Elle West

Die Glocke


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sie und blickte ihn durch die Scheibe bittend an.

      Nicolo zögerte einen Moment. Dann öffnete er die Tür und reichte ihr seine gerade neu angefangene Zigarette, ehe er sich selbst eine neue ansteckte.

      „Danke.“, sagte sie leise und sog genüsslich den Rauch ein. „Erinnerst du dich an mich?“, fragte sie ihn dann.

      Nicolos braunen Augen richteten sich auf ihre als er nickte.

      Sie lächelte leicht. Vielleicht würde es ihr helfen, wenn sie sich ihm zum Freund machen könnte. „Ich erinnere mich auch an dich.“, sagte sie. „Der hilfsbereite Retter meines Hutes.“

      Er sagte nichts, lächelte auch nicht.

      Sie hingegen lächelte noch verführerischer. „Ich hätte an diesem Abend mit dir nach Hause gehen sollen, nicht mit dem Blonden.“, sagte sie und glaubte, ihn damit sogar ein wenig verlegen zu machen. „Ich hatte nur Angst, du wärest ein Mafiosi…aber damit lag ich wohl gar nicht so falsch.“

      „Ich bin kein Mafiosi.“, sagte er entschieden. „Keiner von uns ist das.“

      Sie nickte verstehend. Immerhin keine Mafia. „Aber Priester seid ihr auch nicht. So viel steht fest.“, sagte sie und brachte ihn damit zum Lächeln. „Wie heißt du? Nico?“

      „Nicolo.“, antwortete er.

      „Mein Name ist Rachel.“, sagte sie und hielt ihm die Hand entgegen.

      Er ergriff sie nicht, nickte nur kurz.

      Sie nickte ebenfalls und zog ihre Hand wieder zurück. „Glaubst du, wenn ich diese Sache hier überlebe, dass du dann mal mit mir ausgehen würdest, Nicolo?“

      Er lächelte. „Nein, glaub’ ich nicht.“, sagte er und schloss die Autotür wieder.

      Mason suchte und fand einen Hintereingang. Ryan und Riley Young hatten den russischen Schnapsbrenner so lange gefoltert, bis der ihnen verraten hatte, wo er und sein Freund Fin arbeiteten. Die Russen waren zäh und stur, sodass Mason nicht ausschließen konnte, dass Rhys Kowalskij an den Folgen der Folter sterben würde. Und die geschwätzige Rachel hatte ihm, ganz ohne Folter, bereitwillig verraten, dass ihre Schwester in der Fabrik als Schneiderin arbeitete und als er sich über die Textilfabrik erkundigt hatte, hatte er herausgefunden, dass der Eigentümer ein Miles Jenkins war, Kian Jenkins Vater. Also war er davon ausgegangen, dass es einen geheimen Teil innerhalb der Fabrik geben musste. Die Hintertür, die so dicht an einer Mauer zu irgendeinem Hinterhof gelegen war, dass man sie kaum ganz öffnen konnte, war nicht einmal abgeschlossen. Mason trat einfach ein und stand in einem unbeleuchteten Lagerraum. Er nahm sich ein wenig Zeit, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, dann sah er den Lichtkegel unter einer schweren Metalltür.

      Mason holte seine Pistole hervor und ging auf die Tür zu. Er öffnete sie beinahe geräuschlos und trat ein. Er stand im hinteren Teil der Fabrik. Um ihn herum standen Holzfässer, Bottiche, Säcke, die Gerste enthielten, Kanister mit Wasser und hinter den großen Fässern erkannte er die Destillationsgeräte. Vorsichtig trat er an den mannsgroßen Bottichen vorbei und stand im Mittelgang. Er konnte Finlay Bates sofort sehen. Fin war ein großer, athletischer Mann, mit einer ähnlich eindrucksvollen Statur wie Mason. Er hatte volles, schwarzes Haar, was ihm bis zu den Ohren reichte und wild durcheinander lag und trug einen dunklen Dreitagebart. Sein breites Kreuz zeichnete sich unter dem Pullover deutlich ab, als er ungeduldig hin und her ging, als warte er auf etwas…oder jemanden. Mason schätzte ihn vom Alter etwas jünger als sich selbst ein, vielleicht Ende 20, Anfang 30.

      Als er Schritte hörte, drehte er sich um. „Endlich! Ich dach…Wer sind Sie?“, unterbrach er sich selbst, als er erkannte, dass es ein Fremder war, der vor ihm stand.

      Mason ging weiterhin langsam auf ihn zu. „Ich bin der Boss, denke ich.“, antwortete er, sicher, dass sowohl Rhys Kowalskij, als auch Kian Jenkins ihn stets so genannt hatten.

      Fin blieb stehen, musterte seinen Gegenüber abschätzend. „Was wollen Sie?“

      „Verhandeln.“, antwortete Mason und blieb ein paar Schritte vor ihm stehen. Er versteckte seine Waffe nicht, doch er erkannte, dass es mehr brauchte, um diesen Mann einzuschüchtern. Vermutlich war auch er ein Soldat gewesen, mit Sicherheit aber kam er ebenfalls aus einem gefährlichen Viertel von New York. Die Menschen, die hier überlebten, sich hier täglich durchschlagen konnten, waren nicht leicht einzuschüchtern, denn sie hatten keine Ängste, dafür umso mehr Stolz.

      „Ich verhandle nicht mit Kriminellen.“, erwiderte Fin und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn Sie mich erschießen wollen, stellen Sie sich hinten an.“

      Mason lachte lautlos. „Ich will Sie nicht erschießen.“, erwiderte er und blickte von seiner Waffe in die blauen Augen des Mannes. „Aber ich tu’s, wenn ich muss.“

      Fin nickte ruhig. „Hab’ ich mir gedacht.“

      „Ich schlage vor, Sie hören auf, in mir den Feind zu sehen. Das würde uns beiden das Leben erleichtern.“

      „Haben Sie Kian Jenkins umgebracht?“, wollte er wissen.

      „Nein.“, antwortete Mason ehrlich. „Wäre dieser Schwachkopf noch am Leben, hätte ich nicht her kommen müssen.“

      „Dann sind Sie also kein Mafiosi?“, fragte Fin misstrauisch.

      Mason schnalzte verneinend mit der Zunge. „Ich bin kein Mafiosi, nur ein kleiner Gangsterboss, der sein Eigentum schützen will.“

      „Und Sie denken, ich wäre Ihr Eigentum?“, fragte er und lachte dann freudlos. „Da haben Sie sich geschnitten, Mann.“

      „Ich will, dass Sie weiterhin Schnaps für mich brennen. Sie können machen, was zur Hölle Sie wollen, solange Sie mir nicht an den Karren pissen, Fin.“, sagte er entschieden.

      Fin musterte ihn erneut. „Na schön…Sie wirken auf mich nicht wie der typische, dümmliche Gangsterboss. Was mich zu der Frage bringt, wie Sie wohl durchsetzen wollen, was Sie verlangen?“

      Mason zuckte die Schultern. „Ich habe zwei Frauen, die beide behaupten, Sie zu lieben.“, sagte er und erkannte in Fins blauen Augen zum ersten Mal ein Anzeichen von Angst. „Wenn es nach mir geht, würde ich keine von ihnen umbringen…aber das hängt natürlich auch von Ihnen ab.“

      „Sie bluffen.“

      Mason trat dichter an ihn heran. „Sehen Sie mich an, Fin. Glauben Sie wirklich, dass ich lüge?“ Er hatte Logan vorher bei Kate Dearings Wohnung abgesetzt, damit dieser Fins Freundin im Auge behielt. Zwar hatte er ihm nicht gesagt, er solle ihr Gewalt antun, allerdings war Riley Young bereits vor ihm dort gewesen. Mason wusste, dass Riley leichter zu reizen war als Logan, aber auch Riley würde sie niemals umbringen, wenn er nicht direkte Anweisung dazu erhielt.

      Fin sah ihn an. Einige Sekunden lang. Schließlich stöhnte er wütend auf. „In Ordnung.“, gab er nach. „Lassen Sie die Frauen gehen. Und auch Rhys, den Sie wahrscheinlich ebenfalls haben.“

      Mason nickte leicht. „Der Russe interessiert mich nicht, ist nicht gerade clever.“, sagte er und verschwieg, dass er nicht einmal sicher sagen konnte, ob der Mann überlebte.

      „Er ist mein Freund.“

      „Ein Freund, der Sie verraten hat.“, erinnerte Mason ihn. Er konnte sehen, dass diese Vorstellung Fin nicht gefiel. Er konnte sehen, dass ihn der Verrat verletzte. Dennoch schien es ihn nicht zu brechen und er sah ebenfalls nicht danach aus, als wolle er sich dafür an dem Russen rächen. „Wie auch immer.“, fuhr er also fort. „Sie kommen mit mir nach New Orleans und werden dort weiterhin Ihre Arbeit machen. Sie beliefern mich, ausschließlich mich. Und niemand hat ein Problem.“

      „Wenn ich mit Ihnen komme…dann lassen Sie Kate und Rachel in Ruhe?“

      „Wie könnte ich dann sicher sein, dass Sie machen, was ich von Ihnen verlange?“

      Fin atmete schwerer, versuchte aber, seine Sorge zu überspielen. „Also dann…Was ist Ihr Plan um dieses Problem zu lösen?“

      Mason