Z. Bär

Ina


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Strecke.

       Ina lief rechts am Haus entlang, kam zu der Rasenfläche die ziemlich lang war, bog links ab und passierte die Mauer vor dem Hügel die ebenso lang war, ging wieder nach links und passierte den Trainingsplatz, dann das Haus, danach die Fläche mit den Statuen, bog wieder nach links ab und passierte das Eingangstor mit den Wachen die ihren Blickkontakt mieden, ihr aber zweifellos hinterher sahen. Für diese Strecke benötigte sie ca. zwei Minuten. Die Route war keineswegs interessant und schon gar nicht abwechslungsreich. – Aber sie konnte laufen. Konnte ihre Aggression abbauen. Ina zählte die Runden die sie machte nicht. Irgendwann änderte sie die Richtung, als sie das Gefühl hatte, dass ihr schwindlig werden würde, wenn sie noch einmal nach links abbiegen musste. Einige Bedienstete wurden einer Visitation unterzogen, als Ina das Tor zum xten Mal passierte. Einige Runden später begegnete sie Map. Als sie nach dieser Runde wieder zum Trainingsplatz gelangte, stand Nilia mit zwei Stäben dort. Beim Vorbeilaufen warf er ihr einen Stab zu. Sie fing ihn und beendete ihren Lauf auf dem Platz. Stützte sich auf dem Stab ab und versuchte zur Ruhe zu kommen. Schweissperlen liefen über ihr Gesicht und sie war ausser Atem. „Wie viele Runden?“ Ina schüttelte ihren Kopf: „Nicht gezählt Sir“, sie schluckte schwer, ihre Kehle war trocken. „Wie lange?“ Und wieder schüttelte sie ihren Kopf: „Vor Sonnenaufgang.“

       Nilia sah zu dem Hügel, bei dem die Sonne erschien. Sie war bereits vollkommen erschienen. Ina ging in Position. Beide gingen einmal im Kreis ehe Nilia angriff. Ihre Stäbe trafen sich in der Mitte, er lenkte sie mit einem weiteren Stabmanöver ab und schlug dann mit seinem Bein zu, sodass sie auf dem Bauch landete. „Sebiha hat Interesse an dir.“ Ina stand auf: „Interesse Sir?“ Interesse welcher Art? Er hatte wohl kaum dasselbe Interesse an ihr wie Kadir. „Er will dich in seinen Dienst stellen.“ Ina glaubte nicht richtig gehört zu haben. Nilia griff an, sie blockte ab, es gab eine Folge von Zusammenstössen der Stäbe, ohne einen Körpertreffer. Er unterbrach seinen Angriff und nickte anerkennend. „Er meint du hättest Potential.“

       „Was für Potential?“ Bei Quendresa! Was bitte sah Sebiha in ihr? Nilia lachte: „Vollkommen egal. Solange es dich weiterbringt. – Er denkt es wäre im Militär verschwendet und bietet dir einen Posten.“ Sie gingen langsam im Kreis. „Aber sie haben andere Pläne mit mir?“ Nur, weshalb erzählte er ihr das dann überhaupt? „Ich hatte andere Pläne mit dir. In der Politik nützen mir deine Ohren mehr als auf einem Schiff.“ Er schwang seinen Stab und schlug zu. Ina wehrte ab und wieder gab es eine Reihe von Schlägen ohne Körpertreffer. Ihre Stäbe schlugen in der Mitte aufeinander und Nilia warf sie mit einem Tritt in ihren Bauch auf den Rücken. „Aber die Rekrutenschule Sir. Wofür habe ich die Rekrutenschule absolviert, wenn ich nicht in den Militärdienst eintrete?“ Nicht nur, dass diese drei Jahre verschwendet wären, sie hatte auch keine Ahnung was sie erwarten würde, wenn sie in Sebiha's Dienst treten würde. „Du wurdest reifer. Es war keine Verschwendung. Du hast dort kluge Freundschaften geschlossen.“ Damit spielte er Ilean’s und Saira’s gute Herkunft an. Ina stand mittlerweile wieder: „Sie wollen mich also in seinen Dienst stellen?“

       „Natürlich.“ Erneut ging er langsam im Kreis um Ina herum. „Sir, ich hatte mich auf den Dienst beim Militär eingestellt“, sie brachte viel Mut auf, um ihm zu widersprechen. Nilia griff an: „Dann wirst du deine Einstellung ändern!“

       „Die Politik, Sir. Was soll ich in der Politik?“

       „Zuhören und es mir berichten!“ Ohne Treffer unterbrach er seinen Angriff. „Ich würde das Militär vorziehen Sir“, überhaupt würde sie alles vorziehen, als in Sebiha's Dienst zu treten. Nilia biss sich auf die Zähne. Ina sah die Wut in seinem Gesicht. Dabei hatte sie sich bemüht es vorsichtig auszudrücken. Sie wollte auf keinen Fall in Sebiha’s Dienst. Denn das bedeutete, dass sie auf Seran bleiben würde. In diesem Haus. Nilia schlug seinen Stab an ihren. Ihre Stäbe lagen aneinander, dass er direkt vor ihr stand und sie die Wut in seinen Augen erkennen konnte. Es war dieselbe wie früher. Es hatte keinen Zweck sich ihm widersetzen zu wollen. „Sir, ich wollte…“, ihre Worte wurden unterbrochen. Nilia’s Faustschlag in ihr Gesicht warf sie auf den Boden. Er schleuderte seinen Stab weg und kniete sich neben sie. Drückte dabei ein Knie auf ihren rechten Arm, packte sie am Kragen und riss sie mit einem Ruck hoch wobei er ihr fast die Schulter auskugelte. Ihren verzweifelten Schmerzschrei ignorierte er. Sie fasste mit ihrer anderen Hand an ihre Schulter. Nilia sprach nicht laut aber die Wut seiner Stimme war unermesslich: „Du wagst es?!“

       „Nein Sir“, ihre Stimme war schmerzverzerrt. „Nein was?!“ Sein Gesicht war so dicht an ihrem, dass sie seine Schweissperlen riechen konnte. „Ich werde mich fügen“, das Sprechen fiel ihr schwer. Sie wollte vor Schmerzen schreien. Aber das hätte es nur noch schlimmer gemacht. Er blickte in ihre Augen, dann zog er sie noch ein Stück höher. Ihr Arm, sie dachte er würde ihn ausreissen. „Wage es nie wieder mir zu widersprechen“, dann liess er sie fallen und stand auf, legte seinen Stab zu den anderen Waffen und marschierte ins Haus. Ina blieb auf dem Trainingsplatz liegen, konnte ihren Arm nicht mehr bewegen. Unter Schmerzen drehte sie sich auf den Bauch und kniete sich hin. Umklammerte ihre rechte Schulter, fasste dann an ihr linkes Auge, das Nilia’s Schlag erhielt. Es war nass. – Blut. An ihrem Stab kämpfte sie sich auf die Beine. Tränen liefen über ihr Gesicht. Sie wischte sie weg und umklammerte wieder ihre Schulter. „Guten Morgen“, Kilven legte seinen Arm um sie und lachte sie an, bis er ihr Gesicht sah. Bis er ihre Tränen, ihr Auge und das Blut sah und realisierte, dass sie Schmerzen hatte. Er erstarrte. Ina drückte den Stab an seinen Körper und lief auf das Haus zu. Erneut wischte sie die Tränen aus dem Gesicht und hielt danach wieder ihren Arm fest, der bei jedem Schritt schmerzte. Als sie Kilven's Schritte hinter sich hörte, hatte sie das Haus schon fast erreicht. „Ina!“ Er fasste sie an der linken Schulter, sie streifte seine Hand ab und ging weiter. „Warte!“ Nun packte er ihren Arm. „Sprich nicht mit mir! Fass mich nicht an! Und sieh mich nicht an!“ Dabei schüttelte sie seine Hand ab, dass er perplex dort stehen blieb. Ina ging so schnell sie konnte in ihr Zimmer und verriegelte die Tür. Setzte sich vor den Spiegel und betrachtete ihr Spiegelbild. Sie hatte das Blut in ihrem Gesicht verschmiert. Mit einem Tuch tupfte sie die Wunde ab. Es blutete stark und die Schmerzen! „Ina.“ Kilven stand vor der Tür. Aber sie wollte ihn nicht sehen. Nicht jetzt. „Ina, lass mich rein. – Bitte.“ Durch den Spiegel betrachtete sie die Tür. Nicht im Geringsten konnte sie in Versuchung kommen diese Tür jetzt zu öffnen. Auch nicht das geringste Interesse Kilven zu Antworten war vorhanden. Sie tauchte das Tuch in ein Glas Wasser und drückte es wieder auf die Wunde die noch blutete, stand auf und legte sich auf das Bett. „Ina“, Kilven stand immer noch vor der Tür. „Ina. – Ich werde warten. Du kannst dich nicht den ganzen Tag einsperren.“ Und ob sie konnte! Er hatte ja keine Ahnung wie oft sie das schon getan hatte! Geduldig lag sie auf ihrem Bett und wartete darauf, dass es endlich aufhörte zu bluten. Doch immer wenn sie das Tuch anhob, floss das Blut über ihre Schläfe. Kilven klopfte noch einige Male an ihre Tür, ehe es ganz Still wurde. Unter Schmerzen zog Ina das Hemd aus. Sie liess ihre Kleider auf den Boden fallen und betrachtete ihre Schulter im Spiegel, dabei bewegte sie sie vorsichtig. Es schien nur eine Zerrung zu sein. – Nur! Und nur mit grossem Zeitaufwand schaffte sie es sich anzukleiden. Vor dem Spiegel sah sie sich ihr Auge an, zog sich das Band aus den Haaren und strich sich einige Strähnen neben das Auge, sodass man die verhältnismässig kleine Platzwunde kaum wahrnahm. An der Tür lauschte sie. War Kilven noch da? Um diese Zeit wurde gefrühstückt und sie hörte ihn nicht. Ein tiefer Atemzug und Hoffung. Hoffentlich war er weg. Sie öffnete die Tür und wartete. Nichts tat sich. Also machte sie einen Schritt hinaus. Niemand war dort. So leise sie konnte ging sie durch das Haus zum Ausgang. Raus! Einfach nur weg! Ohne jemandem zu begegnen kam sie zum Ausgangstor. Dort wurde eine Eskorte abkommandiert und sie konnte weitergehen. Mit einer Eskorte! Nilia wusste also jederzeit wo sie war! Sie ging zu der U-Bahn, passierte die Schranke sodass einige Personen zwischen ihr und ihrem Wachposten waren, eilte die Treppe hinunter und erwischte gerade eine High-Speed-Bahn. Die Türen schlossen sich und Ina sah wie ihr Verfolger die Treppe hinunter rannte und nur noch an die Tür der Bahn schlagen konnte. Ihr ganzer Körper zuckte kurz, dann setzte sie sich hin und blieb einige Stationen in der Bahn sitzen. Ein Ziel hatte sie nicht. Einfach nur weg. Einfach nur alleine sein. Irgendwo stieg sie aus. Beeilte sich um in den Fahrstuhl zu gelangen, denn ihr Wachposten nahm mit Sicherheit die nächste Bahn, die dreissig Sekunden darauf folgte. Er brauchte also nur am Fenster zu stehen und sie zu suchen.