R.J. Simon

Bis dass der Tod euch vereint


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mit ihrem hellen, fröhlichen Lachen mit ein. Guter Dinge griff Dominik das Thema wieder auf, um es zu klären. „Also suchen wir uns das nächstbeste Lokal, um eine Kleinigkeit zu uns zu nehmen.“ Dabei wusste Brigitte dass es so nicht sein würde. Ihr Mann ging nicht in jedes Restaurant. Er hatte schon einen gehobenen Anspruch an die Gastronomie.

      Das gutgelaunte Paar passierte einige Gaststätten, die aber nach Dominiks Ansicht eher für den normalen Touristenrummel geeignet waren. In direkter Nachbarschaft zur Promenade und den bekannten Sehenswürdigkeiten stellten sich die Lokale alle auf die kargen Bedürfnisse der Ausflügler ein, behauptete Dominik. Das Management war darauf ausgerichtet, so viele Gäste wie möglich in kürzester Zeit zu bewirten. Das war nicht sein Stil.

      In diesem Punkt trat wieder Dominiks Extravaganz hervor. Für ihn reichte ein gutes Wirtshaus mit ordentlicher Küche nicht aus. Es musste ein exquisites Restaurant, mit dem entsprechenden Ambiente, einem erstklassigen Service und hervorragender Küche sein. Von wegen „nächstbestes Lokal.“

      Brigitte hingegen stellte kleinere Ansprüche in diesem Zusammenhang. Für sie war wichtiger, dass ihr Essen gut schmeckte und sie es ohne großes Tamtam in gemütlicher Atmosphäre genießen konnte. Dabei musste es sich nicht um luxuriöse In- Gerichte handeln, die lediglich ein pompöser Namen auszeichnete. Und die, nur weil sie sündhaft teuer waren, automatisch den Anspruch auf guten Geschmack auf sich beziehen durften. Für Brigitte genügte oft schon ein ausgewogener, frischer Salatteller.

      Auf Dominiks Anregung hin schlugen sie also den Weg ins Innere der Stadt ein. Weg von der Strandpromenade, den Pracht- und Vorzeigestraßen und somit abseits vom ordinären Touristenrummel. Dort, wo man mehr auf Qualität als auf Quantität achtete, vermutete er die feineren Speiselokale. Brigitte folgte ihm ohne Kommentar. Wenn auch für ihre Ansprüche ein ganz gewöhnliches Lokal gut genug gewesen wäre, ersparte sich Brigitte diesbezüglich eine Bemerkung. Das wäre sinnlos gewesen und hätte nur eine unnötige Diskussion ausgelöst.

      Dominik stieß dann bald auf das Gesuchte und fand, was seinen Wünschen entsprach. Das Restaurant, das er erstaunlich zielsicher aufspürte, machte von außen wirklich einen guten Eindruck. Nach der Speisekarte im Schaukasten neben dem Eingang, versprach es eine exzellent geführte Küche zu haben.

      Von Brigitte gefolgt trat Dominik ein. Der Gastraum war nicht voll, aber dennoch gut besucht. Auf den ersten Blick erkannte man, dass die Gäste an den Tischen keine Touristen waren. Die Männer trugen durchweg Anzug mit Krawatte und die Garderobe der Damen war dementsprechend. Dem Verhalten nach zu urteilen, handelte es sich um Geschäftsleute, Chefs oder Manager mit ihren Begleiterinnen und Geschäftspartnern. High Society eben. Oder einfach nur um solche Personen, die sich dafür hielten.

      Der Empfangskellner begrüßte sie beim Eintreten und fragte höflich, wie viele Personen sie seien. Dominik antwortete ihm: „Zwei“. Der Kellner führte sie ohne Zögern an einen, seitlich an der Wand stehenden, großzügigen Zwei- Personen- Tisch, gegen den Dominik keinerlei Einwände hatte. Der Ober war Brigitte beim platznehmen behilflich und rückte ihr den Stuhl zurecht, während Dominik geduldig wartete, bis sie zufriedenstellend saß und sich dann ihr vis-a-vis niedersetzte.

      Geschmackvoll, ja geradezu idyllisch war der Gastraum eingerichtet und gestaltet. Die Atmosphäre mutete nostalgisch an, mit ihren dörflichen Attributen. Auf jedem Tisch ragte eine schlanke weiße Kerze aus einem hölzernen Halter, deren gelblicher Schein Romantik und Gemütlichkeit ausstrahlte. Die makellos weiße Decke wurde von dunkel gebeizten Holzbalken durchzogen. Auch an den Wänden, die bis in Kopfhöhe mit Holzkassetten verkleidet waren, durchzogen die restliche weiß verputzte Hälfte, gerade und schräge rustikale Holzbalken. Ähnlich wie bei alten Fachwerkbauten. So teilte sich auch der gesamte Raum durch diese dicken, fast schwarzen Holzpfosten und Verstrebungen, die als Raumteiler und kleine Mäuerchen fungierten, in mehrere Parzellen auf.

      Überall an den Mauerwerken hingen altertümliche, aus der Landwirtschaft und dem Landleben stammende Gegenstände, wie zum Beispiel das hölzerne Rad einer Pferdekutsche. Aber auch alte, mit Bauernmalerei versehene Milchkannen, zierten Ecken und Winkel. Joche, die mit Strohblumen oder getrockneten Feldsträußen geschmückt waren, setzten Farbtupfer in das stilvolle Bild. Kleinere Dinge aus dem Landleben wie Hufeisen, Sicheln, Dreschflegel oder alte Petroleumlampen, verteilten sich quer im ganzen Lokal an und auf den Balken. Ebenso konnte man in fast jedem Winkel, die durch die vielzähligen Holzbalken reichlich vorhanden waren, Zier- und Strohblumengestecke sehen.

      In einer kleinen dunklen Nische gleich neben der Theke, trat durch einen versenkten Spot in der Decke angestrahlt, eine sehr alte, aus Holz bestehende Weinpresse ins Licht. Zu den vollen Stunden schlug eine große, historische Standuhr, die eine weitere Ecke ausfüllte, ihr liebliches Glockenspiel. Die Besonderheit an dieser Uhr waren die Gewichte, die aus Kieselsteinen bestanden. Die Ruhe, die nur von leisen Unterhaltungen geprägt war, wurde durch das beruhigende Ticken des Pendels unterstrichen.

      Über den Tischen hingen zur Beleuchtung, bis auf halber Höhe von der Decke herab Lampen, deren Schirme aus Kupfer bestanden und mit Blumenreliefs versehen waren. Also wirklich insgesamt ein gemütliches Örtchen mit Atmosphäre, gab Brigitte zu. Man kam sich vor wie in einer altertümlichen Scheune. In einem der Touristenlokale wäre es sicherlich nicht so schön gewesen, gestand sie ein.

      Der Ober kam nach einem angemessenen Zeitraum wieder an den Tisch von Brigitte und Dominik zurück, um ihre Bestellung aufzunehmen. Die aufwendigen Speisekarten übergab er ihnen bereits nach der Begrüßung mit der gebotenen Zurückhaltung. Brigitte wählte, nach Empfehlung des Ganymed nach ihrem Wunsch auf eine Kleinigkeit, einen Toast „Gourmet“. Dieses vereinigte Schweinelendchen überbacken mit einem Spiegelei und einer feinen Tomatencremesauce auf einem kross gebackenen Toast.

      Dominik bestellte für sich ein Rinderfiletsteak mit Buttererbsen, kandierten Nüssen sowie Bratkartoffeln und einem Spargelsalat. Zusammen für sie beide ließ er noch eine gute Flasche Roséwein servieren.

      Nachdem Brigitte und Dominik das wirklich ausgezeichnete Mahl genossen hatten, der Hunger gestillt und die Rechnung beglichen war, machten sie sich auf den Nachhauseweg. Mittlerweile setzte die Dämmerung bereits ein und Dominik schaltete das Licht am Wagen ein, öffnete das Schiebedach und fuhr in Richtung Frankreich los. Brigitte genoss die etwa zweistündige Fahrt, den lauen Wind vom Meer, der über das offene Dach in den Innenraum strömte und den Sonnenuntergang, bei dem es schien, als ob der glutrote Ball direkt in die Fluten des Meeres eintauchen würde. Es fehlte nur noch das Zischen und Brodeln, wenn das Wasser die Sonne auslöschte.

      Dominik befuhr die Küstenstraße, weil diese viel schöner und gemütlicher zu befahren ist, als die trostlose Autobahn, die weiter oben auf dem Kamm der Bergketten die Küste entlang verläuft. Die Aussicht von der Betonpiste aus kann zudem nicht im Geringsten bei dem Anblick, den man auf der Bundesstrasse hat, mithalten. Dominik war kein Raser. Obwohl der Daimler, in dem sie saßen, leicht über 200 km/Stunde schaffte und somit die Dauer der Fahrt über die Autobahn wesentlich kürzer gewesen wäre, genoss auch Dominik viel lieber, genau wie Brigitte, die Gegend, die Luft und die wunderschöne Aussicht, die die Küstenstraße bot. Darin waren sie sich ohne Zweifel einig. Und Zeit hatten sie. Kein Termin oder sonstige Verpflichtungen drängte sie zur Hetze.

      Die feuerrote Kugel war schon fast gänzlich im Grau-blau des Meeres versunken, als sie die Grenze zu Frankreich erreichten. Die Zollbeamten tätigten ihren Job unsorgfältig und winkten die wenigen sich auf der Strasse befindlichen Fahrzuge fließend durch die Schlagbäume. Am tiefblauen Abendhimmel konnte Brigitte durch das offene Dach die ersten glitzernden Sterne beobachten. Sie faszinierte der Sternenhimmel immer wieder aufs Neue. Für Brigitte blinkten die unzähligen Himmelslichter am dunklen Firmament wie Diamanten in einer, mit schwarzem Samt ausgeschlagenen, Schatulle.

      Als sie ihr Haus erreichten und auf das große Tor zufuhren, öffnete Dominik die elektrische Einfahrtspforte vom Auto aus ferngesteuert, passierte sie in langsamer Fahrt und sie schloss wieder selbstständig. Im Schritttempo rollte er den schmalen Weg zu den Garagen entlang, die sich direkt neben dem Haus befinden. Die Pinien, die den Weg säumten, wurden nur schwach und gespenstisch von den Autoscheinwerfern angestrahlt. Ansonsten war es düster und still.

      Die kiesbestreute, sich in die Länge dehnende Strecke