Karl Richter

Kapitalmarkt Compliance


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geringere Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit zu stellen sind, erteilt die MAR wie der EuGH eine Absage. Es bleibt insoweit bei dem Erfordernis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit i.S.v. 50 plus 1 %. – Die verschiedenen Zwischenschritte eines Sachverhaltes sind auf ihre Ad-hoc-Relevanz zu prüfen, selbst wenn das angestrebte Endergebnis nicht überwiegend wahrscheinlich ist. – Resultiert die Kurserheblichkeit eines Zwischenschritts allerdings allein aus der Kurserheblichkeit des angestrebten Endergebnisses, ist zu der Bejahung der Kurserheblichkeit des Zwischenschritts eine überwiegende Eintrittwahrscheinlichkeit des Endergebnisses erforderlich. – Da der Wortlaut der MAR, die Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055, die ESMA und die BaFin einen Selbstbefreiungsbeschluss als eine notwendige Voraussetzung für eine wirksame Selbstbefreiung ansehen, muss der Emittent entsprechend verfahren und die Beschlussfassung dokumentieren. – Bei einem Aufschub der Offenlegung der Insiderinformation ist das Vorliegen der Voraussetzungen ausführlich zu dokumentieren. – Bei aufkommenden präzisen Gerüchten ist, anders als nach bisheriger Rechtslage, eine „no comment policy“ nicht mehr möglich. – Um einen angemessenen Umgang mit potenziell ad-hoc-pflichtigen Sachverhalten zu gewährleisten, ist Emittenten zu empfehlen, ein Gremium zu implementieren und dessen Aufgaben und Befugnisse in einer durch den Vorstand zu beschließenden Geschäftsordnung zu dokumentieren. – Soll einem Ad-hoc-Gremium die Befugnis eingeräumt werden, nicht nur Beschlussvorschläge für den Vorstand zu erarbeiten sondern über die Inanspruchnahme der Selbstbefreiungsmöglichkeit auch selbst zu entscheiden, sollte der Selbstbefreiungsbeschluss unter Mitwirkung mindestens eines Vorstandsmitglieds erfolgen. – Aufgrund der sich aus einem Verstoß ergebenden empfindlich erhöhten Haftungs- und Sanktions-Risiken, sollte der Emittenten der Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflicht weiterhin höchste Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen.

      2. Teil Emittenten-Compliance3. Kapitel Ad-hoc-Publizität in Unternehmen › H. Geschäftsordnungsmuster Ad-hoc-Gremium

H. Geschäftsordnungsmuster Ad-hoc-Gremium

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1.
2. Die Mitgliedschaft ist als ein persönlich übertragenes Amt zu betrachten. Insoweit ist eine Stellvertretung nur in begründeten Ausnahmefällen (z.B. Urlaub, Krankheit) zulässig. Stellvertreter sind stimmberechtigt.
3. Änderungen in Bezug auf die Mitglieder bedürfen der Zustimmung durch den jeweiligen Vorsitzenden der Kommission sowie der Kenntnisnahme durch die GVS.

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Der Vorsitzende leitet die Ad-hoc-Kommission und repräsentiert diese zugleich gegenüber Dritten. Dem Vorsitzenden obliegt zudem die Federführung in der Zusammenarbeit mit dem Gesamtvorstand.
Die Mitglieder der Ad-hoc-Kommission arbeiten kollegial zusammen und unterrichten sich über alle wichtigen Vorgänge und Maßnahmen in Bezug auf den Geschäftszweck der Ad-hoc-Kommission.
Jedes Mitglied ist verpflichtet, eine unverzügliche Behandlung durch die Ad-hoc- Kommission herbeizuführen, soweit es von potenziell ad-hoc-relevanten Informationen in Bezug auf die AG Kenntnis erlangt.

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Die Ad-hoc-Kommission beurteilt Sachverhalte im Hinblick auf Ad-hoc-Relevanz im Sinne des Art. 17 Marktmissbrauchsverordnung, inklusive einer möglichen Selbstbefreiung gem. Art. 17 Abs. 4 MAR („gewöhnliche“ Selbstbefreiung) und Art. 17 Abs. 5 MAR („spezielle“ Selbstbefreiung aus öffentlichem Interesse zur Wahrung der Stabilität des Finanzsystems) und die Dauer einer etwaigen Selbstbefreiung.
Die Ad-hoc-Kommission erstellt hierzu einen Beschlussvorschlag für den Gesamtvorstand, der, sofern möglich, in eine Vorstandsvorlage der Fachabteilung zu dem betroffenen Sachverhalt aufzunehmen ist. Ist dies nicht oder nicht rechtzeitig möglich, führt die Ad-hoc-Kommission die Vorstandsentscheidung zur Ad-hoc-Publizität selbst herbei. Ist die Ad-hoc-Kommission der Auffassung, dass es sich um einen offensichtlich nicht ad-hoc- publizitätspflichtigen Vorgang handelt, muss eine Beschlussfassung des Vorstands nicht herbeigeführt werden.
Die der Ad-hoc-Kommission durch diese Geschäftsordnung übertragenen Entscheidungsbefugnisse dürfen grundsätzlich nicht auf andere Gremien und/oder Komitees delegiert werden. Es besteht grundsätzlich die Pflicht zur Entscheidung.
Der Ad-hoc-Kommission steht es frei, für klar definierte Themenstellungen Ausschüsse einzurichten, welche in Bezug auf die ihnen zugewiesenen Aufgaben Empfehlungen zur finalen Beschlussfassung durch die Ad-hoc-Kommission ausarbeiten.
IV. Beschlussfähigkeit/Beschlussfassung/Eskalation

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Die Ad-hoc-Kommission ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder eingeladen und mindestens die Hälfte seiner Mitglieder (darunter der Vorsitzende der Kommission oder in seiner Abwesenheit der Stellvertreter) anwesend sind.
Die persönliche Anwesenheit der Mitglieder ist grundsätzlich sicherzustellen. In Ausnahmefällen ist auch die Teilnahme via Video-/Telefonkonferenz oder vergleichbarer Telekommunikationsmittel möglich.

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Entscheidungen der Ad-hoc-Kommission werden durch Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst, wobei jede Beschlussfassung die Zustimmung des Vorsitzenden sowie des stellvertretenden Vorsitzenden erfordert. Grundsätzlich haben sich die Mitglieder um eine einstimmige Beschlussfassung zu bemühen. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Erfolgt die Beschlussfassung nicht einvernehmlich ist hierüber der Gesamtvorstand zu informieren