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Vom Träumen und Aufwachen


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ist. Und weil es in der extrem komplexen Nachwendezeit vor allem dem gefährlich aufkommenden Populismus die mächtigste Gegenposition entgegenhält, die es nun einmal gibt: Tatsachen. Und zwar äußerst erfreuliche Tatsachen.

      Dazu nur ein paar Kapitelüberschriften – Sie können bei sich nebenbei beobachten, wie immer wieder ein »Ja, aber …« auftauchen mag:

      •Der mehr als 70-jährige Frieden nach dem 2. Weltkrieg

      •Noch nie so umweltbewusst: Das Wasser wird sauberer, das Ozonloch schließt sich, die Luft wird sauber, das Essen wird gesünder etc.

      •Abnahme von Gewaltkriminalität – und zwar besonders dort, wo viele Zuwanderer leben!

      •Der Analphabetismus stirbt aus

      •Das erfolgreichste Mittel gegen Armut ist: die Globalisierung

      Und sehr vieles mehr.

      Wüllenweber unterstreicht ausdrücklich, dass ein äußerst negativer Sachverhalt bisher noch unangetastet bleibt: die ständige Umverteilung von Vermögen und Erträgen nach oben – sodass immer weniger Personen immer mehr besitzen. Allein das reichste 1 % der Weltbevölkerung besitzt mehr als die restlichen 99 %, Tendenz steigend zugunsten der Reichen – oft genug mit üblen Methoden wie Land Grabbing (= sich über unübersichtliche Investorenketten riesige Landflächen aneignen) oder Water Grabbing (notorisches Beispiel: Nestlé).

      Diese inakzeptablen Ungerechtigkeiten sollten gewiss einer der Faktoren sein, die uns davon abhalten, uns einfach nur auf die genannten positiven Entwicklungen zu beschränken.

      Es gibt aber noch weitere Gründe, die unsere Anerkennung der positiven Wirklichkeiten einschränken.

      Ich will hier nur einen dieser Gründe nennen: den Pessimismusreflex. Er besteht darin, dass wir inmitten der besten aller bisherigen Welten leben und gleichzeitig negativen bis apokalyptischen Vorstellungen von der Weltlage anhängen, verbunden mit solchen »Weisheiten« wie: Pessimisten sind Hellseher, die schwarzsehen – oder: Ein Pessimist ist ein Optimist, der nachgedacht hat.

      Ein Grund für dieses Phänomen ist eine aus unserem weit zurückliegenden Stammesleben in kleinen Gruppen (von maximal etwa 150 Mitgliedern) herrührende Angst- und Alarmbereitschaft gegenüber allgegenwärtigen lebensbedrohlichen Gefahren. Diese uralten neurophysiologischen Bahnungen gehören zu unserer Natur und benötigen heute unseren Verstand und unser Bewusstsein, um als unzeitgemäß erkannt und entmachtet zu werden. Sonst, siehe Francisco Goya, schläft unsere Vernunft in alten Reflexmustern, und wir gebären immer aufs Neue die Monster ständiger Angstbereitschaft, kurz den Populismus.

      Wir wissen ja auch, dass die eigentlich sensationellen Nachrichten guter Entwicklungen uns nicht weiter anmachen – »Heute keine Unfälle auf der B 19« verkauft sich nicht, sondern »blood sells«, wie es Journalisten formulieren, also Katastrophen und dramatische Missstände aller Art – dies aus unserem stammesgeschichtlichen Erbe des Lebens in kleinen Überlebensgemeinschaften, wo wir ständig in Angstbereitschaft und auf dem Sprung sein mussten.

      Diese Zeiten sind vorbei, und wir sind eingeladen, nicht in einer Art Retro-Illusion zu leben, wozu Populisten auffordern, als habe es Evolution nie gegeben.

      Und, noch einmal, das mächtigste Mittel dafür sind die Fakten und die Freude daran, sie zu kennen und zu verbreiten.

      Eben habe ich frisch aus der Druckerei Norbert Pötzls Buch Der Treuhand-Komplex (Pötzl 2019) bekommen, das zurzeit wohl beste Buch über Treuhand und Wende.

      Am Schluss erwähnt Pötzl den Verein »Ost-West-Forum Gut Gödelitz«, dessen Beschreibung ich an Sie weitergebe als eines der wesentlichen Anliegen auch dieser Tagung:

      »Im Gutshaus Gödelitz (Nähe Dresden) erzählen sich regelmäßig seit 1994 jeweils eine Handvoll Ost- und Westdeutsche ein Wochenende lang gegenseitig ihre Lebensgeschichten. Wolfgang Thierse (aus Ostdeutschland stammender Ex-Bundestagspräsident u. v. m.) und der niedersächsische, aus Mecklenburg stammende Politologe Peter von Oertzen haben die Anregung zu dieser Dialogform gegeben. Die Gesprächsteilnehmer, insgesamt waren es bereits mehr als 3000, hören einander zu, lassen ausreden, niemand wird beurteilt oder kritisiert. Damit sollen vor allem die tief gehenden Vorurteilsstrukturen aufgebrochen werden, die die Beziehungen zwischen Ost und Westdeutschen belasten.«

      Diese Tagung war gewiss ein eigenes, wertvolles Ost-West-Forum Naumburg – vielen Dank und alles Gute!

       Nachwort

       Populismus und Corona-Pandemie

      Zum Zeitpunkt dieses Nachwortes (26. April 2020) hat sich die Corona-Pandemie über nahezu alle Länder der Welt ausgebreitet.

      Die wenigen noch nicht flächendeckend betroffenen schwarzafrikanischen Länder wird es wegen der extrem schlechten Struktur ihrer Gesundheitssysteme mit besonderer Härte treffen.

      Diese Phase – vor der kausalen Therapie durch einen Impfstoff und vor dem Einsatz wirksamer Medikamente – ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass es über die genaue(n) Ursache(n), den weiteren epidemiologischen und in der Folge den möglichen wirtschaftlichen Verlauf (etwa eine Sturmflut von Insolvenzen) noch keine verlässlichen Aussagen und Prognosen geben kann.

      Und damit ist gegenwärtig auch nur ein langsames, sehr vorsichtiges Voranschreiten hinsichtlich Schutz- und Freiheitsmaßnahmen möglich.

      In diesem kurzen Nachwort möchte ich ein paar Beobachtungen zusammentragen, wie populistische Parteien mit dieser Lage umgehen. Vor allem ist »diese Lage« eines: global – in jeder Hinsicht. Kein einziger Mensch hat vor dem Hintergrund eigener Interessen oder Entscheidungen dieses Virus geschaffen noch willentlich zu seiner grenzenlosen Verbreitung beigetragen. Die Pandemie setzt sich über alles hinweg, so als würde sich aufgrund von kosmischen Ereignissen der Sauerstoffgehalt der Atemluft auf einmal ändern.

      Auf einen solchen Sachverhalt hält populistisches Ideengut und Handeln offensichtlich keine adäquate Antwort bereit. Die typisch populistische Polarisierung in »Wir, das eigentliche Volk versus die Eliten, die Anderen, Fremden, Ausländer, Migranten etc.« ergibt keinen Sinn in einer Pandemie – es sind halt alle gleichermaßen betroffen.

      Populistische Hochburgen wie Matteo Salvinis Lega Nord mit ihrem Schwerpunkt in Norditalien z. B. in Bergamo; die USA unter Trumps Desorganisation inklusive wahnwitziger »Einfälle« (Desinfektionsmittel zur inneren Anwendung); in Brasilien Jair Bolsonaros Verharmlosung der Pandemie als »Grippchen«; auch Boris Johnsons lang anhaltende Leugnung der Gefahr für Großbritannien – in diesen Einflussgebieten sind besonders schlimme Verläufe der Pandemie zu verzeichnen.

      Die AfD hat sich in Sachen Pandemie zerstritten (s. etwa Spiegel 17/17.4.2020) und hat in den vergangenen Monaten deutlich an Zustimmung eingebüßt. In dieser Pandemie kann keine kleinsinnige Fraktion sich mit ihrem lokalen Dialekt als Opfer bzw. potenzieller Retter anbieten – die Fakten sprechen eine ganz andere, eine globale Sprache.

      Wir können während dieser Pandemie an vielen Orten beobachten, wie Hilfsbereitschaft, Wohlwollen, freundliche Zuwendung und Anteilnahme Ausdruck finden, so als zeigte sich unser ursprünglich freundliches Wesen unter diesen widrigen Umständen besonders »gerne« oder selbstverständlich – nicht weil das moralisch wünschenswert wäre, sondern weil es allen guttut und weil es sich so einfach besser lebt.

      Und wir sind ebenso Zeugen von ganz anderen, üblen und destruktiven Vorfällen, die Fassungslosigkeit hinterlassen.

      Ich neige zu der Sicht von Stefano Mancuso, Dozent für Neurobiologe und Botanik an der Universität von Florenz, der das Überleben der Spezies Mensch von der Einsicht abhängig sieht, dass Kooperation viel erfolgreicher ist als Konkurrenz und dass alle Formen von »Wir zuerst« selbstschädigend und am Ende zum Scheitern verurteilt sind. Siehe auch sein einschlägiges Buch Die Intelligenz der Pflanzen (2015).

      Das ist es, was ich angesichts einer tatsächlich globalen Bedrohung