbstdurchgeführt, selbstinitiiert und fremddurchgeführt, fremdinitiiert und fremddurchgeführt. Dagegen zeichnen sich „teacher-fronted activities“, in denen die Lehrperson den Lernern Fragen stellen, durch fremdinitiierte und fremddurchgeführte Reparatursequenzen aus.

      Angeregt von Jung (1999) und Kasper (1986), die ausführen, dass die Organisation der Reparatursequenzen nicht monolithisch, sondern im Zusammenhang mit dem pädagogischen Fokus steht, führt Seedhouse (2004) eine weitere empirische Studie mit konversationsanalytischer Methode an. Konkret analysiert er die Gestaltung der Reparatursequenzen in drei fremdsprachenunterrichtlichen Kontexten, die jeweils Form und Exaktheit, Bedeutung und Fluss und aufgabenorientierte Interaktion als ihre pädagogischen Ziele setzen. Anhand seiner Daten beschreibt er die Reparatursequenzen im Fremdsprachenunterricht unter den folgenden vier Gesichtspunkten:

       typische Beteiligten bei der Reparatur

       typische Trajektorien der Reparatur

       typische Typen der Reparatur

       typischer Fokus der Reparatur (d.h. was ist reparierbar) (Seedhouse 2004: 142).

      Seine Untersuchung bestätigt, dass es zwischen dem pädagogischen Fokus und der Organisation der Reparaturen eine reflexive Beziehung gibt. Ändert sich der pädagogische Fokus, kommt eine veränderte Reparaturgestaltung vor.

      Ein Blick auf die Forschungslage zeigt, dass die konversationsanalytische Methodologie ein hilfreiches Instrumentarium bietet, um die Interaktionsorganisation im Fremdsprachenunterricht zu rekonstruieren und die enge Verknüpfung von sozialer Interaktion und Spracherwerb zu erfassen. Zur Bedeutung der Konversationsanalyse für die Fremdspracherwerbsforschung schreibt Schwab (2009):

      Die konversationsanalytische Methodologie kann also keine unmittelbaren Antworten auf die in der Psycholinguistik gestellten Fragen nach Lernen/Erwerben als individuell-kognitivem Prozess geben. Sie kann aber helfen, fremdsprachliches Lernen/Erwerben zu erklären, indem das Bild von Spracherwerb um eine sozial-interaktive Ebene erweitert wird. (Schwab 2009: 109)

      2.2 Zu den Daten

      Die vorliegende Arbeit versteht sich als eine empirische Untersuchung der chinesisch-deutschen Tandeminteraktion mit konversationsanalytischer Methode. Im Folgenden werde ich darauf eingehen, wie die Daten erhoben wurden. Außerdem werde ich relevante Angaben zu den Probanden machen. Schließlich wird die Aufbereitung der Daten für meine Forschung erläutert.

      2.2.1 Datenerhebung

      Am Anfang aller Gesprächsaufnahmen im chinesisch-deutschen Tandem fand ich in meinem Freundeskreis in Freiburg vier Tandempaare, die bereit waren, an meinem Forschungsprojekt teilzunehmen. Außerdem vermittelte ich einer chinesischen Studentin, die zum Zeitpunkt der Aufnahmen gerade in Freiburg angekommen war, auf ihren Wunsch hin eine deutsche Tandempartnerin. Mit ihrem Einverständnis wurde sie auch in meine Forschung aufgenommen. Darüber hinaus versuchte ich auch, potenzielle Probanden durch Aushänge in der Universität und Ankündigungen im Sozialnetzwerk (wie Facebook) oder Internetplattform (wie Verband der chinesischen Studierenden in Freiburg) zu finden. Da hat sich aber nichts ergeben. Es gelang mir also, insgesamt fünf Tandempaare zu Zwecken der Untersuchung zu gewinnen.

      Für die Auswahl der Probanden setzte ich hauptsächlich zwei Kriterien. Erstens sollten die Teilnehmer die Grundvoraussetzung der Tandemidee erfüllen. Der eine spricht Chinesisch als Muttersprache und lernt Deutsch. Der andere soll ein deutscher Muttersprachler sein, der Chinesisch lernt. Sie versuchen, einander beim Sprachenlernen zu helfen. Zweitens war es wichtig, dass sie sich regelmäßig und möglichst länger als vier Monate treffen.

      Von meiner Seite aus wurden Unterstützungen bezüglich des Sprachenlernens bereitgestellt, sowohl für die Chinesisch lernenden deutschen Probanden als auch für die Deutsch lernenden chinesischen Probanden. Je nach ihrem individuellen Bedarf bot ich z.B. Hilfe bei ihren Übersetzungsaufgaben, Textkorrekturen u.a. an.

      Bei der Durchführung der Aufnahmen wurde ein kleiner Aufnahmeapparat benutzt. Die Tandempartner trafen sich normalerweise in der Universität, im Café oder zu Hause. Der Apparat wurde auf den Tisch zwischen die beiden Teilnehmern gelegt. Zumeist war ich bei den Aufnahmen der Tandemgespräche anwesend, da ich dadurch einen genauen Blick in den Interaktionsverlauf gewinnen konnte. Diese Methode wird in der sozialwissenschaftlichen Feldforschung als teilnehmende Beobachtung bezeichnet. Sie zielt darauf ab, Erkenntnisse über das Handeln und das Verhalten der Teilnehmer zu gewinnen. Dadurch werden für die Forscher relevante Aspekte des Handelns oder des Verhaltens in der real ablaufenden Situation zugänglich. Es gibt auch Daten, die die Probanden selber mit dem Aufnahmeapparat erhoben haben und mir aushändigten. Diese Daten machen aber im Gesamtkorpus einen relativ kleinen Anteil aus.

      Im Laufe der Aufnahmen brach ein Tandempaar schon nach ungefähr drei Monaten die Tandemgespräche ab. Bei einem anderen halfen die beiden Teilnehmer einander hauptsächlich bei schriftlichen Hausaufgaben. Mündliche Gespräche zu Alltagsthemen waren in ihrer Tandeminteraktion kaum zu beobachten. Die beiden Gruppen wurden schließlich nicht in die konversationsorientierte Analyse aufgenommen. Die Gesamtdaten der Tandemgespräche für die vorliegende Arbeit lassen sich tabellarisch wie folgt aufzeigen:

ProbandenAufnahmenZeitraum
Li & Lukasca.16 Stunden08. 2012–02. 2013
Ting & Lindaca.14 Stunden10. 2012–06. 2013
Le & Maxca. 5 Stunden01. 2013–07. 2013
Summeca. 35 Stunden

      * Aus Gründen der Anonymität sind alle Namen geändert.

      Am Schluß der Aufnahmen führte ich Interviews mit den chinesischen Lernern durch. Dabei wurde vorwiegend nach ihrem jeweiligen persönlichen Hintergrund bezüglich des Sprachenlernens und ihren eigenen Meinungen zum Tandem gefragt. An verschiedenen Stellen der vorliegenden Arbeit stütze ich mich bei der Darstellung auf Angaben aus den aufgezeichneten Interviews.