R.J. Simon

Bis dass der Tod euch vereint


Скачать книгу

dem Gebäude und auf der Terrasse die Motorengeräusche der Autos und der Touristenbusse nicht zu vernehmen. Nur bei ganz ungünstigen Windverhältnissen, die sehr selten vorkommen, ist gelegentlich etwas davon zu hören. Aber auch dann nur leise und stark gedämpft.

      Das Garagentor ließ Dominik unverschlossen, nachdem er seinen Wagen auf seinem Platz geparkt hatte. Er war der festen Überzeugung, dass falls überhaupt jemals jemand in das Grundstück eindringen würde, sich der- oder diejenigen sicherlich nicht nur an den Autos vergreifen, oder eben wegen diesen einbrechen würde. Da sind die, ungeschützt auf den Straßen abgestellten, problemloser zu haben.

      Eventuelle Einbrecher würden sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorrangig Zutritt zum Haus verschaffen, um die Besitzer, also ihn und Brigitte ihrer Wertgegenstände zu entledigen. Wenn ein Dieb dann schon im Haus wäre, würde er auch so ohne Schwierigkeiten durch die Zweittür Zugang zu den Garagen finden. Von innen erwies es sich dann auch als kleineres Übel, das Garagentor zu öffnen, als umgekehrt. Also verriegelte Dominik dieses in den wenigsten Fällen und ersparte sich mit diesem Rückschluss als Rechtfertigung das ständige Öffnen und Schließen des Tores.

      Bis er von der Garage zur Eingangstüre kam, beabsichtigte Brigitte dereinst diese schon einmal aufschließen. In dem Moment, als sie den Schlüssel ins Schloss einführen wollte, erschrak Brigitte jedoch bis ins Mark und rührte sich in der ersten Sekunde nicht mehr. Mit einem herzschlagartigen Schrecken stellte sie nämlich dabei fest, dass die Tür gar nicht verschlossen, sondern nur angelehnt war. Bei der Berührung mit dem Schlüssel schwang sie ohne Widerstand einen kleinen Spalt auf und Brigitte zuckte alarmiert zurück.

      Voller Angst vor dem Ungewissen, was das nun zu bedeuten hatte, schlich Brigitte zwei Schritte zur Seite und wartete, bis ihr Gatte bei ihr ankam. Als Dominik endlich bei ihr anlangte und sie sein fragender Blick traf, weil er sogleich spürte, dass da etwas nicht normal war, zeigte Brigitte ohne einen Ton zu sagen und mit großen Augen auf die offene Tür. Dominik fasste Brigitte am Handgelenk und zog sie sanft noch weiter aus dem Weg. Ohne ein Wort zu wechseln waren sie sich einig: Da waren Einbrecher am Werk und diese eventuell sogar noch im Haus anwesend!

      Langsam und vorsichtig ging Dominik auf den Eingang zu und lauschte abwartend an dem entstandenen Spalt. Dabei bewies er wieder einmal seinen angeborenen Mut und die ihm eigene Courage, die Birgitte in diesem Fall mehr als ängstigte. Dominik hatte sich noch nie vor irgendwas oder jemanden gefürchtet. Nach einer Weile rührlosem Verharren zeigte er durch ein leichtes Kopfschütteln an, dass er kein Geräusch vernehmen konnte. Entweder bemerkten die Kriminellen ihre Ankunft und sie verhielten sich dementsprechend ruhig, oder sie waren schon längst auf und davon. Die letzte Option wäre Brigitte sehr viel lieber gewesen. Dominik dagegen wahrscheinlich nicht. Er hätte den oder die Ganoven sicherlich gern gestellt und zur Strecke gebracht.

      In ihrer Fantasie malte sich Brigitte bereits das chaotische Durcheinander in den einzelnen Zimmern aus. Die ausgeschütteten Schubfächer, die in den Räumen verteilten Kleider und anderen Gegenstände, die den Räubern im Wege waren. Sowie die zerwühlten und im schlimmsten Falle aufgeschlitzten Betten und durchstöberten Schränke. Brigitte schmerzte im Voraus schon der Verlust ihrer Schmuckkassette und die leeren Plätze, an denen kostbare Gegenstände und Erinnerungsstücke hingen oder standen.

      ´Und was würde sein, wenn die Verbrecher noch im Haus warteten? Würden sie kampflos die Flucht ergreifen oder sie und Dominik bedrohen oder ihnen gar schlimmeres antun?` Bei diesen Gedankengängen befiel Brigitte das pure Grausen und ungekannte Furcht, die sich durch zittern am ganzen Körper zeigte.

      Nun schickte sich Dominik an, vorsichtig und zaghaft, Stück für Stück die Tür auf zu drücken, dabei jegliches, unnötige Geräusch vermeidend. Seine Aufmerksamkeit war voll der Umgebung und dem Bereich hinter der Tür gewidmet. Alle Sinne auf Empfang, schob er sich dann behutsam, Schritt für Schritt in die Eingangshalle, von wo aus man in den Salon kommt. Weiterhin lauschend, auf alles gefasst und aufs Äußerste gespannt, stand Dominik einen Moment regungslos da.

      Brigitte, die ihm mit kleinen, lautlosen Schritten nachging, stellte im Halbdunkel fest, dass in der Halle, zumindest so weit sie es in dem Schummerlicht zu sehen vermochte, alles normal aussah. Sie konnte trotz ihrer Angst nicht einfach untätig dort draußen vor der Türe in der Abendluft stehen bleiben, wie Dominik es verlangte, während er da drinnen Gefahr lief, irgendwelchen Räubern in die Hände zu geraten.

      Dicht hinter ihrem Mann aufschließend, passierte Brigitte mit ihm die Halle, um danach im Wohnsalon nach dem Rechten zu sehen. Auch dort, entgegen aller Befürchtungen, schien alles wie immer und unberührt. Dominik betätigte zaghaft den Lichtschalter und die Deckenbeleuchtung erhellte sofort und wohltuend den Raum, der sich nicht leerer als sonst und auch nicht verwüstet zeigte. Ebenso wenig gab es Anzeichen von ungebetenen Gästen oder waren solche gar direkt zu sehen. Alles war an seinem Platz und vollkommen unverändert.

      Unverständlich sahen sich Brigitte und Dominik gegenseitig an, überrascht und sprachlos, weil sie das nicht so richtig verstanden. Hier im Erdgeschoss wäre doch einiges zu holen gewesen, aber alles schien unversehrt zu sein. Jeder, der etwas zu stehlen gedachte, hätte doch dort mit dem Ausräumen beginnen müssen. In stillem Einvernehmen zwischen Dominik und Brigitte, dass die Diebe nicht dazu kamen, weil sie beide gerade zurück gekommen waren und die Räuber somit noch irgendwo im Haus stecken mussten, befiel Brigitte erneut das in Angst begründete Zittern.

      Ohne weitere Zeit zu verlieren richtete Dominik seine Schritte entschlossen zum Treppenaufgang, der nach oben zum Schlafzimmer und den Gästezimmern führte. Auch von dort war kein Ton zu hören! Brigitte, die ihm auch jetzt mit etwas Abstand folgte, sah noch, wie Dominik sich sachte in das eheliche Schlafzimmer schob. Sie verfolgte wie sich eine Körperhälfte ins Dunkel bewegte und gleich darauf verschwand Dominik ganz darin. Prompt vernahm Brigitte einen seltsamen, klatschenden Schlag, ähnlich, als wenn jemand eine Ohrfeige erhalten hätte. Sie zuckte elektrisiert zusammen und Dominik kam im selben Moment wieder durch die Tür heraus, die rechte Hand auf die Stirn drückend und mit bizarrem, starren Blick und verzogenen Mundwinkeln.

      Just in der Sekunde, als Dominik so regungslos im Türrahmen verharrte, stiegen in Brigitte die furchtbarsten und schlimmsten Vermutungen und die grausamsten Vorstellungen in Gedankenschnelle auf. Was war da geschehen? Sie traute sich nicht zu bewegen, ja kaum zu atmen.

      Zu ihrem größten Erstaunen und Unverständnis begann Dominik mit der unerwarteten Reaktion lauthals hinaus zu lachen. Er holte dabei mit der rechten Hand aus, um sie sich ein weiteres Mal flach gegen die Stirn zu schlagen. Das war genau der Klatschton, den Brigitte bei seinem Betreten in das Zimmer hörte.

      Wie Schuppen fiel es nun auch Brigitte von den Augen. Mit der plötzlichen Erkenntnis kam auch das Verstehen. Sie stimmte erleichtert und durch den abfallenden Druck übermütig in das Lachen ihres Mannes mit ein. Die Angst vor dem Ungewissen und die dunklen Vorahnungen, über diese mysteriösen Umstände, waren mit der Einsicht sofort verflogen. Jetzt begriffen beide die angelehnte Eingangstür. Es waren keines Falls Diebe gewesen, die das Haus öffneten oder offen verließen.

      Der Grund dafür war ganz wo anders zu suchen. Als sie nämlich am Mittag nach San Remo abfahren wollten, rief Dominik seiner Frau, die nach ihm das Haus verließ von der Garage aus zu, sie solle ihm bitte die Tür offen lassen, weil er seine Fahrzeugpapiere vergessen hatte. Nachdem Brigitte jedoch auf dem Beifahrersitz Platz nahm, als Dominik den Wagen vorgefahren hatte und das Handschuhfach aufklappte, um ihre Handtasche darin zu deponieren, erspähte sie dort auch Dominiks Brieftasche mit den Dokumenten, die er im Haus glaubte. Sie nahm das Etui und warf es sanft und frech auf Dominiks Oberschenkel. Den Vergesslichkeit vorwerfenden Blick registrierte er dabei mit gespielter Verlegenheit, gurtete sich wieder an und fuhr los. Dominik musste also gar nicht mehr in das offen stehende Haus und so vergaßen sie beide aus Vorfreude auf den bevorstehenden restlichen Tag und wegen ihres Unsinns, vollkommen die unverschlossene Tür.

      Dann, als sich Brigitte und Dominik von dem Lachen über sich selbst und der dummen Angst über ihre eigene Unachtsamkeit gefangen hatten, begaben sie sich nacheinander ins Bad. Es war inzwischen spät geworden und sie wollten sich für die Nachtruhe duschen und umziehen. Im Prinzip waren sie auch schon sehr müde, konnten aber beide wegen des letzten, aufputschenden Ereignisses jetzt nicht direkt