gesteht dem Emittenten allerdings durchaus einen angemessenen Prüfungszeitraum einschließlich der Einholung von Rechtsrat zu.[50] Die Veröffentlichung kann ferner unter bestimmten Voraussetzungen aufgeschoben werden, wenn diese berechtigte Interessen des Emittenten beeinträchtigen würde, die Öffentlichkeit nicht irregeführt wird und der Emittent die Vertraulichkeit sicherstellen kann (Art. 17 Abs. 4 MAR). Die Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen und gelten entsprechend auch für Zwischenschritte, die die Definition der Insiderinformation erfüllen. Die gerade veröffentlichten ESMA-Leitlinien[51] enthalten eine nicht abschließende Liste von Fällen, wann ein berechtigtes Interesse vorliegt und wann der Aufschub der Offenlegung die Öffentlichkeit irreführen würde. Nach der ESMA wäre letzteres beispielsweise dann der Fall, wenn die Insiderinformation Markterwartungen widerspricht, die auf Signalen basieren, die der Emittent zu einem früheren Zeitpunkt selbst gesetzt hat. Auch die Regelbeispiele des § 6 WpAIV, die auf laufende Verhandlungen über Geschäftsinhalte und die ausstehende Zustimmung eines Organs des Emittenten abstellen, werden voraussichtlich weiterhin Bestand haben.[52] Im Fall einer Aufschiebung der Offenlegung muss der Emittent die zuständige Behörde unmittelbar nach der Veröffentlichung schriftlich über den Aufschub informieren und die Gründe darlegen.
50
Die Regelungen des Art. 17 MAR werden auf europäischer Ebene durch verschiedene sog. Level 2- und Level 3-Maßnahmen national aber auch weiterhin durch das WpHG ergänzt, das im Hinblick auf die Verordnung sowie die entsprechenden Durchführungsbestimmungen durch das Erste und Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz (1./2. FiMaNoG) angepasst wurde. Daneben bleibt die WpAIV in ihrer bisherigen Fassung zunächst bestehen, „tritt allerdings hinter der MAR sowie den ausführenden europäischen Rechtsvorschriften zur MAR zurück, soweit sich in diesen entsprechende oder abweichende Regelungen finden“. Darüber hinaus plant die BaFin gem. der Auskunft ihrer Homepage eine Überarbeitung des Emittentenleitfadens, sobald sich zu den neuen Vorschriften eine Verwaltungspraxis herausgebildet habe.[53]
51
Näher bestimmt wird Art. 17 MAR ferner durch eine delegierte Verordnung gem. Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 3 und Abs. 3 MAR[54] sowie durch begleitende ITS (Implementing Technical Standards = Durchführungsstandards)[55] gem. Art. 17 Abs. 10 MAR und die bereits genannten ESMA-Leitlinien (Guidelines) gem. Art. 17 Abs. 11 MAR.[56]
Die Einzelheiten hierzu werden im nachfolgenden Kapitel behandelt.[57]
52
Im Unternehmen muss durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden, dass diese gesetzlichen Vorgaben auch erfüllt werden.
53
In der Regel ist das Erstellen und die Durchführung von Ad-hoc-Mitteilungen keine Aufgabe, die unmittelbar in den Tätigkeitsbereich einer Compliance-Organisation im Unternehmen fallen dürfte, wohingegen die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen und die Ahndung etwaiger Verstöße eindeutig in den Kompetenzbereich von Compliance fällt.
54
Jedenfalls muss dafür Sorge getragen werden, dass eine zentrale Stelle im Unternehmen, die mit der Erstellung und der Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen befasst ist, umfassend über relevante Vorgänge informiert wird. Für Unternehmen, die an der NYSE (New York Stock Exchange) gelistet sind, ergibt sich kraft Unterworfenheit unter amerikanisches Kapitalmarktrecht bereits die Pflicht der Einrichtung eines Offenlegungskommitees (Disclosure Committee),[58] das die Aufgabe hat, bestimmte finanzielle und nicht finanzielle Informationen zu überprüfen und den Vorstand bei seiner Entscheidung über deren Veröffentlichung zu beraten und damit Compliance im Rahmen der Finanzberichterstattung sichern soll. Mitglieder eines solchen Offenlegungskommitees sollten die Leiter der Abteilungen sein, in denen Insiderinformationen gewöhnlicherweise entstehen oder verwaltet werden und deren Mitglieder kraft dessen Funktionsinsider darstellen. Zu denken ist dabei an die Leiter der Finanzsteuer- und Rechtsabteilungen, Investor Relations, M&A-Compliance und Communications, da hier erfahrungsgemäß die entsprechenden Informationen entstehen bzw. gehandhabt werden. Aufgrund der komplexen Materie empfiehlt es sich darüber hinaus, dieses Team intern durch Spezialisten in der eigenen Rechtsabteilung oder auch durch externe Berater in der Bewertung der Informationen zu unterstützen. Daneben sollte ein Vorstandsmitglied auch in dem Komitee vertreten sein, da bei einem Selbstbefreiungsbeschluss mindestens ein Vorstandsmitglied mitwirken muss.
55
Wichtig ist eine klare Zuständigkeitsregelung. So umfasst der Zuständigkeitsbereich der zentralen Stelle regelmäßig[59]
– | die Prüfung, ob ein bestimmter Umstand eine Insiderinformation darstellt, die sich auf Emittenten bezieht, |
– | die Prüfung der Voraussetzungen und Vorbereitung der Entscheidung für eine Befreiung von der Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung i.S.v. Art. 17 Abs. 1 und 4 MAR, |
– | die Überwachung der Einhaltung der besonderen Verpflichtungen während einer Befreiung von der Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung gem. Art. 17 Abs. 4 MAR, |
– | das Formulieren und die Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen sowie |
– | die Prüfung, ob eventuell Berichtigungen von veröffentlichten Ad-hoc-Entscheidungen nötig sind. |
56
Für das Aussehen und den Inhalt einer solchen Mitteilung existieren genaue Vorgaben. Diese sind im Wesentlichen in der WpAIV enthalten. Auf der Homepage der BaFin befindet sich ein Q&A-Dokument, das fortlaufend aktualisiert wird.[60] Den Inhalt der Veröffentlichung regelt hier § 4 WpAIV. Wie im Emittentenleitfaden der BaFin zusammengestellt, müssen folgende formalen Voraussetzungen erfüllt sein:
– | Überschrift „Veröffentlichung von Insiderinformationen gem. Art. 17 MAR“, |
– | Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts der Mitteilung durch ein Schlagwort in der Überschrift, |
– | vollständiger Name bzw. Firma und Anschrift des Emittenten, |
– | internationale Wertpapierkennnummer (ISIN), |
– | Börse und das Handelssegment, für die der Emittent zugelassen ist. |
57
Darüber hinaus sollen nach Emittentenleitfaden bzw. WpAIV folgende weitere Angaben in der Ad-hoc-Mitteilung enthalten sein:
– | das Datum des Eintritts der der Information zugrunde liegenden Umstände, |
– | eine kurze Erklärung, inwieweit die Information den Emittenten unmittelbar betrifft, soweit sich dies nicht schon aus der zu veröffentlichenden Information ergibt, |
– | eine Erklärung, aus welchen Gründen die Information geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen, soweit sich dies nicht schon aus der zu veröffentlichenden Information ergeben. |
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Der Inhalt selbst der Ad-hoc-Mitteilung ist breit gefächert. Exemplarisch nennt hier der Emittentenleitfaden Geschäftszahlen, Ausschüttungen, Kooperationen/Zusammenarbeit, Kapitalmaßnahmen, strategische Unternehmensentscheidungen, Personal, Unternehmenskäufe