Ralos Znarf

Zapfenstreich für Österreich


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      A: „So a Schas...wos solln ma denn jetzt tuan?!“

      B: „I waaß a net.“

      A: „Am besten Du hoist an Fetzen und wischt des auf.“

      B: „Wiaso i?“

      A: „Weil ich es sage!“

      B: „Wo soll i denn an Fetzen heanehman? Und an Eimer mit Wossa brauch i dann a.“

      A: „Heast, stöll di net so bled an!”

      Er erhob drohend die Stimme.

      Das Mädchen begann laut zu heulen.

      Da sagte die Mutter mit schrillem Organ zu den beiden Männern: „Hören Sie gefälligst auf so zu schreien! Sehen Sie nicht wie schlecht es meiner Tochter geht? Das ist ihr doch total peinlich!“

      In diesem Augenblick blieb die U-Bahn in einer Station stehen, die Tür ging auf und Karl verließ den Waggon. Durch die offene Tür hallte das lautstarke Wortgefecht.

      A: „Jetzt werdn‘S net glei hysterisch, gnä Frau. Mir scheint, Sie san so empfindlich wia da Mog'n von Ihnara Tochter!“

      Mutter: „Jetzt werden‘S nicht unverschämt! Was kann denn meine Tochter dafür, dass andere Fahrgäste so grausliche Blähungen haben!“

      B: „Wos?“

      A: „Wer?“

      Mutter: „Na der, der grad ausgestiegen is hat einen fahren lassen und daraufhin hat mein Pupperl ein Speiberl g’macht!“

      B: „Wöches Pupperl?“

      A: „Wer hod an Schas lossn?“

      Mutter: „Na der, dort vorn, mit dem braunen Pullover über die Schultern und den Wimmerln im G´sicht!“

      A: „Na dann soi’s der aufwisch'n!“

      B: „Den hol’n ma uns!“

      Doch in diesem Augenblick schloss sich die U-Bahn Tür mit lautem Geräusch.

      Der Zug fuhr an Karl vorbei und er sah, wie die beiden Kontrolleure wutentbrannt mit ihren Fäusten gegen das Glasfenster der Tür hämmerten, ihn dabei mit ihren blutunterlaufenen Augen fixierten und unverständliche Verwünschungen in seine Richtung ausstießen.

      Dass man nun nach ihm suchen würde, stand außer Frage.

      Er nahm den Pullover von den Schultern und streifte ihn sich über; so, glaubte er, wäre er schwerer zu identifizieren. Außerdem setzte er die Sonnenbrille auf.

      Schon nach einer knappen Minute fuhr die nächste U-Bahn ein. Karl schlüpfte schnell in den vordersten Waggon. Angstvoll malte er sich die Situation aus, falls ihm die animalischen Kontrolleure in der nächsten Station auflauern würden. Als sich die U-Bahn dieser näherte, klopfte sein Herz immer heftiger. Vor ihm stand ein sehr dicker, mittelgroßer Mann, dessen Körpervolumen er als Deckung nutzen konnte.

      Die U-Bahn hielt an, die Tür öffnete sich wie ein Theatervorhang – und auf dem Bahnsteig, unmittelbar vor der Tür, standen Mutter und Tochter. Wild gestikulierend redete erstere schrill auf einen uniformierten Beamten der Verkehrsbetriebe ein.

      Karl versuchte sich optimal hinter dem dicken Fahrgast zu verbergen. Er bemerkte, dass sich nun auch zwei Polizistinnen dazugesellten. Beide hatten maskuline Gesichtszüge und ihre Körpersprache verriet ein großes Maß an Übermotiviertheit.

      Die Gruppe kam zwei Schritte näher zur Tür.

      Mutter: „Da is er gestanden!“ – sie deutete auf die Stelle – „Und unmittelbar daneben mein Pupperl; und dieses rücksichtslose Schwein kann sich nicht beherrschen. Mir scheint, der hat seinen Hintern noch extra zu ihr hingedreht!“

      Sie schluchzte laut auf: „Das ist doch klar, dass man da speiben muss!“

      Die Tochter begann nun markdurchdringend zu plärren.

      Polizistin 1: „Wegen der Speiberei können ma ihn net zur Verantwortung ziehen....“

      Polizistin 2: „Aber auf jeden Fall kann ma es so auslegen, dass der Tatbestand eines sittlichen Übergriffs gegen eine Minderjährige gegeben is'!“

      Polizistin 1: „Na, in dem seiner Haut möcht’ i jetzt net stecken!“

      Sie griff zum Funkgerät.

      Plötzlich hörte Karl laute Schreie hinter sich. In seinem Rücken befand sich das Glasfenster der gegenüberliegenden Schiebetür. Dahinter verlief das Gleis für die entgegenkommenden Züge und entlang dessen, der dazugehörende Bahnsteig. Er erkannte die beiden Kontrolleure, begleitet von zwei männlichen Gestalten des gleichen Typus.

      A: (in ein Funkgerät schreiend) „..und wertets scho die Bülder von de Videokameras aus – damit ma wiss'n, in wölche Richtung dassa is!“

      B: (auch ins Funkgerät schreiend) „In drei Minuten samma do!!“

      A: „Heast, plärr ma ned ins Ohr!!“

      B: „I man’s jo nur guat!!!“

      Intuitiv duckte sich Karl unter den Rand der Scheibe. Die Polizistinnen, Mutter und Kind, sowie der Beamte der Verkehrsbetriebe standen nun unmittelbar an der Tür.

      Polizistin 2: (ins Funkgerät sprechend) „Achtung, Achtung, an alle Einheiten! Sittlicher Übergriff gegen eine Minderjährige. Gesucht wird ein Mann Anfang 30, mittelgroß, schlank, brauner Pullover über die Schultern, helles Hemd, Bluejeans..“

      In diesem Moment drehte sich der dicke Fahrgast um und starrte verdutzt und aggressiv auf den hier gebückt hockenden Karl.

      Dicker Fahrgast: „Heans, wos hockerln Sie do hinta mia?! San’s schwul?!?! I ruaf glei die Polizei!!“

      Seine Aussprache war sehr feucht.

      Polizistin 1: „Gibt’s Probleme?“

      Sie wendete ihren Habicht-Blick ins Innere des Waggons.

      Und wieder hatte Karl Glück im Unglück: die Tür schloss sich mit lautem Geräusch, noch ehe der dicke Fahrgast auf die herrische Frage der Polizistin eingehen konnte.

      Karl richtete sich langsam auf.

      Karl: „Sorry, aber mir is net ganz gut vom Magen..“

      Dicker Fahrgast: „Sie werd'n si oba hoffentlich ned glei anspeib'n?“

      Karl: „Nein, nein. Keine Gefahr!“

      Obwohl Karl das Misstrauen des dicken Fahrgastes spüren konnte, behielt er seinen Platz bei. Man konnte ja nicht wissen, welche Gefahren in den kommenden Stationen lauern... Es schien ihm also ratsam, das massive Volumen des Mannes weiterhin als Deckung zu nutzen.

      Dicker Fahrgast: „Hoben‘S des mit'kriagt? Do hot aner a klanes Madl belästigt. Zirka 30, schlank, brauner Pullover um de Schuitern. So eine Sau!“

      Karl: „Ja, ja.“

      Dicker Fahrgast: „Heitzutog’ is ma nirgendsd mehr sicha. Soiche Leit’ g’hern sofurt zwangskastriert!“

      Karl: „Ja, ja.“

      Pause.

      Dicker Fahrgast: „Und i hob vuahin g'laubt, Sie woill'n mi belästig'n!“

      Er lachte laut und schmutzig.

      Karl wollte Vertrauen herstellen und lachte künstlich mit. Dann verstummte der dicke Fahrgast, Karl tat es ihm nach.

      Ein Zitat tauchte in seinem Gedächtnis auf:

      „Das Leben nennt der Derwisch eine Reise....“

      Er konnte sich aber nicht mehr erinnern, wie der Satz weiterging…

      Vor knapp 10 Jahren hatte Karl sein Germanistikstudium nach zweieinhalb Semestern abgebrochen. Die ernsthafte und analytische Auseinandersetzung mit Literatur war ihm zu akademisch, zu blutleer erschienen. Er vermisste das Rauschhafte