R.J. Simon

Schaaf ermittelt


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wird, um sie emotionslos erledigen zu können. Wer weiß, wie vielen Menschen der Kriminalhauptkommissar schon die Todesnachricht eines geliebten Menschen überbringen musste. Und dennoch nagte die Überbringung dieser unheilvollen Mitteilung im Vorfeld noch extrem an den Nerven, was der Einsatz seines Knetballons bewies.

      Busch grauste es jetzt schon bei dem Gedanken, dass er irgendwann auch diesen widerwärtigen Job würde bewältigen müssen. Selbst vor Menschen zu stehen, die ahnten was kommen würde und dann, wenn es ausgesprochen war, einem Zusammenbruch nahe waren. Die Weinkrämpfe und Hilflosigkeit, die einen Hinterbliebenen lähmten. Die Fragen nach dem "Warum", die Busch auch nicht würde beantworten können. Die Dramen, die sich da im Stillen abspielten. In Kinderaugen blicken zu müssen, die ihre Mutter oder ihren Vater nie mehr sehen werden. All das wird Busch irgendwann direkt miterleben müssen. Und er konnte sich bildlich ausmalen, wie das an seine eigenen Nerven zehren wird.

      Wenn es dafür auch keine Routine gab, sodass die Gewohnheit einen dagegen abstumpfte, so hoffte Busch doch, dass ihm die Erfahrung zumindest einmal helfen würde, besser damit umgehen zu können, um die passenden, tröstenden Worte den Angehörigen zu spenden.

      Das Haus, in dem der mutmaßliche Ehemann der Toten wohnte war ein gewöhnliches Mehrfamilienhaus in einer durchschnittlichen Wohngegend. Nachdem Kriminalhauptkommissar Schaaf aus dem Wagen ausgestiegen war, sah er sich das Haus von außen sehr genau an. Kommentarlos ging er auch auf die gegenüberliegende Seite schritt bedächtig ein wenig hin und her, so als ob er auch hier wieder das Umfeld auf sich wirken lassen wollte. Sein Assistent Busch stand derweil ein wenig hilflos abwartend neben dem Wagen und wusste nicht so genau, was er davon nun wieder halten und wie er sich verhalten sollte.

      Dann nahm Kriminalhauptkommissar Schaaf direkt den Weg auf den Eingang zu. Er gab Busch weder ein Startsignal oder ein Zeichen. Dass sein Assistent allerdings nicht zurückbleiben würde, war auch ohne Aufforderung klar.

      Herr Knipfer, der Ehemann der aufgefundenen Frau, verkraftete die Nachricht nach außen ganz gut. Er war sehr gefasst, als ihm der Kriminalhauptkommissar mit seiner beruhigenden Stimme mitteilte, dass seine Frau Sabine wahrscheinlich tot sei. Herr Knipfer ahnte wahrscheinlich in der Sekunde, als sie sich als Beamte der Mordkommission auswiesen, was auf ihn zukam. Seine Augen schalteten sofort auf alarmiert und bestürzt um, als Schäfchen sich vorstellte.

      Mit leiser Stimme bat er sie dann in die Wohnung, wo der Kriminalhauptkommissar ihm dann vorsichtig und mit sorgfältig ausgewählten Worten die erschütternde Mitteilung machte, dass seine Frau ermordet wurde. Er beobachtete danach ganz genau die Reaktion und die Gefühlsregungen bei Herrn Knipfer, ließ ihm Zeit die Worte mit ihrer Tragweite zu erfassen, bevor er dann begann, noch einige Fragen zu stellen, die ihre Ermittlungen unterstützen konnten.

      „Sind ihnen in letzter Zeit Veränderungen an ihrer Frau aufgefallen? Hat sie übliche Gewohnheiten abgelegt?“

      „Nein, alles war wie sonst auch“, antwortete Herr Knipfer gedrückt und etwas apathisch.

      „Hat sie etwas von einem Treffen mit jemandem erzählt, eine Verabredung?“

      „Nein, nichts.“

      "Trug ihre Frau eigentlich einen Ehering?"

      "Wie bitte? Ja natürlich! Warum fragen sie das? Was ist mit Sabine passiert?", wurde Herr Knipfer hellhörig und begann seinerseits die für ihn offenen Fragen zustellen.

      "Ihre Frau wurde ohne jegliche persönliche Dinge aufgefunden", gab Kriminalhauptkommissar Schaaf nur so viel preis, wie er musste. "Die Handtasche ist ebenfalls verschwunden. Wenn ihre Frau eine EC-Karte bei sich trug, sollten sie diese sofort sperren lassen und überprüfen, ob Abhebungen getätigt wurden! Falls ja geben sie uns bitte umgehend Bescheid. Das könnte uns helfen den Täter zu finden. Es wäre ebenso ratsam die Schlösser auszutauschen!"

      "Was ist mit ihr passiert? Ich will sie sehen!"

      Kriminalhauptkommissar Schaaf überging diese Fragen zunächst und stellte selbst eine weitere.

      „Wie war das an dem Tag, als sie nicht nach Hause kam?“, musste der Kriminalhauptkommissar nachhaken, obwohl er genau wusste, dass damit die Erinnerung in dem Ehemann wachgerufen wurde, die zu diesem schmerzlichen Ende führte.

      „Sie war wie immer donnerstags in ihrer Chorprobe vom Kirchenchor. Ich habe mich dort auch erkundigt. Sie war bis zum Schluss dort und verließ die Probe wie immer mit den anderen. Aber sie kam nie zu Hause an“, den letzten Satz sprach Herr Knipfer mit zunehmenden Schwierigkeiten. Die Tränen übermannten ihn zuletzt dann doch und ein wenig schämte er sich wohl dafür, konnte sie aber nicht zurückhalten.

      „Wo finden diese Proben denn statt? Welchem Chor gehörte ihre Frau denn an?“

      „Dem Gospelchor der evangelischen Kirche“, antwortete Herr Knipfer weiter unter Tränen. „Gospelgesang war ihre große Leidenschaft und als dieser Chor gegründet wurde, trat sie sofort bei.“

      Kriminalhauptkommissar Schaaf verstand die Qualen von Herrn Knipfer sehr gut und konnte mitfühlen wie es sein muss einen nahestehenden Menschen durch ein Verbrechen zu verlieren. Wenn man über Tage hinweg noch die Hoffnung besaß, dass er wieder auftauchte, alles nur ein unguter Umstand war und sich alles zum Guten wenden würde. Wenn diese Hoffnung dann jäh zerbrach, war das ein harter Schlag, den man eigentlich niemandem wünschte.

      Trotzdem mussten die Ermittler ihre Fragen stellen, um den Todesfall aufzuklären, was wiederum im Interesse des Hinterbliebenen war und genau auf dessen Mithilfe waren sie dabei am Meisten angewiesen. Dabei spielte der Faktor Zeit auch immer eine große Rolle. Je früher die Ermittler wichtige Informationen über das Opfer bekamen, umso schneller konnten sie handeln. Und wer sollte einen Menschen besser kennen, als der Ehepartner, oder die Eltern?

      Kriminalhauptkommissar Schaaf konnte Herrn Knipfer damit auch schon seine Ruhe lassen und seine Trauerbewältigung konnte beginnen. Mehr als diese Fragen gab es nicht zustellen. Abschließend fragte er nur noch, ob er bereit wäre die Leiche zu identifizieren, um zu wissen, ob es sich bei der Toten wirklich um seine Frau handelte, wozu Herr Knipfer zur Verfügung stand.

      Er fragte ja vorher schon danach seine Frau sehen zu dürfen. Schäfchen gab ihm einen Termin zwei später Tagen in der Pathologie auf, bei dem er selbst dann auch anwesend sein würde. Das, so hoffte Schäfchen, würde dem bedauernswerten Mann zumindest etwas helfen, diesen Gang zu bewältigen.

      Herr Knipfer bedankte sich, nachdem er die Fassung wieder einigermaßen erlangte und verabschiedete die beiden Beamten, so freundlich, wie es seine Verfassung und die zunehmende Trauer es zuließ. Die Betroffenheit von Schäfchen und Busch hielt naturgemäß nicht allzu lange an. Da sie nur indirekt betroffen waren und ihre Arbeit im Vordergrund stand, die ihre volle Aufmerksamkeit forderte, rückte das Mitgefühl mit Herrn Knipfer bald schon wieder, langsam in den Hintergrund. Es würde sich erst wieder melden, wenn sie direkt mit dem Mann zu tun haben würden.

      Wieder nebeneinander im Dienstwagen sitzend, galt ihre Konzentration der Aufarbeitung der neuen Erkenntnisse, die Herrn Busch nicht ganz einleuchteten. „Hätten sie nicht ein wenig mehr über das Umfeld der Toten abfragen müssen?“, erkundigte er sich ganz vorsichtig bei Kriminalhauptkommissar Schaaf. Denn er wollte nicht den Eindruck erwecken die Methoden seines Chefs zu kritisieren. Aber er wollte gerne die Beweggründe wissen, warum Schäfchen Herrn Knipfer nur relativ wenige Fragen stellte.

      „Nein. Wir haben hier keinen Mord aus Leidenschaft. Der Mörder ist nicht aus dem direkten Umfeld und niemand, den das Opfer gut kannte. Allerhöchstens ist er ein flüchtiger Bekannter, den sie erst kürzlich kennenlernte. Deswegen die Frage nach veränderten Verhaltensweisen. Es könnte sein, dass sie jemanden kennenlernte. Einen Verehrer oder so ähnlich. Der Mörder ist sicherlich eine völlig fremde Person für Herrn Knipfer.“

      „Ah so“, meinte Busch dann kleinlaut und fragte sich, woher der Chef das nun wieder zu wissen glaubte. Es ihn zu fragen traute er sich nicht. Wenn sich diese Einschätzung bei der Aufklärung bestätigte, würde die Hochachtung vor seinem Chef wieder ein Stück steigen.

      „Wir fahren jetzt in die Pathologie. Wir müssen denen gleich den Termin für die Identifizierung mitteilen“,