R.J. Simon

Bis dass der Tod euch vereint


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ursprünglich nicht von seines Vaters Haus trennen wollte. Plötzlich war er dazu bereit es zu verkaufen, um ein anderes an anderer Stelle der Côte d´Azur zu erwerben. Ganz zufällig wüsste er gerade ein entsprechendes, sagte Dominik am Morgen ihres zehnten Jahrestags, als er Brigitte einen riesigen Rosenstrauß überreichte.

      Gemeinsam fuhren sie noch am selben Tag mit dem Auto die Küstenstraße entlang nach Menton, um das Haus, das Dominik im Auge hatte, zu besichtigen. Das in Frage kommende Gebäude war um ein vielfaches prächtiger und stilvoller, als ihr bisheriges Heim. Brigitte benötigte keine lange Bedenkzeit. Noch bevor sie überhaupt alle Einzelheiten des Hauses gesehen hatte, erklärte sie sich mit dem Tausch einverstanden. Es wäre töricht gewesen das Angebot abzulehnen.

      Das voraussichtlich neue Heim lag direkt am Meer. Das war der herausragenste Vorteil bei der Lage, im Gegensatz zu dem vorherigen. Auch das Haus in Menton lag außerhalb der Stadt und somit erholsam ruhig. Das Grundstück befand sich an der Landstraße, die von Menton nach Monte Carlo führte, ungefähr in halber Höhe der steil ansteigenden Küste. Durch die Einfahrt am Seitenstreifen der Küstenstraße, gelangte man auf das Anwesen. Eine Mauer und Sicherheitszäune begrenzten das Grundstück zur Straße hin, und ein schmiedeeisernes, elektrisch betriebenes Tor sicherte den Eingang.

      Hinter dem zweistöckigen Bau befand sich ein terrassenförmig angelegter Garten. Danach führte eine, aus flachen Stufen bestehende, in den Fels gehauene Natursteintreppe, hinunter zum Strand. Dessen Ufer war feinsandig und als Bucht ausgeprägt. Somit schützte die von der Natur vorgegebene Struktur gegen neugierige Blicke. Dort unten konnte Brigitte sich alleine mit Dominik ungeniert sonnen und beim baden gehen würde man sie nur vom offenen Meer her sehen können. Es wäre ungeheuer bequem und vorteilhaft, wenn man seinen eigenen Strand hatte, dachte sich Brigitte gleich.

      Die Wohnräume waren noch ausgedehnter als die im bisherigen Haus. Durch großflächige Fenster wurden sie hell und freundlich. Von allen Wohnräumen aus hatte man freien Meerblick und die Sonne strahlte ungehindert hinein. So lud nicht nur die Einrichtung, sondern auch die beruhigende Sicht zur Gemütlichkeit ein.

      Im Erdgeschoß erstreckte sich ein gigantischer Salon über fast die gesamte Grundfläche des Hauses. Das waren immerhin knapp dreihundert Quadratmeter. Dieser Raum bildete sozusagen Wohn- und Esszimmer, mit der offenen Küche auf einer Seite, in einem.

      Der Boden war im gesamten Erdgeschoß mit fein gemustertem Carrara-Marmor ausgelegt. Eine der Querseiten nahm ein, aus roten Ziegelsteinen errichtetes, brusthohes Mäuerchen ein, dessen Abschlussplatte ebenfalls aus Marmor bestand und die als Tresen diente. Dahinter erstreckte sich eine moderne Einbauküche, mit allen erdenklichen Küchengeräten, die teilweise unsichtbar in der Mauer des Tresens eingearbeitet waren. Die Arbeitsplatte und Ablageflächen der Küche bestanden aus dem gleichen Marmor wie der Boden und die Theke. Die Essecke mit hohem Tisch und hochlehnigen, viel verzierten Sitzmöbeln, passte genau in den Wintergarten daneben, in dem sich der Raum fortsetzte.

      Auf der Längsseite, die zum Garten und anschließend auch zum Strand hin zeigte, beschloss eine einzige, große Doppelglasscheibe, wie im alten Haus den Raum. Jedoch viel moderner als dort. Denn diese musste man nicht mit Muskelkraft verschieben, sondern sie konnte durch einen Knopfdruck elektrisch betrieben, zur Seite gefahren werden. Die erste Terrasse danach war ebenso mit Marmor ausgestattet, wie der Innenraum. Bei geöffneter Front erkannte man so gut wie keinen Übergang zwischen Wohnraum und dem Freien. Nach dieser Ebene, die lediglich einige ausladenden Blumenkübel zierten, begannen die weiteren Terrassen des Gartens, bis die eigentliche Treppe zum Strand begann.

      Der zweite Stock des Hauses, von der Eingangshalle aus über eine breite, geschwungene Treppe erreichbar, beherbergte das Schlaf- und die Gästezimmer, sowie zwei fürstliche Badezimmer. Alle Räume oben waren mittels einer Galerie verbunden und gleichfalls großzügig gestaltet. Die Einrichtung im ganzen Haus zeigte sich sehr exquisit.

      Alleine die Räume im Kellergeschoß, die Dominik zum Büro ausbauen wollte, entsprachen nicht ihren Vorstellungen. Dadurch, dass diese ohnehin verändert werden mussten, war deren Zustand egal und kein Kriterium für den Kauf. Dort fehlte zur perfekten Ausstattung ein kleiner Fitnessraum mit angegliedertem Saunabereich. Dominik erachtete diesen Umbau als keine unzumutbare Maßnahme und sollte schnell erledigt sein.

      In jenem Traumhaus, das inzwischen zum Alptraumschloss wurde, lebt Brigitte heute noch. Dieses ist auch, neben den Geldwerten, die Hauptstreitfrage in der Erbschaftsangelegenheit, weil es laut dem Testament nicht ihr gehören soll. Es macht Brigitte wütend, wenn sie nur daran denkt, dass diese Villa jemand zugesprochen bekam, von dem sie noch nie im Leben hörte.

      Für die Großzügigkeit, die Dominik ihr bis zum abrupten, tragischen Ende ihrer Ehe entgegenbrachte, bedankte sich Brigitte durch sehr viel Anschmiegsamkeit und Liebe. Sie verwöhnte ihn wo und so gut es ihr möglich wurde. Brigitte bekundete ihm ihre Zuneigung und Dankbarkeit vom ersten Tag ihrer Ehe an täglich durch kleine Gesten und allerlei Anstrengungen. Wenn das alles auch in den letzten Jahren zunehmend oft nur vorgetäuscht war. Brigitte gab sich die größtmögliche Mühe, dass Dominik an ihre Liebe glaubte und keine Sekunde daran zweifeln brauchte.

      Es entsprach schon der Wahrheit: Irgendwie war die frühere Liebe in den vergangenen Jahren mehr und mehr abgeklungen. Das anfängliche Feuer erlosch fast, denn es bekam keinerlei neues Brennmaterial. Für Brigitte war alles nur noch Gewohnheit gewesen. Gewohnheit an etwas so schönes wie den Luxus, die eigene Abgesichertheit und eben einen Ehemann. Der Tagesablauf vom Aufstehen bis zum Gute-Nacht-Kuss war Routine geworden, die vollautomatisch ablief. In diesen Ablauf waren ihr Verhalten und die Zärtlichkeiten zu Dominik mit inbegriffen. Brigitte wollte aber den Luxus und die Geborgenheit, die sie bei Dominik gefunden hatte, um keinen Preis der Welt missen.

      Wie Brigitte in der näheren Vergangenheit fühlte, spürte Dominik ihrer Meinung nach nicht. Brigitte gab sich auch in ihrem Handeln und Auftreten ihm gegenüber jede Mühe, dass er nichts merkte. Enttäuschen wollte sie Dominik nicht, oder gar riskieren, dass er sie verlassen würde. Da spielte Brigitte lieber das Schauspiel der liebenden Gattin. Was sie auch zur vollen Zufriedenheit bis zum heutigen Tag beherrschte. Sie hatte ja etliche Jahre Zeit zum Erlernen dieser Rolle.

      In der Zwischenzeit hat sich alles, was mit der nachlassenden Liebe in Zusammenhang stand, durch den Tod Dominiks von selbst erledigt. Die Probleme, die jetzt noch akut waren, würde Brigitte auch noch beiseite räumen. Sie ist optimistisch, dass alles gut werden wird.

      3.

      Als Brigitte damals, vor ein paar Monaten, der Beginn ihrer Romanze mit Dominik in den Sinn kam, spazierte sie gerade mit ihm die Promenade von San Remo entlang. Sie genoss dabei die Sonne, das Meer und die gute würzige gesunde Seeluft. Es war, wie so ziemlich jeder Tag hier in der Region ein Wetter, bei dem man sich einfach wohl fühlte. Als Mädchen hätte es sich Brigitte nicht ausmalen können, dass es ihr einmal so gut erginge, wie noch zu jener Zeit. Bis Brigitte Dominik kennen lernte, glaubte sie in ihrer Versicherung alt zu werden und ein Leben voller Arbeit und Entbehrungen führen zu müssen, wie ihre Eltern das taten. Erst mit ihrer Hochzeit begann für Brigitte ein sorgenfreies Leben im Luxus, ohne Geldsorgen und der Möglichkeit, aus dem aufreibenden profanen Arbeitsleben zu entkommen.

      „He, träumst du, mon Coeur?“, hörte Brigitte plötzlich Dominik an ihrer Seite, der sie aus ihren Erinnerungen riss. „Ich habe dich gefragt, ob wir ein wenig in das Spielcasino gehen wollen? Wir sind nämlich gerade da. Dort drüben ist es.“

      Die erste Frage beantwortete Brigitte damit, dass sie gerade über etwas nachgedacht hätte. Die zweite überlegte sie laut: „Spielcasino? Ja, warum eigentlich nicht?“ Sie lächelte Dominik wie immer an und nickte nachdrücklich.

      Sie unterwanderten die Bahngleise, die das Casino von der Promenade trennten, durch die Unterführung und gingen Arm in Arm auf die hohe, weiß getünchte Wand des Baues zu, der ganz hell in der Sonne leuchtete. Vor dem monumentalen Gebäude wehten die Fächerblätter der Palmen, vom zarten Wind bewegt, leicht hin und her.

      Wären sie die Straße am Spielcasino vorbei weitergegangen, stießen sie direkt auf die Corso Imperatrice. Dort steht die russisch-orthodoxe Kirche, mit ihren