R.J. Simon

Bis dass der Tod euch vereint


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antike Gotteshaus einer anderen Kultur, versetzte einen in ein Märchen aus Tausend und einer Nacht. Sie wollte aber Dominik den Gefallen tun, und mit ihm in das Casino gehen.

      Brigitte stieg also mit Dominik die breiten, steinernen Stufen zum Portal empor. Die Treppen bedeckte in der Mitte ein roter Teppichstreifen, der den Prunk der Pforte unterstrich. Den großzügigen Eingang bildeten mehrere Vierkantsäulen, die arkadenartig in Bögen endeten und wie die übrige Front des einladenden Baues die Farbe von reinem, weißem Schnee hatten.

      Der Empfangsdiener, mit seinem schön verzierten Dienstanzug, hielt den beiden ankommenden Gästen die Türe weit offen. An der Kasse zahlte Dominik den Eintrittspreis von 16 000 Lire pro Person. Es gab dabei keinerlei Wartezeit, da im Moment kein übertriebener Andrang herrschte. Der Obolus enthielt gleichzeitig je einen Chip im Wert von 10 000 Lire, den man auf alle Fälle verspielen musste, denn diesen bekam man nicht zurückgetauscht.

      An der Kasse mussten sie zudem die Pässe zur Erfassung und Überprüfung vorzeigen. Das war eine Sicherheitsmaßnahme, die eventuellen Verbrechen vorbeugen sollte und sich auch bewährte. Immerhin wurden in dem Spielcasino erhebliche Beträge umgesetzt, die so manche zwielichtige Gestalt auf kriminelle Gedanken bringen konnten. Brigitte und Dominik führten ihre Ausweise sowieso mit sich, denn sie überfuhren die französisch-italienische Grenze, um nach San Remo zu gelangen. Sie befanden sich somit auf der italienischen Seite der Côte d Azur, an der Ligurischen Küste.

      Die Ausweise erhielten sie dann sofort mit ihren Billets zurück. Auf den Karten war jeweils ihr Vor- und Zuname vom Computer aufgedruckt. Darunter stand das Besucherdatum mit ausgeschriebenem Monat. Den Kopf der Eintrittskarte zierte das Wappen des Casinos. Ebenso unterschieden sich die Bonuschips, die Brigitte und Dominik dazu bekamen, von den normalen Spielchettons dadurch, dass diese nicht mit dem Wappen versehen waren.

      Brigitte ging neben Dominik weiter die Treppen hinauf in die erste Etage, wo sich die Spielsalons befanden. Überall prangten von der Decke mächtige Kronleuchter, die jedoch am hellen Tag noch nicht ihr verzauberndes Licht abgaben. Nachdem ein weiterer Angestellter den Kontrollabschnitt abgetrennt hatte, betraten sie den großen, öffentlichen Spielsaal.

      Dort bot sich ein Bild, die Besucher betreffend, das in jedem Spielkasino das gleiche war, egal wo auf dieser Welt es sich befand. Die Einrichtungen selbstverständlich unterschieden sich enorm. Aber das Prinzip des Ablaufs, die Aufteilung der Säle und die Gäste machten im Aussehen und Verhalten keine Unterschiede.

      Die Roulettetische, auf denen die bunten Chips von einem Croupier mit seinem Schieber von der Bank weg, oder zu ihr hin geschoben wurden, sind überall die gleichen. Um die Tische herum sitzen ebenso die entsprechenden Damen und Herren, von denen nur die Gesichter austauschbar sind. Mit den Spielsüchtigen und Touristen, die immer wieder aufs Neue ihr Glück suchen und herausfordern. Manche davon schreiben sogar stundenlang die Zahlenfolgen mit, um dadurch zu einem System zu finden. Lediglich die Eleganz und Seriosität der Etablissements und damit der Herrschaften, weist vereinzelt Unterschiede auf.

      Um diese Zeit, als Dominik mit Brigitte das Casino betrat, bestimmte noch kein überfülltes Treiben das Geschehen. Am Abend aber bekam man an den Spieltischen, ob beim Bakkarat, Roulette oder den Würfelspielen, kaum noch einen Platz. Denn dann herrschte Hochsaison, während der die Spieler und die Schaulustigen oft in Zweierreihen die Glückstische belagerten.

      Dominik wechselte an der Bank ein paar Geldscheine in Spielchips um. Brigitte sah nicht wie viele und das Umrechnen in Lire bereitete ihr seit eh und je Schwierigkeiten, so dass sie es erst gar nicht versuchte. Brigitte wollte Dominik nicht kontrollieren, er wusste selbst, was er tat und wie viel Geld er zum Verspielen opfern wollte. Aber es schien ihr kein kleiner Betrag gewesen zu sein.

      Brigitte hatte in der Zwischenzeit an einem der Roulettetische Platz genommen, um dort auf Dominik zu warten. Sie konnte frei auswählen, denn die Stühle waren kaum belegt. Dominik kam vom Geldwechseln zu ihr zurück, stellte sich einen Stuhl zurecht und setzte sich genau ihr gegenüber hin. Mit seinem üblichen Lächeln, das er immer zeigte, wenn er etwas im Schilde führte, überreichte Dominik ihr genau die Hälfte der orangenen Plastikscheiben. Dann sagte Dominik zu Brigitte immer noch lächelnd: „Mal sehen wer zuerst keine mehr hat!“ Mit seinen Worten ließ er seine Chips in der Hand hüpfen und deutete auf den kleinen Stapel vor Brigitte.

      „Aber ohne zu schummeln. Jeder von uns beiden setzt bei jeder Spielrunde mindestens einen Chip. Wer zuerst alle verspielt hat, ist der Verlierer“, erklärte Dominik ihr den kleinen Wettstreit.

      „Also gut“, gab sich Brigitte mit den Regeln einverstanden. Sie nahm ihr Spielkapital und häufte es in zwei kleinen Stapeln vor sich auf. Im Kopf errechnete sie kurz den Wert in Lire, der nun vor ihr lag. Es handelte sich um 20 000 Lirechips, von denen sich zehn vor ihr türmten. Das ergab 200.000 Lire zuzüglich des Bonuschips von 10 000 Lire, den sie noch mit der Eintrittskarte in der Hand hielt. Also zumindest in Lire eine stattliche Summe.

      Nun begann eine neue Runde und beide stiegen in das Spiel mit ein, indem sie sich als Startzeichen zunickten. Dominik klärte noch einmal: „Ab jetzt gilt es, ohne aussetzen, bis einer keine Chips mehr hat.“

      Brigitte setzte ihren ersten, den Gratischip, auf irgendeine Zahl, die ihr gerade einfiel. Sie wusste von diesem Spiel eigentlich nur, wie man setzen kann und dass man meistens verlor. Aber auch, dass man ein Vermögen gewinnen kann, wenn einem ungeheueres Glück zuteil wurde. Obwohl Anfängern nachgesagt wird, sie hätten zu Beginn ein unverschämtes Glück und Brigitte sich selbst die Daumen drückte, fiel die Kugel natürlich auf eine andere Zahl. Somit ging ihr erster Einsatz verloren.

      Dominik kannte sich besser aus. Er setzte je einen Jeton auf „gerade“ und „ungerade“. Im französischen Roulette „Pair“ und „Impair“. Das bedeutete, dass Dominik gewann, gleich, ob eine gerade oder eine ungerade Nummer von der Schicksal spielenden Kugel gezeigt wurde. Gewinnen war zu viel gesagt. Dominik erhielt bei jedem Spiel lediglich seinen Einsatz zurück. Denn, während er einen Chip verlor, erzielte der jeweils andere einen einfachen Gewinn, so dass sich Gewinn und Verlust genau aufhoben.

      Auf diese Weise konnte man sein Geld nicht vermehren, aber es ging auch keines verloren. Außer wenn die Null fiel, denn die gilt weder als gerade noch als ungerade, wären beide Chips bei der Bank gelandet. Über die gesamte Dauer des Duells geschah das aber nicht. Die Null, Zero, fiel nicht einmal. So blieb Dominiks Kapital durchgehend unverändert.

      Brigitte merkte nach einigen Spielrunden, dass sie im Gegensatz zu Dominik einen Chip nach dem anderen verlor und ihr Stapel stetig kleiner wurde. Dominiks Häufchen dagegen blieb konstant. Sie konnte kaum glauben, dass er immer gewinnen sollte. Um ihm auf die Schliche zu kommen, beobachtete Brigitte dann genauer, wie er seine Jetons platzierte und durchschaute so sein System. Das war wieder typisch für Dominik.

      Jetzt noch auf die gleiche Methode umzustellen wäre unsinnig gewesen. Brigitte hätte genau in der Art wie Dominik, mit rot und schwarz, setzen können. Aber der riesige Vorsprung den Dominik mittlerweile besaß, würde unverändert bleiben, so dass das keinen Sinn ergab. Brigitte vertraute deshalb lieber auf die Gunst, die Anfängern nachgesagt wird, und setzte ihren drittletzten Chip auf die Zahl 21, ihr Geburtsdatum.

      Der Croupier sagte für jeden am Tisch gut verständlich sein berühmtes „Rien ne va plus“, -nichts geht mehr, als keine weiteren Einsätze gemacht werden durften und die Kugel kullerte und sprang. Die kleine, schwere Kugel rollte und rollte. Brigitte starrte genau wie bei den vorherigen Spielen voller Spannung und Hoffnung auf den weißen Ball, der sich entgegengesetzt der Drehrichtung des Tellers bewegte. Brigitte fixierte die Kugel so mit ihren Augen, als ob sie selbst unter Hypnose stand und diese mit ihrem Willen beeinflussen könnte.

      Langsam zog das Kügelchen seine Bahnen enger. Es kreiste immer tiefer und näherte sich allmählich den Zahlenmulden, von denen es in einer liegen bleiben würde. In dem großen Saal war es ganz still. Gespräche wurden kaum geführt und wenn, dann nur im Flüsterton, weil jeder der Anwesenden auf seine Zahl oder Karte beharrte. Das Geräusch, das die rollende und dann springende Kugel verursachte, war klar zu vernehmen. Brigitte sah und hörte nichts anderes, als ihre Kugel, die ihre Zahl zeigen musste.

      Die ungeheure Spannung, unter der Brigitte stand als