Jasmin Salfinger

Teufels Träume


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zart an. Sie schwang sofort auf und dahinter war nichts außer schwarze Dunkelheit. Tief schwarze und unheilschwangere Dunkelheit. Emilia lauschte, wie seltsam, dass sie die Geräusche des Hauses gar nicht mehr hören konnte. Ein plötzliches und ziemlich nahes Kichern ließ sie entsetzt zusammenzucken. "Mel! Hör auf, das ist nicht lustig!" Rief Emilia. Sie war sich sicher, dass Mel gekichert hatte um sie gelungener Maßen zu erschrecken, also... ziemlich sicher.

      "Mel?" Fragte sie, nun leicht verunsichert. Ok, das war doch irgendwie gruselig und unbehaglich trat sie von einem Fuß auf den anderen.

      Es kicherte erneut, das war für Emilia Antwort genug und sie trat durch die Tür. Ein heftiger Windstoß blies ihr durch das lange braune Haar und mit einem Rums ließ der die Tür zufallen. Eisig erschrocken fuhr Emilia herum. Sie wollte die Tür wieder aufstoßen, doch von dieser Seite aus hatte die Tür keine Klinke. Ganz ruhig, ihre Nerven spannten sich unangenehm an. Sie stand jetzt nur in der Dunkelheit, auf einem unbeleuchteten Weg, in unbekannter Umgebung, mit dem Mond als einzige Lichtquelle. Alles war in Ordnung, alles war okay, alles war nicht gruselig. Ein kleines Mantra, dass Emilia in ihrem Kopf wiederholte, während sie sich an den Armen rieb. Sie hörte Schritte. Das musste Mel sein. Sie nahm einen roten Schimmer aus den Augenwinkeln wahr, der im Dunklen verschwand. Zaghaft bewegte sich Emilia vor und folgte dem Geräusch der Schritte. Die Tür war zu, zurück konnte sie so oder so nicht mehr.

      "Melica, das ist echt nicht mehr witzig! Ich werde die Sache von vorhin auch erstmal ruhen lassen okay?!"

      Als Antwort kam wieder nur Mels komisches Kichern hinter den Bäumen hervor. Ihre Schritte setzten erneut ein und Emilia folgte widerstrebend ihrem Klang, was sollte sie sonst tun. Die Stille bekam etwas Erdrückendes. Das spärliche Licht des Mondes tunkte alles in noch schaurigere Schatten. Emilia konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Dementsprechend kam sie nur langsam voran. Das Plätschern von Wasser drang an ihre Ohren. Moment mal, waren sie etwa an den Dharlingfluss gelangt? Wie konnte das sein, der befand sich ein paar Kilometer von Mels Villa entfernt.

      Die Bäume lichteten sich und gaben den Blick auf den breiten Fluss direkt vor Emilia frei. Wo zum Henker war sie da gelandet? Wilde Wassermassen strömten in dunklen Tiefen vorwärts. Sie sah eine alte klapprige Brücke, so schmal, dass höchstens ein Mensch auf einmal sie passieren konnte. Auf der Mitte der Brücke stand eine dunkle Gestalt. Bei dem Anblick sackte ihr das Herz kurz in die Hose, das sah einfach viel zu gruselig aus.

      "Melica?" Fragte Emilia zaghaft, während eine Gänsehaut ihre Arme hochkroch. Da setzte sich die Gestalt in Bewegung und überquerte die Brücke aufs anderer Ufer.

      Emilia starrte ihr hypnotisiert nach. Sie hatte diese Brücke noch nie zuvor gesehen, geschweige denn von ihr gehört. Das Teil schien mehr als nur instabil zu sein. Sie kannte viel zu viele Geschichten von Menschen die in den Strömungen des Dharlingflusses ertrunken waren. Nichtsdestotrotz war sie so hypnotisiert von Mels eigenartigem Verhalten, dass sie ihr über das Klappergestell folgte. Wohlwissend tödliche, nasse Massen unter sich zu haben. Auf der anderen Seite befand sich eine Ziegelstein Mauer und sie sah sehr, sehr alt aus. Emilia sah wie die Gestalt von Mel sich bückte und in der Mauer verschwand. Ok, was?!

      Emilia beschleunigte zu der Stelle. In der Mauer befand sich eine winzige, offenstehende Tür, gerade groß genug für ein Kind. Sie war aus Holz, mit Pflanzen überwuchert und mit Spinnenweben behangen. Sie hatte sogar ein altes lädiertes Schloss, aber es war aufgebrochen.

      Sie quetschte sich durch die kleine Tür und schlüpfte hindurch in den wundervollsten Garten den Emilia je gesehen hatte. Nachdem sie ein paar Äste beiseitegeschoben hatte, überblickte sie die mondbeschienene Landschaft. Die Natur hatte sich über all die Jahre hinweg ihr Gebiet zurückerobert. Pflanzen und Blüten rankten sich über längst vergessene Statuen und zerbrochene Büsten.

      Ein richtiger mystischer Garten. Mit ihrem Ballkleid schleifte sie über die erdigen Steine im Boden. Auch wenn es ein bezaubernder Garten war, so lief es Emilia doch eisig den Rücken hinab. Die Schönheit verschmolz in der Finsternis mit einer gewissen Schaurigkeit. Es war ihr als würde sie Regungen in den Schatten der Bäume wahrnehmen. Bestimmt nur Einbildung.

      So bahnte sie sich den Weg durch den schönen, schaurigen Garten, bis sie vor einer Villa stand. Emilia erkannte diese Villa sofort. Sie hatte sie auf unzähligen Fotos und Unterlagen ihrer Mutter gesehen, das war die Morelli Villa. Ein Bauwerk vergangener Pracht. Sie befand sich auf dem sagenumwobenen Anwesen der Verstorbenen Familie Morelli. Ein mehrere Hektar großes Anwesen, das eigentlich nicht sehr nah an Dr. Salveters und Mels zu Hause lag. Emilia betrachtete das alte Gemäuer, vor lauter Staunen entging ihr gänzlich das Mels nirgends mehr zu sehen war.

      Es war eigentlich kaum zu glauben, dass eine fast vergessene, altmodische Welt in ihrer Nachbarschaft existierte. Das Haupttor war immer verschlossen und eigentlich gab es keine bekannten Seiteneingänge, aber wer wusste das bei so einem riesigen Stück Land schon so genau. Emilia fragte sich gerade wie es im inneren des Hauses aussah. Sie blickte hoch zu den ausladenden Steinstufen die zu der schweren Eingangstür führten.

      Plötzlich fühlte sie sich beobachtet. Mulmig wurde ihr wieder klar, dass sie eigentlich Mel verfolgte.

      Nein, hier war alles viel zu merkwürdig. Es war besser zu verschwinden. Ein Knarren ließ sie erstarrt aufhorchen.

      Die Eingangstür der Morelli Villa stand offen. War die gerade aufgegangen? War Mel das? Sollte sie nachsehen? Nein - alt, staubig, gebrechlich, baufällig, gruselig... noch mehr Adjektive fielen ihr ein und sie schüttelte den Kopf. Ein Schimmern erregte ihre Aufmerksamkeit und ließ sie widerstrebend nähertreten. Emilia klappte der Mund auf. Nein, das konnte nicht sein, oder?! Sie stand vor den Steinstufen, und sah hoch hinauf zur Eingangstür. Ihr Blickwinkel reichte aus um in das Innere des Hauses hineinspähen zu können, auf den dunklen Eingangsflur. Dort mitten im einsamen Strahl des Mondes der durch die leicht geöffnete Tür fiel, sah sie ein blau schimmerndes, glänzendes Etwas. Ein kleiner Gegenstand der eigentlich auf dem Grund von Mels Teich liegen musste.

      Emilias glänzend blaue Skarabäuskette.

      Sie musste sich das genauer ansehen und erklomm gegen jede Vernunft die alten, mit Efeu überwachsenen Stufen. Sie spähte in das pechschwarze Innere des Hauses.

      "Hallo?" Rief sie zögerlich, doch ihre Stimme wurde vom Haus verschluckt. Sie holte Luft, sah auf die Kette, die nur zwei Meter vor ihr auf dem Boden lag und betrat das ehrwürdige Haus Morelli. Etwas lag in der Luft, kalter Schweiß lief ihren Rücken hinab. Ihr Instinkt wollte ihr etwas mitteilen; sie sollte nicht hier sein. Wie in Zeitlupe machte sie einen Schritt, ging in die Hocke und streckte sich nach der Kette aus. Sie würde sich das Ding schnappen und verschwinden, sie war gleich wieder weg. Just in dem Moment da sich ihre Finger um die Kette schlossen, gab der Boden nach.

      Ein krachte bodenerschütternd und Emilia brach durch die morschen alten Dielen. Sie schlug die Hände über den Kopf als sie durch die Dunkelheit und das Holz fiel. Sie schlug hart auf kaltem Boden auf und winzig kleine Holzsplitter bohrten sich in ihre Haut. Der Aufprall presste die gesamte Luft aus ihren Lungen. Unter tränenden Augen versuchte sie nach Luft zu schnappen. All der Staub und das Holz in der Luft brachten sie zum Husten. Sie richtete sich auf und versuchte verzweifelt etwas zu sehen, um zu erkennen wo sie gelandet war. Der Boden auf dem sie lag fühlte sich an wie rauer Steinboden. Sie war in den Keller des Morelli Anwesens gestürzt. Der Staub legte sich und Emilia sah einen einzelnen dünnen Mondstrahl, der aus weiter Entfernung zu kommen schien. Der Schock saß zu tief in ihren Knochen, als dass sie die Schmerzen des Aufpralls gespürt hätte. Es war ein Wunder, dass sie sich nichts gebrochen hatte, vielleicht spürte sie, dass aber auch nur noch nicht.

      Auf wackligen Beinen stand sie auf, um dem Mondlicht entgegengehen, als etwas Merkwürdiges ihre Aufmerksamkeit erregte.

      Der silbrige Strahl fiel auf etwas Rundes, glattes das weiß glänzte. Emilia kam näher und nahm das merkwürdige Glänzen in Augenschein. Ihre Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit und die Konturen des Gegenstandes kamen klarer hervor.

      Es war ein Totenschädel; besser gesagt ein ganzes Skelett, das aus der Wand hing. Es war ein kleines Skelet. Vielleicht das eines Kindes.

      Anstatt zu Tode zu erschrecken und instinktiv