Stefan Mitrenga

Goschamarie Der letzte Abend


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zeigte auf einen Tisch am Fenster.

      „Wisseter scho waner trinka wännt?“

      Das Paar bestellte Wein und dazu eine Flasche Wasser. Auch beim Essen waren sie sich schon sicher: die Vesperplatte für ihn, die vegetarische Variante für sie.

      „Ich müsste vor dem Essen nur noch kurz auf die Toilette“, sagte die Frau gestelzt und blickte sich suchend im Raum um.

      „Do mundse d’Treppa nauf. Dänn gradaus des kloine Tierle. Oifach neigange.“

      „Das wird der feinen Tussi nicht gefallen“, flüsterte Theo. „Maries Klo ist ja nicht gerade ein Spa-Bereich.“

      Elmar lachte. „Drum gehen wir ja immer raus an den Bach!“

      Der Vorstand kam herein und quetschte sich auf den letzten freien Platz am Stammtisch zwischen Max und Theo. Er sah abgekämpft aus und man sah ihm die schlechte Laune an.

      „Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“, fragte Walter vorsichtig. „Das hat nicht zufällig etwas mit dem Fund auf der Baustelle zu tun?“

      Der Alte schaute grimmig und bestellte bei Marie ein Leitungswasser.

      „So eine Scheiße. Was macht denn eine tausend Jahre alte Leiche auf der Wiese? Wisst ihr, was das für einen Ärger bringt?“

      Walter nickte verständnisvoll. „Hast du schon was vom Landesdenkmalamt gehört?“

      „Ja. Haben vorher angerufen und klargemacht, dass rund um den Fundort nichts angerührt werden darf, bevor ihr Archäologe nicht da war.“

      „Und das dauert wahrscheinlich“, mutmaßte Peter. „Der Amtsschimmel war noch nie dafür bekannt, übermäßig schnell zu galoppieren.“

      „Das ist die einzig gute Nachricht“, widersprach der Vorstand, „der kommt schon morgen Mittag. Jetzt können wir nur hoffen, dass der das Ganze für nicht so wichtig hält und die Baustelle wieder freigibt.“

      Der Alte trank einen Schluck Leitungswasser und verzog das Gesicht.

      „Irgendwie hoffe ich ja immer noch, dass das auf Kuses Mist gewachsen ist.“

      „Du glaubst, er steckt dahinter?“, fragte Walter ungläubig.

      „Wäre doch vorstellbar. Er will nicht, dass wir das neue Musikheim auf seiner Wiese bauen. Also besorgt er sich irgendwo ein paar alte Knochen und vergräbt sie. Eigentlich kein schlechter Plan.“

      Theo schüttelte den Kopf. „Kein schlechter Plan, aber auf keinen Fall der Plan von Kuse. Auf sowas käme der nie. Und ganz so einfach ist das ja auch nicht. Wo kriegt man denn ein menschliches Skelett her und dann noch eins, das über tausend Jahre alt ist?“

      „Du hast wahrscheinlich Recht, aber so wäre es am Einfachsten. Der Archäologe würde das bestimmt durchschauen und wir könnten weiterbauen.“

      Die aufgetakelte Frau kam vom Klo zurück und hielt ihre Hände vor sich, wie ein Arzt vor der Operation.

      „Wo kann ich denn hier die Hände waschen? Im Klo ist kein Waschbecken!“

      Marie schaute sie mitleidig an.

      „Oh je, hosch ieber d’Finger gsoicht … des isch natierlich it scheh. Komm do her … kasch dr Hahna am Träsa nämma.“

      Von allen beobachtet wusch sich die Frau sichtlich verärgert die Hände und kehrte zu ihrem Mann zurück. Sie tuschelte kurz mit ihm, doch Marie unterbrach sie mit den Vespertellern.

      „Oimol normal … und oimol vegetarisch. Lassets eich schmecka!“

      Während der Mann freudig einen dicken Streifen Rauchfleisch abschnitt, stocherte seine Frau misstrauisch in der angeblich vegetarischen Leberwurst.

      „Das ist doch eine ganz normale Leberwurst“, passte sie Marie ab. „Das ist Betrug, was sie hier machen!“

      Marie stemmte die Arme in die Hüften und hob trotzig den Kopf.

      „S hot sich no koiner beschwärt … bis jetzt. Und’s isch jo au immer a Ahsichtssach: isch des vegetarische nimmer vegetarisch, wänns vorher durch a Sau durchganga isch?“

      Sie sah der Frau streng in die Augen.

      „Bei mir isch des vegetarisch. Und damit baschta!“

      Sie drehte sich um und verschwand hinter dem Tresen.

      Die Frau tuschelte zornig mit ihrem Mann, der daraufhin eine kleine Plastiktüte aus seiner Jackentasche zog und das Vesper seiner Frau einpackte. Nur die zwei halben Eier und eine Essiggurke blieben zurück.

      Kurz darauf bezahlte das Ehepaar und verließ grußlos die Wirtschaft. Ihren Wein hatten sie nicht angerührt.

      „Oh oh, die waren stinksauer“, sagte Kitty besorgt. „Wenn das mal keinen Ärger gibt!“„Was soll denn passieren?“, fragte Balu gleichgültig. „Dann kommen sie halt nicht mehr her, aber Marie kann das, glaube ich, verkraften.“Kitty war anderer Meinung. „Die Frau sah nicht so aus, als würde sie sich damit abfinden. Die lässt sich bestimmt etwas einfallen.“„Soll sie doch. Bisher hat sich noch kaum einer erfolgreich mit Marie angelegt.“„Wir werden sehen. Aber ich habe ein schlechtes Gefühl dabei.“„Und was sagt dein Gefühl wegen den Knochen auf der Wiese?“, knurrte Balu. „Nichts Bestimmtes“, gab Kitty zu. „Wir haben zwar schon wieder eine Leiche im Dorf, aber wenn die wirklich tausend Jahre alt ist, braucht niemand nach dem Mörder suchen.“„Und das ist gut so“, knurrte Balu zufrieden. „Diesmal hat Walter nichts damit zu tun.“

      9

      „Ist doch beruhigend, dass wir nicht schon wieder einen Mörder unter uns haben“, sagte Liesl zufrieden und schöpfte Spätzle auf Walters Teller. Dazu gab es den Rest vom Sonntagsbraten.

      „Trotzdem ist es ein komisches Gefühl. Ich habe all die Jahre neben einem Toten gewohnt und wusste es gar nicht. Wahrscheinlich bin ich schon ein paarmal drüber gelaufen.“

      Walter schüttelte sich bei dem Gedanken.

      „Haben dir die Knochen den Appetit verdorben?“, fragte er und zeigte auf Liesls Teller.

      Sie hatte sich nur ein paar Spätzle und etwas Soße genommen.

      „Die Knochen nicht, aber mir ist heute einfach nicht gut. Vielleicht habe ich mir einen Magen-Darm-Virus eingefangen.“

      Walter beugte sich unbewusst von Liesl weg.

      „Wenn ich ansteckend bin, dann hast du es schon“, knurrte Liesl. „Da brauchst du jetzt gar nicht wegrutschten ...“

      Sie wollte noch etwas hinzufügen, verstummte aber plötzlich, sprang auf und hastete zur Spüle. Ihr Körper verkrampfte und sie übergab sich heftig.

      „Entschuldige“, röchelte Liesl, und spuckte einen Rest Erbrochenes ins Waschbecken. „Das ist jetzt nicht sehr appetitlich.“

      Walter war aufgesprungen und hatte seinen Arm um sie gelegt.

      „Da kannst du doch nichts dafür“, sagte er sanft. „Leg dich ein wenig hin und ruh dich aus.“

      Er führte Liesl zu ihrem Sofa und half ihr sich hinzulegen. Dann legte er die Decke über sie, die immer am Fußende lag und holte einen Eimer.

      „Ist es nur der Magen oder fühlst du dich auch sonst schlecht?“

      Liesl wischte sich kalten Schweiß von der Stirn.

      „Ich fühl mich auch recht klapprig. Vielleicht habe ich Fieber.“

      Walter legte ihr die Hand auf die Stirn, doch die Temperatur kam ihm normal vor.

      „Ruh dich einfach ein bisschen aus. Wenn du etwas brauchst … ich bin in der Nähe.“

      Er hatte leise die Teller abgeräumt und Deckel auf die noch warmen Töpfe gelegt. Als er noch einmal nach Liesl sah, waren ihre Augen geschlossen. Leise verließ er ihr Haus und ging auf seine Terrasse. Er machte es sich bequem und genoss die Frühlingssonne. Doch trotz des schönen Wetters wurde Walter von düsteren Gedanken heimgesucht. Er hatte Liesl noch nie krank erlebt. Wie schwach