Z. Bär

Ina


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die ihr begegnete und wartete. Liess die Zeit verstreichen und versuchte sich mit dem Gedanken anzufreunden in Sebiha’s Dienst zu treten. Weiterhin unter Nilia’s Dach zu leben, täglich seinem strengen Blick ausgesetzt zu sein und seiner Laune. Kilven lange Zeit nicht mehr zu sehen. Bisher hatte sie die leise Hoffnung gehabt auf demselben Schiff stationiert zu werden. Aber jetzt gab es keinen noch so kleinen Grund mehr, um noch Hoffnung zu haben. Die Zeit verstrich und Ina wusste nicht was sie damit anfangen sollte.

      Jemand setzte sich neben sie obwohl zahlreiche andere Bänke frei gewesen wären. Doch Ina verschwendete keinen Gedanken daran. Sie hatte genug andere. Nach einer Weile hob sie ihren Blick vom Boden und liess ihn über ihre Umgebung schweifen. Er endete bei der Person rechts von ihr, bei Kadir! Sie verharrte kurz bei seinem Gesicht und sah dann in die andere Richtung. Er beobachtete seine Umgebung, hatte aber wahrgenommen, dass sie ihn endlich bemerkte. „Warten sie auf jemanden Miss Ina?“ Auch wenn es abwägig war, hatte sie dennoch gehofft, dass es ein Zufall war. Dass er sie nicht erkannt hatte. „Nein. – Ich geniesse die Aussicht“, eine lächerliche Aussage. Da sie einerseits damit beschäftigt war den Boden anzustarren und andererseits die Aussicht sich auf den Eingang der U-Bahn beschränkte. Kadir nickte, blieb neben ihr sitzen und beobachtete die Passanten. Er versuchte nicht ein Gespräch mit ihr anzufangen. Ihm war klar, dass sie kein Gespräch wollte. Die Zeit verstrich und abgesehen von ihrer Schulter, tat ihr jetzt auch noch der Rücken weh. Diese Bänke waren ungemütlich. Aber Kadir. Weshalb sass er neben ihr? Was tat er hier? Was wollte er? Nein, sie wusste was er wollte. Nur hatte sie jetzt wirklich keine Lust auf Gesellschaft. Schon gar nicht auf seine. Ina änderte ihre Sitzposition. Aber es half nicht. Alles tat weh. „Sie sehen hungrig aus und ich bin es mittlerweile auch. Kommen sie“, er stand auf und streckte ihr seinen Arm hin. Ina schüttelte ihren Kopf. Sollte er gehen. Sie wollte nicht. Früher oder später würde er eine Erklärung verlangen. „Sie müssen sich nicht mit mir unterhalten. Wir werden nur etwas essen. – Kein Gespräch“, er lächelte sie freundlich an: „Sie schulden mir noch ein Essen.“ Es hatte keinen Sinn, er würde nicht aufgeben. Wieso auch, wenn sie schon alleine war. Ina stand langsam auf und legte ihren Arm vorsichtig und mit Schmerzen unter seinen. Ein zufriedenes Lächeln erfüllte sein Gesicht. Langsam und schweigend gingen sie nebeneinander durch die Strassen. Ina nahm den Weg den sie zurücklegten nicht wahr, ihre Augen lagen auf dem Boden direkt vor ihren Füssen und ihre Gedanken – Ihre Gedanken waren weit weg. Sie gelangten zu einem Haus mit Wachposten, gingen hinein, eine Treppe hoch, durch zwei oder drei Räume und wieder eine Tür hinaus, einige Stufen hinunter, dort setzte er sie auf einen der gepolsterten Zweiersessel, die in einem offenen Kreis zueinander gestellt waren. „Sie werden nicht weglaufen oder?“ Er versuchte sie etwas aufzulockern. Aber das war Zwecklos. Als Antwort erübrigte Ina einen nichts sagenden, abwesenden Blick. Kadir ging zurück ins Haus. Von ihrem Stuhl aus hatte sie die Aussicht auf einen grossen Garten, grosse Rasenfläche, viele Bäume, Büsche, Sträucher. Die Sonne stand hoch am Himmel. Nachmittag, dachte sie beiläufig. Nach einigen Minuten kam ein Bediensteter und stellte Früchte, Wasser und Wein auf den Tisch hinter ihr. Für Wein war es etwas früh. Sie fragte sich, weshalb Kadir ein solches Haus hatte. Keine Kinder, keine Frau, hatte eigene Räume auf dem Areal der Rekrutenschule und wollte wieder in den Dienst auf ein Schiff zurückkehren. Es machte keinen Sinn. Ihre Ohren vernahmen seine Schritte. Er stellte etwas auf den Tisch. Schenkte ein Glas ein, setzte sich zu ihr, wodurch es relativ eng auf dem Sessel wurde. – Relativ. Je nachdem wie sehr man die Person mochte, mit der man dort sass. Schliesslich reichte er ihr das Glas unter einem kritischen Blick. Es war ein Glas für Wasser, das bis oben mit Wein gefüllt war. Ina nahm es mit ihrer linken Hand und roch daran: „Ist es nicht zu früh für Wein?“

       „Nicht für sie“, dabei ging er zum Tisch und machte etwas. Ina nahm einen grossen Schluck und dachte nicht weiter darüber nach. Kadir setzte sich wieder zu ihr. Wieso? Es gab mehr als genug andere Sitzmöglichkeiten. Auf seine Annäherungsversuche hatte sie jetzt am wenigsten Lust. Nur wie konnte sie ihm das klar machen, ohne ihn dadurch zu beleidigen? Er drehte sich zu ihr und betrachtete ihr Gesicht, ihre Augen, ihr linkes Auge. – Er hatte es bemerkt. Sie senkte den Kopf und sah das Tuch und die Dose Salbe in seinen Händen. Obwohl sie angenommen oder besser gesagt gehofft hatte, dass es ihm nicht aufgefallen war. Ihre Haare lagen darüber und er war immer auf ihrer rechten Seite, sie hatte ständig darauf geachtet ihren Kopf nicht zu sehr in seine Richtung zu drehen. Aber es war ihm aufgefallen. Er rückte noch etwas näher zu ihr, was ihr Herz schneller schlagen liess. Was war nur mit ihr los? Sie sass verkrampft da und wünschte sich nichts mehr, als dass er so tun würde als ob nichts wäre. Schliesslich legte er seine Hand an ihr Knie und zog es in seine Richtung, dann fasste er an ihr Kinn um es hoch zu ziehen, was sie ihm verwehrte. „Ich werde sie nicht danach fragen Ina“, er wartete einige Sekunden, legte seine Hand danach wieder unter ihr Kinn und zog ihren Kopf in seine Richtung, stellte die Salbe auf ihr Bein und strich mit der rechten Hand ihre Haare aus dem Gesicht. Seine Stirn runzelte sich. Sanft zog er ihr Gesicht einwenig mehr zur Seite, nahm das Tuch ohne ihr Kinn loszulassen und tupfte es vorsichtig auf ihre Wunde. Sie zuckte zurück und verzog ihr Gesicht. Es brannte. – Desinfektionsmittel. Das hätte ihre Wunde schon viel früher benötigt, doch Ina war es zuwider, in die Küche hinunter zu gehen und sich Map zu stellen. Kadir hielt eine Sekunde inne und führte das Tuch vorsichtig auf ihr Gesicht. Sie biss sich auf die Lippe und drückte ihre Augen zusammen. Es war schmerzhaft. Nach einigen Sekunden liess er von der Wunde ab und betrachtete sie kritisch. Etwas schien ihm daran nicht zu gefallen. Er legte seine rechte Hand neben die Wunde und tastete mit seinem Daumen ringsherum. „Sie ist entzündet“, stellte er fest, seine Stimme hatte etwas Sanftmütiges an sich. Wieder ging er ins Haus. Ina nahm einen weiteren grossen Schluck Wein. Als Kadir zurückkam stellte er sich hinter sie. Er nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es auf das kleine Möbelstück an der Wand hinter sich. Legte seine Hand an ihre Stirn und zog ihren Kopf nach hinten. In seiner linken Hand hatte er ein kleines Messer. Er griff mit seiner Hand unter ihr Kinn und zog ihren Kopf an seinen Bauch. „Bereit?“ Ina wusste was sie erwartete. Es war etwas in der Wunde, wahrscheinlich ein Sandkorn vom Trainingsplatz. Mit dem Messer würde er es hinausschaben. Es war eine schmerzhafte Prozedur, vor allem da die Wunde schon einige Stunden alt war, und sich daher bereits eine dünne Kruste gebildet hatte. „Nein“, ihr war klar, dass er es trotzdem tun würde. Er drehte ihren Kopf etwas zur Seite und festigte seinen Griff an ihrem Kinn, zog ihren Kopf fester gegen seinen Bauch, sodass sie ihn nicht wegziehen konnte. Dann setzte er die Spitze des Messers an und bohrte es in ihre Wunde. Ina umklammerte die Stuhllehne, ihr Körper zuckte aber Kadir hatte ihren Kopf fest im Griff. Sie wollte schreien aber brachte ihren Mund nicht auf. Mit der Ignoranz eines seranischen Offiziers bohrte er in der Wunde herum. Ina hatte das Gefühl er würde ihr das Fleisch vom Knochen schaben. Sie griff nach seiner Hand, die ihr Kinn fest im Griff hielt. Egal wie sehr sie es versuchte, es war unmöglich sich zu befreien. Endlich war es zu Ende. Er legte das Messer weg, drückte ein Tuch auf die Wunde und entliess sie erst nach einigen Sekunden aus seinem Griff. Sie beugte sich nach vorn und drückte das Tuch auf ihr Gesicht. Ihre Schulter – Sie hatte eine falsche Bewegung gemacht. Ihre Schulter brannte wieder wie Feuer auf der nackten Haut. Was tat mehr weh? Schulter oder Gesicht? Egal. Es waren einfach nur Schmerzen. Kadir hob die Salbe auf und kniete sich vor Ina, legte die Dose auf ihr Bein und zog ihr Gesicht zu sich. Legte seine andere Hand auf ihre, die das Tuch auf die Wunde drückte. Seine Finger waren warm oder ihre eiskalt. Was auch immer. Ein Schauer durchlief ihren Körper, als er ihre Hand umschloss und das Tuch ein wenig anhob aber sofort wieder auf die Wunde drückte, weil es noch blutete. Ihre Wunden hatten die schlechte Angewohnheit länger zu bluten als jene von Seranern. Er gab etwas Druck darauf und verharrte so. Verharrte fast so. Sein Körper drückte sich zwischen ihre Beine. Ina versuchte seinem Blick auszuweichen. Braune gütige Augen, die ihre zu fesseln schienen. Wieder hob er das Tuch leicht an, dann entfernte er es, nahm die Salbe und tauchte einen Finger hinein. Seinen Daumen legte er vorsichtig unter ihr Auge und tupfte die Salbe auf. Er stand auf und legte alles auf den Tisch hinter ihr. „Was ist mit ihrem Arm?“ Er war Aufmerksam, ihm entging nichts. „Nichts Sir.“

       „Natürlich“, dabei neigte er sich über sie, legte seine Hand auf ihre Schulter: „Nichts?“ Dabei drückte er seinen Daumen gegen ihr Schulterblatt und zog ihre Schulter etwas zurück. Das reichte aus, dass ein stechender Schmerz durch sie fuhr. „Nur eine Zerrung“, ihre Stimme war vor Schmerz verzerrt. „Sicher?“ Es war eine skeptische Frage. Nichts vorwurfsvolles,