Dennis Herzog

Kinderspiel


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freute sich schon jetzt auf ein nettes Gespräch ihrem hübschen Sprössling.

      Die beiden hatten bis zum Eintreffen von Erik, der heute eine Stunde länger im Unterricht blieb als seine Schwester, noch eine Weile Zeit sich zu unterhalten.

      Yasmin erwartete über Rebeccas aktuelle Erlebnisse, über ihre Freunde und Freundinnen, das Neueste zu hören. Am Leben ihrer Tochter teilzunehmen war ihr ein wichtiger Trost.

      Sie fand immer Freude und einen gewissen Halt im Beisammensein mit ihr.

      Und sie hoffte Rebecca empfinde ebenso.

      Anders als ihrem kleinen Bruder machte es „Becca“ nichts aus, sich mit ihrer Mutter zu unterhalten, sie war immer offen und ehrlich. Nur eines vermieden beide wenn sie einmal wieder ihre „Unter-vier-Augen-Gespräche“ führten. Im gemeinsamen Umgang wagte es keiner der Beiden über den verstorbenen Vater zu sprechen. Das Thema war bislang auf der Tabu-Liste geblieben.

      Wenn Rebecca es für richtig hielt und sie es entschieden hatte, dass es an der Zeit wäre sich über den Tod ihres Vaters zu unterhalten, würde sie es ihre Mutter sicher wissen lassen.

      Die Fünfzehnjährige hatte sich nie wirklich wohl gefühlt, wenn ihre Mutter, trotz aller Zurückhaltung, manchmal ihren starken Gefühlsausbrüchen erlag und schluchzend ihre Traurigkeit preisgab.

      Yasmin spürte das und gab sich Mühe generell darauf Rücksicht zu nehmen, damit nicht eines Tages die Vertrautheit zwischen den Beiden darunter litt.

      Zu wichtig war ihr das Band, das sie und das Mädchen so eng verbunden hielt, in dieser einsamen Zeit geworden.

      Dennoch war es ihr, nicht ganz ohne schmerzliche Nebenwirkungen, bewusst dass auch Rebecca, mit zunehmendem Alter, dieses Band mehr und mehr straffen würde. Und das es letztlich ganz zerriss. Abnabeln nannte es der Volksmund.

      Im Verlauf ihres Lebens würde sie sich mehr und mehr abkapseln und ebenso das elterliche Nest verlassen, wie es im Normalfall jedes Lebewesen tut. Die Einen früher, die anderen später, aber unausweichlich war es dennoch. Ein Naturgesetz.

      Die Tränen waren also fürs Erste versiegt und fort gewischt, als ihre Tochter nun die Küche betrat und Yasmin liebevoll umarmte. Sofort erkundigte sie sich freundlich was Rebecca denn Neues zu berichten habe, konnte dabei ihre offensichtliche Neugier kaum verbergen.

      Doch schämen brauchte sie sich ihrer nicht, sie hatte durchaus das Gefühl ihre Tochter verstünde nur allzu gut, und es war ihr, als genieße auch sie ihre häufige Konversation, ohne sich durch die Fragen ihrer Mutter etwa bedrängt zu fühlen.

      Noch.

      Als sich das Mädchen Pfannkuchen und ein Glas mit Orangensaft genommen hatte, setzte sich Yasmin zu ihr, an den Küchentisch.

      Sie selbst nahm mit einem Schluck Leitungswasser vorlieb, dass sie zuvor in ihren Kaffeebecher gefüllt hatte.

      Yasmin wartete noch bis Becca einige Bissen zu sich genommen hatte und blickte dann in ein freudiges Lächeln, bei dem sie gleich wieder in Tränen hätte ausbrechen können, dies aber tunlichst zu vermeiden wusste.

      „Mum´ wir haben heute die Physikarbeit wiederbekommen. Ich hab ´ne Zwei gekriegt und Herr Humboldt sagt, ich bin bloß vier Punkte anner Eins vorbei.“

      Solch womöglich prahlerisch erscheinende Sätze vermochte sie ohne erkennbaren Stolz oder gar Arroganz in ihrer Stimme vorzutragen. Sie gab es beinahe rein informativ weiter, brachte es gerade so fertig ein wenig Freude in dem Gesagten mitschwingen zu lassen.

      „Das ist wirklich schön, mein Schatz.“ Bemühte sich Yasmin nun zu antworten, ohne dabei selbst zu stolz zu klingeln. Fügte aber noch hinzu:„Ich freue mich dass du mit dem Stoff in gerade solchen Fächern gut zurecht kommst. Mir ist es damals um einiges schwerer gefallen in Mathe und Physik zu bestehen.“

      Sie widerstand nur schwer dem Impuls, hinzuzufügen, dass sie dieses Talent wohl eher von Andreas geerbt habe, als von ihr.

      Gerne hätte Yasmin auch Beccas Hand ergriffen, oder sie abermals umarmt, aber sie wusste, es war irgendwann einfach zu viel des Guten.

      So sprachen die beiden weiter und ihre Tochter erwähnte: „Der Sportunterricht war spannend. Volleyball mag ich eigentlich nicht besonders, aber ich bin trotzdem zur Wahl des Mannschaftskapitäns aufgestellt worden. Zum Glück, bin ich aber nicht gewählt worden, da hat natürlich wieder einer der Jungs gewonnen. Stefanie war richtig sauer, sie war auch aufgestellt und meinte es müsse an der Schule ein reines Mädchenteam geben, dann wäre sie mit Sicherheit gewählt worden.“

      Yasmin hätte stundenlang so dasitzen können und dabei lediglich ihrer Tochter zuhören. Hin und wieder warf sie eine Frage ein und erfreute sich aufrichtig und ehrlich an jeder, sei es auch noch so unbedeutenden Kleinigkeit. Alles was sie aus dem Alltag des Mädchens zu hören bekam gab ihr ein gutes und beruhigendes Gefühl. Und es lenkte sie von ihrer Trauer ab.

      Plötzlich wurde die Tür zur Küche unsanft aufgestoßen.

      Erik, einen seiner „Kumpels“, wie die Jungs sich gegenseitig gerne nannten, im Schlepptau.

      Beide hatten ihre Sportklamotten noch an, sich also nach dem Unterricht nicht umgezogen, wohl um so schneller aus der Schule entfliehen zu können. Sie faselten wiedermal irgend etwas von Spielkarten, warfen mit japanisch klingenden Namen um sich und überboten sich dabei mit Zahlen und vor allem mit ihrer jeweiligen Lautstärke.

      Yasmin konnte nicht den geringsten Sinn oder Zusammenhang erkennen, in dem was ihr Sohn und sein Freund da von sich gaben.

      Erik pfefferte seinen Rucksack rücksichtslos in eine Ecke vor die Küchenschränke. Zu allem Überfluss und Yasmins Erschrecken tat ihm sein Begleiter dieses grobe Verhalten auch noch gleich. Beide griffen sich ohne sich hinzusetzen mehrere Pfannkuchen vom Teller, den Rebecca aus dem Ofen genommen und auf der Tischplatte abgestellt hatte. Weder ließen sich die Jungen dazu herab die Anwesenden zu grüßen, noch machten sie überhaupt den Anschein, als würden sie mehr von ihrer Umgebung wahrnehmen, als den jeweils Anderen. Beide bissen synchron Stücke der Pfannkuchen ab, ohne dabei erkennen zu lassen, ob es schmeckte oder für sie „einfach selbstverständlich“ war.

      Sie führten einfach ihr Geplapper weiter, ohne Yasmin und Rebecca auch nur eines Blickes gewürdigt zu haben.

      Die Energie ihrem Sohn und Roland, dem Freund, den er so selbstverständlich mit zum Essen einlud, jetzt eine Standpauke über ihr Benehmen zu geben, wollte sie heute nicht verschwenden.

      Sie tauschte nur einen betroffenen Blick mit ihrer Tochter, die sich nun ihrerseits schleunigst zurückzog und mit ihrem Glas in der Hand die Küche verließ.

      Sie sagte ihrer Mutter noch im Vorbeigehen, sie solle nicht vergessen auch etwas zu essen.

      Sie ließ es sich allerdings auch nicht nehmen, hörbar zu verkünden: „Ich mache dann jetzt im Wohnzimmer meine Hausaufgaben!“ Was den nervigen kleinen Bruder anging, war sie weniger schüchtern. Sie bedeutete ihm damit, er solle sich nach Möglichkeit aus dem Wohnzimmer fernhalten, solange ihr Aufenthalt dort nicht beendet war.

      Wenn es um ihren Fleiß beim Lernen ging, konnte die Süße schon mal richtig zickig werden, kam es Erik in den Sinn ihr dabei auf die Nerven zu gehen.

      Yasmin war ansatzweise überrascht, als Roland nun doch ein: „Hallo Eriks Mama.“ - und dabei kleine Kuchenkrümel - ausspuckte.

      Es klang so hervor gepresst und gequält, als müsse der Junge die Worte erst aus großer Tiefe in seiner Kehle finden und sie hochwürgen, um nicht an einem bitteren Beigeschmack zu ersticken.

      Ihr Sohn blieb stumm.

      Doch bevor sie die Chance bekam eine eventuelle Antwort zu formulieren, hatte Erik ein paar Spielkarten, um die es sich wohl im vorangegangenen