Karl Richter

Kapitalmarkt Compliance


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abgeleitete, Legitimation fehlt.[165]

      Von einer solchen generellen Ausstattung mit Befugnissen ist die Delegation von einzelnen Entscheidungskomponenten im Einzelfall zu unterscheiden. Dies kann z.B. Fälle betreffen, in denen das „Ob“ und/oder der konkrete Zeitpunkt einer Ad-hoc-Veröffentlichung von dem Eintritt eines oder mehrerer Ereignisse abhängt, deren Eintritt offen ist. In solchen Konstellationen kann eine Delegation der Entscheidung über die Ad-hoc-Publizität bzw. die Bestimmung des konkreten Zeitpunkts der Veröffentlichung von dem Vorstand auf das Ad-hoc-Gremium sinnvoll sein.

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      Neben den Aufgaben und Befugnissen des Ad-hoc-Gremiums ist die Frage des Vorsitzes sowie der Mitgliedschaft in der Geschäftsordnung zu regeln. Als ständige Mitglieder werden in dem Gremium regelmäßig die Compliance-, die Rechts- sowie die Kommunikations- und/oder die Investor-Relations-Abteilung fungieren. Zudem sollte auch die Finanzabteilung in dem Ad-hoc-Gremium, sei es als ständiges und ggf. stimmberechtigtes Mitglied vertreten sein oder im Einzelfall als sachverständiger Dritter hinzugezogen werden. Die Einbeziehung der Finanzabteilung ist nicht nur bei der stets wiederkehrenden Bewertung der Geschäftszahlen sinnvoll. Regelmäßig sind bei der Beurteilung der erheblichen Kursrelevanz anderweitiger Sachverhalte bilanzielle Auswirkungen ebenfalls in Betracht zu ziehen.

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      Des Weiteren ist in der Geschäftsordnung zu regeln, wie mit Sachverhalten zu verfahren ist, die von dem Ad-hoc-Gremium im Ergebnis als nicht ad-hoc-relevant beurteilt werden. Grundsätzlich wird in diesen Fällen eine abschließende Vorstandsbeschlussfassung vorzusehen sein, da die Entscheidung gegen eine Ad-hoc-Veröffentlichung aufgrund potenziell hoher Bußgeld- und zivilrechtlicher Haftungsrelevanz regelmäßig noch gewichtiger sein wird, als eine positive Beurteilung der Ad-hoc-Relevanz. Aus Praktikabilitätsgründen können hiervon allerdings solche Fälle ausgenommen werden, bei denen das Ad-hoc-Gremium einen Sachverhalt für offensichtlich nicht ad-hoc-relevant erachtet.

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      Erstellt das Ad-hoc-Gremium ein Votum für den Gesamtvorstand, bietet sich an, einen entsprechenden Beschlussvorschlag in die vorgangsbezogene Vorstandsvorlage der Fachabteilung zu integrieren. Ist dies nicht oder nicht rechtzeitig möglich, hat das Ad-hoc-Gremium die Vorstandsentscheidung zur Ad-hoc-Publizität separat herbeizuführen.

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      Ein weiteres in der Geschäftsordnung zu klärendes Thema ist die Frage, wie mit Unstimmigkeiten innerhalb des Ad-hoc-Gremiums umzugehen ist. Obwohl qua seiner Funktion jedes Mitglied dem alleinigen Interesse verpflichtet ist, den gesetzeskonformen Umgang mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht zu gewährleisten, ist nicht auszuschließen, dass auch sachfremde Aspekte, wie etwa unzulässige Marketingerwägungen, bei der Beurteilung eine Rolle spielen können. Ein Vetorecht der Compliance-Funktion und ggf. zusätzlich der Rechtsabteilung erscheint vor diesem Hintergrund als sinnvoll. Grundsätzlich dürfte sich das Ad-hoc-Gremium jedoch um eine einvernehmliche Beschlussfassung bemühen. Ist eine solche im Einzelfall nicht möglich, sollte hierüber der Gesamtvorstand unter Darlegung der Gründe informiert werden.

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      2. Teil Emittenten-Compliance3. Kapitel Ad-hoc-Publizität in Unternehmen › F. Ausblick

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      Trotz der nun in allen EU-Mitgliedstaaten geltenden MAR wird es richtigerweise auch künftig zu Auslegungen durch nationale Aufsichtsbehörden kommen. In Deutschland hat die BaFin bereits angekündigt, den Emittentenleitfaden aus 2013 zu aktualisieren und damit über die bestehenden FAQs zur MAR hinaus den Marktteilnehmern weiterhin Hinweise zur Verwaltungspraxis gewähren. Es steht zu erwarten, dass andere nationale Aufsichtsbehörden ähnlich verfahren werden.

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      2. Teil Emittenten-Compliance3. Kapitel Ad-hoc-Publizität in Unternehmen › G. Zusammenfassung

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Bei der Beurteilung der Ad-hoc-Publizitätspflicht inklusive der Selbstbefreiungsvoraussetzungen sieht sich der Rechtsanwender mit unbestimmten Rechtsbegriffen, einer uneinheitlichen Rechtsprechung und zahlreichen Streitfragen konfrontiert.
Auch wenn die MAR einige Fragen durch Übernahme der Grundsätze des EuGH in Bezug auf die potenzielle Ad-hoc-Relevanz von Zwischenschritten kodifiziert hat, bleibt die entscheidende Frage offen, welche Kriterien für die Beurteilung der erheblichen Kursrelevanz anzulegen sind.
Einem Probability Magnitude-Ansatz zur Bestimmung der erforderlichen