Ralos Znarf

Zapfenstreich für Österreich


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ging Karl ganz schrecklich. Die Nacht war furchtbar. Die Träume entsetzlich.

      Einer davon hatte zum Inhalt, dass Gabi im Bikini, mit gespreizten Beinen, auf der Sonnenwiese eines Freibades lag und sich mit einem schwarzen Zigarettenspitz befriedigte.

      Karl wollte aber nicht kneifen und ging am nächsten Tag wieder ins Tutorium.

      Gabi begrüßte ihn freundlich, die anderen wichen seinen Blicken aus.

      Ein Sesselkreis wurde gebildet. Ganz selbstverständlich nahm Gabi neben Martin Platz. Dieser verkündete, dass Gabi ihm nun assistieren werde. Ab diesem Zeitpunkt begegneten ihr die MitstudentInnen mit gesteigertem Respekt und Subalternität.

      Karl saß im Sesselkreis und konnte dem Geschehen kaum folgen. Die Situation war ihm unerträglich. Als eine Welle des Selbsthasses in ihm aufstieg und er sich vor Wut die Haare raufte und auch einige dabei ausriss, unterbrach Martin seine Ausführungen und sagte:

      „Du, äh.....Karl, ich spüre, dass Du heute nicht ganz in deiner Mitte bist. Komm, steh bitte auf und stell Dich ins Zentrum.“

      Karl tat wie ihm geheißen.

      Martin: „Du, äh......Karl, Du bist heute noch zappeliger als sonst. Möchtest Du etwas sagen?“

      Karl schwitzte. Ihm wurde schwindlig. Krampfhaft vermied er es, Gabi anzublicken.

      Martin: „Äh......Karl, kann es sein, dass Du von jemandem etwas willst und diese Person es Dir nicht geben will?“

      Stille.

      Martin: „Ist diese Person anwesend?“

      Stille.

      Was sollte er sagen, er hatte das Bedürfnis, Martin in den Unterleib zu treten. Es fehlte ihm aber der Mut.

      Stille.

      Sollte er Gabi vor allen zur Rede stellen? Aber was hätte er ihr vorzuwerfen? Er fühlte, dass er sich damit ins Unrecht setzen würde. Gleichzeitig brannte in ihm das Gefühl des Betrogenen.

      Stille.

      Die Peinlichkeit wurde unerträglich.

      Da rutschte es aus Karls Mund: „Meine Mutter ist krank, ich mache mir Sorgen.“

      Martin ließ einige Sekunden vergehen, er hatte mittlerweile sich und auch Gabi eine Zigarette angezündet, nahm einige Züge – wo bitte aber war der Zigarettenspitz? – dann sagte er:

      „Du, äh.......Karl, ich glaube keiner ist böse, wenn Du heimgehst und Dich um Deine Mutter kümmerst. Was meint die Gruppe?“

      Gruppe: „ Nein, nein. Ist okay. Soll nur gehen.“

      Martin: „Gabi?“

      Stille.

      Gabi: „Ich glaube, es ist besser so.“

      Karl versuchte souverän zu erscheinen und sagte: „Danke für Euer Verständnis.“

      Er verließ den Seminarraum.

      Ab diesem Tag blieb Karl dem Tutorium fern.

      Zwei Wochen später, er besuchte damals noch fleißig alle Lehrveranstaltungen, hörte er aus einer Kammer lautes Schluchzen. Die Tür stand offen.

      Er erblickte Gabi, die vor Martin kniete und mit tränenerfüllter Stimme fragte: „Warum, wieso, warum hat’s mit uns so kommen müssen… Um was geht’s denn eigentlich im Leben?“

      Martin: (ihr zart durch die Haare streichend)

      „Das Leben nennt der Derwisch eine Reise,

      Und eine kurze. Freilich! Von zwei Spannen

      Diesseits der Erde nach zwei Spannen drunter.“

      °°°°°

      Kapitel 5

      Es dauerte zwei Tage, bis sich Bruno wieder meldete.

      Sonja erledigte ihre Arbeit so unkonzentriert wie nie zuvor und flüchtete in die Selbstlüge, dass alles gar nicht so schlimm sei.....sie müsse sich nur durch erhöhte Selbstdisziplin 'reif' für Bruno machen.

      Im Gegensatz dazu standen Phasen, in denen sie keine Zukunft für sich sah.....sich nur als nichtsnutzige Kreatur empfand, deren Leiden eine gerechte Strafe für ihre Unzulänglichkeit waren. Tränenflüsse und Übelkeiten bildeten den physiologischen Rahmen dieser Gemütsverfassung.

      Ein bis jetzt unbekanntes Begehren machte sich in ihr breit und erfüllte sie mit Sehnsucht nach den abartigsten Erniedrigungen gegenüber Bruno. Hier kam auch reichlich Prosecco zum Einsatz.

      Sein Anruf erreichte sie in einem Moment der trockenen Klarheit.

      „Hallo Sonja, hier Bruno!" klang es aus dem Telefon. „Verzeihen Sie bitte, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe."

      „Hallo Bruno!" antwortete sie. „Hier gibts nichts zu verzeihen. Ich freue mich sehr über Ihren Anruf."

      Ruhig und direkt klang ihre Stimme.

      „Hätten Sie Zeit, dass wir uns in zwei Stunden treffen? Sie würden mir eine große Freude machen."

      Nun, solche Worte waren heilender Balsam auf ihre Wunden, gerissen in Extasen der Selbstverachtung.

      „Auch ich hätte große Freude daran."

      Sie verabredeten sich bei einem 'Italiener' der gehobenen Preisklasse.

      Brunos letzte Worte klangen wie ein verheißungsvolles Echo in Ihren Ohren nach. Er hatte nämlich gesagt: „Ich habe in den vergangenen zwei Tagen oft an Sie denken müssen. Sie haben ganz schön viel Eindruck auf mich gemacht. Am liebsten würde ich die Uhr vordrehen. Also, bis gleich!"

      Sonja hatte alle Mühe, nicht in vorfreudige Hysterie zu fallen.

      Anstatt zum Prosecco zu greifen, machte sie ein paar Entspannungsübungen, die sie einmal in einem Kurs für autogenes Training gelernt hatte. Heikel wurde es bei einer Atemübung die darin bestand, dass man - locker auf dem Stuhl sitzend - sich vorstellte, die Luft durch das Geschlechtsteil einzuatmen und durch die Afteröffnung wieder von sich zu geben. Nur durch äußerste gedankliche Konsequenz gelang es ihr, sich auf die Entspannung zu konzentrieren und nicht irgendwelchen Phantasien anheimzufallen.

      Adrett gekleidet und exakt zum verabredeten Zeitpunkt betrat sie das Lokal.

      An den Wänden hingen gerahmte Fotos, die den Besitzer des Lokals, einen zwielichtig blickenden Italiener, in Gesellschaft bedeutender Persönlichkeiten zeigten. Unter anderem des russischen Präsidenten, des italienischen Ministerpräsidenten, des kroatischen, des polnischen und des ungarischen Regierungschefs, mit griechisch- und serbisch-orthodoxen Priestern sowie dem österreichischen Kardinal.

      Den alles andere verdrängenden Blickfang stellte für Sonja aber Bruno dar, der an einem Tisch bereits auf sie wartete.

      Er erhob sich bei Sonjas Erscheinen und trat einen Schritt auf sie zu.

      „Danke, dass Sie Zeit für mich gefunden haben." Er nahm ihre Hand. „Sie sehen bezaubernd aus. Ich bin der glücklichste Mann dieser Welt."

      Dann hob er ihre Rechte leicht empor, neigte gleichzeitig den Kopf entgegen und küsste mit vollendeter Galanterie ihren Handrücken!

      Sonja war erschüttert. Nachdem sie sich zwei Tage lang wie ein verachtenswerter Trampel vorgekommen war, empfing sie nun von Bruno einen derartigen Schwall an Hochachtung, dass sie wieder einmal an ihrer Sinneswahrnehmung zweifelte. Die Augen wurden feucht.

      „Bruno..." hauchte sie. „Bruno, wie schön, dass es heute mit uns klappt."

      „Ja, ich musste Sie sehen. Soll meine Arbeit ruhig warten!" entgegnete er.

      Auf den Aperitif folgte leichter Weißwein, passend zu einer Vorspeisenvariation aus Meeresfrüchten.

      Sie plauderten im Grundton