Wolfgang Wirth

look back again


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      „Der Franzose weiß das wohl, hat es aber noch nicht ausgeplaudert, oder unser Mann hat es nicht mitbekommen. Wir wissen nur, dass sie sich wohl in Deutschland in Privatbesitz befinden. Wir glauben aber, dass die Russen sich ebenfalls sofort auf die Suche machen, sobald sie von dem Aufenthalt wissen. Und dies scheint noch nicht geschehen zu sein.“

      „Wissen wir das sicher? Und haben wir irgendeine Beschreibung der Steine?“

      „Nein. Sie sind aber scheinbar in einer Armbanduhr eingebaut.“

      „Na toll!“ Raschid suchte verzweifelt nach einem Anhaltspunkt. Irgendwo musste er doch anfangen können. „Kommen wir denn nicht irgendwie an den Franzosen ran, er kann doch alle Informationen liefern, die wir brauchen?“

      „Keine Chance!“ Achmed fühlte sich sichtlich unwohl bei jeder Frage nach wichtigen Informationen, die er liefern müsste, aber nicht konnte und schwitzte immer mehr. Sein Blick wechselte nervös zwischen Raschid und seinem Onkel hin und her. „Selbst seine eigenen Leute, der französische Geheimdienst hatte ihn lange in der Mangel, aber nichts erfahren.“

      Raschid schüttelte verständnislos den Kopf. „Vielleicht haben die einfach nicht die richtigen Fragen gestellt, weil sie gar nichts von den Steinen wissen.“

      Achmed wandte sich wieder dem Emir zu, der sich ruhig zurückgelehnt hatte und zufrieden den engagierten Fragen seines Neffen folgte.

      „Der russische Mafioso“, versuchte sich der kleine Mann zu rechtfertigen, „mit dem sich der Franzose über die Steine austauscht, hat ihn irgendwie in seiner Gewalt. Ich weiß nicht wie, aber er schafft es wohl ihm alle Geheimnisse zu entlocken. Wenn wir etwas erfahren, dann nur über das Abhören dieser Gespräche.“

      „Raschid!“, warf jetzt der Emir ungeduldig ein, der sich auch neuere Nachrichten erhofft hatte. „Vielleicht solltest du tatsächlich zunächst nach Paris fliegen und schauen, was du vor Ort erfahren kannst. Kontaktiere doch unseren Freund aus dem Gefängnis und eventuell kannst du ja auch mal dem Franzosen einen Besuch abstatten.“

      Dann wandte er sich an den immer mehr transpirierenden Geheimdienstmitarbeiter. „Achmed, wenn sie keine weiteren Informationen mehr für uns haben, danke ich ihnen soweit. Sobald sie Neues erfahren, geben sie uns unverzüglich Bescheid.“

      Damit stand er auf, was das Ende des Treffens bedeutete und die beiden anderen Männer erhoben sich ebenfalls. Der Emir gab allerdings seinem Neffen zu verstehen, noch zu warten und geleitete Achmed zur Tür. Mit ernster Miene kam er zurück in den Besprechungsraum.

      „Weißt du jetzt, warum ich dich ausgewählt habe!“, fragte er stirnrunzelnd. „Es geht einfach nicht weiter, wir drehen uns im Kreis. Jemand muss vor Ort die Fäden in die Hand nehmen und die Steine zurückbringen. Du nimmst den nächsten Flieger nach Paris und veranlasst alles Nötige.“

      „In Ordnung, Onkel, Verehrungswürdigster!“ antwortete Raschid und machte eine leichte Verbeugung. „Ich werde alles in meiner Macht stehende tun.“

      An der Türe umarmte der Scheich seinen Neffen und tätschelte ihm väterlich die Wangen. Dann reichte er ihm noch eine Tasche.

      „Hier drin hast du die nötigen Informationen und Adressen von unseren Kontakten in Europa. Außerdem dein Flugticket, etwas Bargeld, eine unlimitierte Kreditkarte und ein Mobiltelefon, das du ausschließlich nutzen solltest. Und natürlich einen falschen Pass, du kannst ja nicht als Mitglied der hoheitlichen Familie reisen. Alles Weitere bekommst du bei deiner Ankunft vor Ort. Ich wünsche dir und uns allen viel Erfolg. Komm wohlbehalten zurück und enttäusche mich nicht. Allah schütze dich!“

      Der Emir legte erneut seine herrschaftliche Hand auf die Schulter seines Neffen, als wollte er die symbolische Last, die er Raschid soeben aufgebürdet hatte, nochmals verstärken. Mit der anderen Hand griff er unter seine Kandura und zog ein goldenes Amulett hervor. Es hatte die Form eines Schlangenkopfes und war reich besetzt mit Edelsteinen. Der Emir hing dem jungen Mann das Schmuckstück um den Hals und zeigte auf die verarbeiteten Edelsteine.

      Dann sagte er mit tiefer Stimme: „Nimm das als Zeichen meines Vertrauens, es ist von unschätzbarem Wert. Es wird dich zu den Steinen führen, das hier sind die letzten Kristalle aus dem ursprünglichen Schatz.“

      „Ich glaube nicht, dass ich die mit mir herumtragen sollte, Onkel. Verstehe mich richtig, aber nie könnte ich mir verzeihen, wenn sie in meiner Obhut zu Schaden kämen.“ Die Möglichkeit eines Verlustes wagte Raschid in diesem Moment erst gar nicht auszusprechen.

      „So wie die Sterne jede Nacht zusammen finden, um das immer gleiche Bild an den Nachthimmel zu zaubern, so wie der Falke immer wieder aus der Freiheit zu seinem Herrn zurückkehrt, so findet alles zusammen, was zusammen gehört. Lass dich darauf ein und die Steine werden dich leiten. Nun geh!“

      Damit wurde Raschid auf den Flur entlassen und die Türe hinter ihm fiel schwer ins Schloss.

      Diese gemütliche Welt in der vertrauten Heimat musste er also verlassen, um hinaus in eine andere zu treten. Eine ihm unbekannte Welt, die mit Risiken und Gefahren auf ihn wartete und in der er nur auf seinen scharfen Verstand angewiesen war. Geleitet von Allah und seltsamen Kristallen, die als Vermögen um seinen Hals hingen.

      Raschid hatte die Erwartungen seines Onkels und Emirs zu erfüllen und sie lagen schwerer auf seinen Schultern als alles bisher da gewesene.

      Epilog

      Berlin, Samstag, 7. Oktober, 10.40 Uhr

      Es war ein sonniger Samstagvormittag und im Garten gab es viel zu tun. Die bunten Blätter, die der herbstliche Wind der letzten Tage von den Bäumen geweht hatte, lagen sorgfältig zu kleinen Haufen zusammengerecht auf der Wiese, bereit, aufgesammelt zu werden. Die Windstille am heutigen Tag erlaubten diese Tätigkeiten, ohne dass es in einer Sisyphusarbeit mündete, da der Wind auch nur mit dem leichtesten Hauch die Anstrengungen wieder zunichte machen konnte. Der Garten sollte gepflegt aussehen, sowie auch das Interieur des gemütlichen Bungalows in der Seitenstraße des fast ländlich wirkenden Berliner Vorortes Dahlem.

      Alles sollte perfekt sein, denn heute würde David zum Essen kommen und seine neue Freundin mitbringen. Da wollten sich sein Vater und seine Stiefmutter doch von der besten Seite zeigen, zumal aus den Erzählungen des jungen Mannes zu schließen war, dass es sich um eine ernste Beziehung handelte. Endlich einmal! Seine bisherigen Liebschaften waren häufig schneller wieder beendet, als sie begonnen hatten und es hatte sich bislang nie die Chance ergeben, mal eine der kurzfristigen Bekanntschaften zu begutachten. Wahrscheinlich war das auch besser so, denn etwas Seriöses war wohl bislang nicht dabei gewesen. Ob David bisher noch nichts Festes gesucht hatte, zu wählerisch oder einfach noch nicht bereit dafür gewesen war, ließ sich schwer sagen. Er war nun mal noch in der Findungsphase gewesen, aber offenbar hatte sich das Warten ja gelohnt.

      Noch nie zuvor hatten Laetitia und Brian ihren Sohn so redselig bezüglich seiner Beziehungen erlebt, wie in den letzten Wochen, so emotional und schwärmerisch. Er war eben augenscheinlich verliebt. Und das tat ihm gut.

      Ob es allerdings für sein Studium so gut war, ließ sich noch nicht erkennen. Er war ein talentierter und wissbegieriger junger Mann, dem das Lernen – zumindest in seinem Studienfach Informatik – leicht fiel, hatte er doch schon vorher den Großteil seiner Freizeit mit Computern verbracht. Nicht immer waren diese Beschäftigungen legal gewesen, aber er war kein bösartiger Hacker, der Schaden anrichtete. Eher einer, der für andere bei genau solchen Angriffen einen Ausweg suchte oder ihnen half, sich dagegen zu schützen.

      Aufgrund seiner Hilfe bei der Überführung ihres kriminellen Geheimdienstchefs vor ein paar Jahren hatte ihm der französische Staat ein Stipendium an der Pariser Sorbonne angeboten, aber David hatte dieses Kapitel seiner Vergangenheit lieber hinter sich lassen und in seiner Heimat studieren wollen. Er bewohnte eine kleine Wohnung nahe der Universität und genoss das Studentenleben mit all seinen Vorzügen. Nebenbei verdiente er etwas Geld mit dem Entwickeln von Computerprogrammen und Handy-Applikationen. Er stand mit beiden Beinen im Leben und seine Eltern konnten stolz auf ihn sein.

      Auch