Ralos Znarf

Zapfenstreich für Österreich


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Hindernis als eine unüberwindbare Ehefrau konnte es für jemanden wie Sonja doch nicht geben!

      Gleichzeitig machte sich bei einigen Kolleginnen höhnische Genugtuung breit.

      Eine verzopft wirkende Mitarbeiterin mit Brille und sackartigem Blümchenkleid sagte: "Naja, Hochmut kommt vor dem Fall."

      Ein redseliger und ehrgeiziger Praktikant, der eben erst seine Matura an der ´Josephinischen Akademie´ absolviert hatte, witterte Sonjas Hang zu irgendeiner Abartigkeit; oder zumindest zu einem nicht salonfähigen Fetischismus. Er hieß Phillip, sein Gesicht wurde von einem flaumigen Bartgebilde a la Kardinal Richelieu verziert und er konnte es nicht verwinden, dass Sonja trotz seines guten Aussehens, trotz seiner überdurchschnittlichen Intelligenz und trotz seines einflussreichen Vaters seine arroganten Anbratversuche nicht einmal ignoriert hatte. Er legte in der Kaffeeküche endlose Mutmaßungen dar. Etwa, dass Sonja eine Schwäche für verschwitzte Straßenarbeiter habe; für Türken und Jugoslawen! Sie würde sich gerne auf Baustellen herumtreiben und sich am Anblick der derb-muskulösen und braungebrannten Körper in ihren orangefarbenen Arbeitshosen aufgeilen. Wahrscheinlich würde sie sich in verwanzten Arbeiterquartieren von diesen grobschlächtigen Halbaffen brutal aufs Bett schleudern und so richtig durchficken lassen. Je fester, desto besser! Bei seinen Beschreibungen dieser proletarischen Unterleibsaktivitäten kam auffallend oft das Wort 'Presslufthammer' vor. Während solcher Schilderungen verirrte sich die rechte Hand des Praktikanten immer wieder zwischen seine Beine, wo er dann kratzend rieb.

      Ein anderer Mitarbeiter, der seine Freizeit zoologischen Studien widmete, wusste zu berichten, was man bei der Jaguar-Population in den endlos weiten und tierreichen Gebieten Brasiliens beobachtet hatte: Jaguarmännchen verfügen über verhältnismäßig wenig Sperma. Im Gegensatz zu anderen Tieren, wo Männchen ihre Rivalen besiegen müssen, um das alleinige Befruchtungsrecht über die verfügbaren Weibchen zu erkämpfen, ist es bei Jaguaren gerade umgekehrt. Hier treten die Weibchen gegeneinander in einem Balzkampf an, um an den knappen und daher umso wertvolleren Samen des paarungsbereiten Männchens zu kommen. Unterlegene Weibchen würden abwechselnd in paralytische Zustände unkontrollierbarer Aggression oder in tiefe Apathie verfallen....und erst nach einer erfolgreichen Befruchtung wieder zu ihrer gelassenen Souveränität finden. Er würde also in Bezug auf Sonja vermuten, dass sie in einem Rivalitätskampf unterlegen sei; dies könnte auch die Theorie mit dem verheirateten Mann stützen; Voraussetzung sei auf jeden Fall eine Samenknappheit beim umkämpften Partner.

      Aus irgendeinem Grund waren sich alle einig, dass Sonjas Verhaltensauffälligkeit keine ungewollte Schwangerschaft zugrunde liege.

      Eine ältere Mitarbeiterin meinte in Hinblick auf Sonjas Perfektionismus, dass sie sich möglicherweise einen Pilz eingefangen habe: dies müsse für Sonja ganz furchtbar sein, da dies ein zentraler Makel sei; und außerdem würde ihr tadelloses Auftreten ihr verbieten, sich 'dort' zu kratzen....und so müsse sie permanent einen unmenschlichen Juckreiz ertragen. Diese Theorie wurde aber in der allgemeinen Erörterung nicht weiter verfolgt.

      Erwogen wurde auch, dass der hoffnungslos Begehrte homosexuell sei; oder vielleicht sogar ein Geistlicher.

      Oder es war ganz anders: vielleicht war ja der Mann großartig....aber in letzter Konsequenz dann halt doch nicht perfekt; man sagt ja: 'Lang und schmal, der Frauen Qual.'

      Nach wochenlangem Spekulieren hat dann Phillip, der redselige Praktikant, ein anderes Theorem ins Spiel gebracht, indem er sagte: „Ich glaub' ja, dass die Sonja eigentlich lesbisch is'."

      Während dieser Wochen stieg der Kaffee- und Zigarettenkonsum in der Abteilung signifikant.

      Auch Hofrat Weisungsknecht blieb es natürlich nicht verborgen, welch schwere Phase Sonja durchmachte. Als sie ihm einmal ein paar Schriftstücke zur Unterschrift vorlegte, sah er die Trauer in ihren Augen und die Ringe darunter. Er wollte sie trösten und sagte, ihr seine Zigarettenschachtel entgegenhaltend mit aufmunterndem Tonfall:

      „Bitte, nehmen Sie doch eine herrliche 'Winston'!"

      Als Sonja ihn daraufhin apathisch ansah und mit der Bemerkung, Nichtraucherin zu sein grußlos ging, verdross ihn das zutiefst.

      Wenige Tage später fand er sich bei einem Nobelheurigen in Grinzing zum allmonatlichen 'Hofrats-Stammtisch' ein.

      Sein bester Freund und engster Vertrauter, Hofrat Bobby Herzenstreu aus dem Innenministerium, fragte in weinseliger Laune:

      „Wie gehts denn dem 'Zuckerl'?"

      Seit durch die züngelnde Indiskretion des französischen Attachés Gerüchte über die individuellen Besonderheiten Sonjas die Runde gemacht hatten, hieß sie in höchsten Beamtenkreisen nur mehr das 'Zuckerl'.

      „Ach Gott, hör mir auf mit dem 'Zuckerl'! " antwortete Weisungsknecht desperat. „Ich weiß nicht, was das Mädl hat. So g'scheit. So begabt. So schön......Irgendeine blöde G'schicht. Sie tut mir ja so leid."

      Im gelblichen Widerschein des flackernden Windlichts, schlürfte er lustlos aus seinem Veltlinerglas und es ergriff ihn bittere Melancholie.

      Die Musik spielte: 'Wenn der Herrgott net will nutzt des gar nix' und Hofrat Weisungsknecht stimmte schluchzend in den Refrain ein.

      Als er danach aufstand, seine Zeche beglich und der Musik ein fürstliches Trinkgeld zusteckte....um schließlich aus der Laube zu stolpern und grußlos zu verschwinden, riefen ihm die anderen Hofräte verdutzt nach:

      „Aber Hansl! Was hast denn? So kennen wir Dich ja gar nicht!"

      Ein Hofrat des Verteidigungsministeriums fragte in die Runde. „Is 'leicht was mit seiner Frau?"

      Hofrat Bobby Herzenstreu aus dem Innenministerium sah ihn an und schüttelte den Kopf: „Nein, mit seiner Frau is nix."

      Dann schaute er ins flackernde Windlicht und sagte sorgenvoll sinnierend:

      „Und mit einem gewissen süßen Mädl is halt auch nix...."

      Da nickten die Hofräte in sentimentalem Wissen und unterließen es, weitere Fragen zu stellen.

      Nach ihrem 'Seeteufel-Rendezvous' - so nannte Sonja diesen Abend - dauerte es fünf Tage, bis sie Bruno wieder traf.

      Dazwischen gab es einen Anruf und zwei SMS.

      Sonja musste also die ganze Zeit warten und bereit sein.

      Als sie sich dann endlich wiedersahen, diesmal in einem thailändischen Restaurant, war Bruno ganz reizend und Sonja erzählte viel aus ihrem Leben.

      Sie berichtete von einer Faschingsfeier in der Volksschule, knapp nach dem Tod ihres Vaters.

      Sie sei als 'Schneeflocke' gegangen.

      Zwei Buben aus ihrer Klasse die sie verehrten, hatten Angst, dass sie schmelzen würde und zogen sie in einen kalten Hinterhof. Sonja hielt der Kälte trotz ihres dünnen Gewandes tapfer stand - sie sah etwa aus wie eine kleine Ballett-Elevin aus 'Schwanensee'. Allerdings begannen die Buben bald zu frieren und ließen sie allein. Sie blieb im Freien und sagte sich mit klappernden Zähnen vor:

      „Ich werd' nicht schmelzen, ich werd' nicht schmelzen......"

      Erst nach einer Stunde wurde sie zufällig von der Lehrerin gefunden, die sich mit der Direktorin in eben diesem versteckten Hinterhof für ein ganz kurzes 'Hupferl' verabredet hatte.

      Erstaunlicherweise trug Sonja dabei nicht einmal eine Erkältung davon.

      „Manchmal kann ich ganz schön stur sein, obwohl ich mir selber dabei nichts Gutes tu." beendete Sonja ihren Bericht.

      „Ich würde lieber sagen, Du hast Ausdauer und Disziplin." Brunos Schmeicheln tat wohl.

      Unter dem Tisch fußelte er diskret aber eindringlich.

      Er streichelte ihre Hände und hörte den Erzählungen konzentriert zu; dabei schien sein Blick durch ihre Augen hindurchdringen zu wollen - 'wohl, um mir noch näher zu sein!' dachte Sonja.

      Hier wäre es an der Zeit, eine vertiefende Zwischenbemerkung einzufügen.

      Sonjas Distanziertheit in