Z. Bär

Ina


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selbstzufrieden fest. Ina lächelte ihn an: „Immerhin ist meine Schwäche behandelbar.“ Er hob seine Hand leicht an: „Also, spielen sie mit Kadir?“ Eine direkte Frage die eine direkte Antwort erlaubte: „Ob ich mit ihm spiele oder nicht, geht sie nichts an Sir.“

       „Seine Laune hat sich jedenfalls verbessert.“ Ina war über diese Tatsache erfreut. Aber sie hatte nicht vor es Sebiha merken zu lassen. Nach einer Weile, als Sebiha es aufgab auf eine Reaktion von ihr zu warten forderte er sie auf: „Erzählen sie mir etwas über sich.“ Sie sah in sein Gesicht. Was für einen Grund hatte er, das von ihr zu verlangen? „Sie wollen, dass ich ihnen behilflich bin?“ Er runzelte seine Stirn. Sebiha wusste nicht was sie meinte, also präzisierte sie ihre Aussage: „Ich soll ihnen helfen mich in eine Kiste zu meinesgleichen zu stecken.“ Sebiha lächelte sie freundlich an: „Nein, das war nicht meine Absicht. Ich will nur verhindern erneut in ein Gespräch mit Tirken verwickelt zu werden. – Er ist ein unglaublich schlechter Gesprächspartner und er ist nicht einmal im Besitz von Geheimnissen die er ausplaudern könnte. – Sie können mir auch erzählen worüber sie und Ilean sich solange unterhalten haben. Hauptsache wir sehen beschäftigt aus.“ Was er sagte klang ehrlich und offen. Zu offen für einen Botschafter? „Ich und Ilean haben Geheimnisse ausgetauscht, Botschafter Sebiha“, ihre Stimme hatte einen Klang, der ihm klar machte, dass sie nicht näher darauf eingehen würde.

      „Sie sind skeptisch und vermuten hinter allem was ich sage oder frage eine Falle. – Wieso?“ Ina wandte ihren Blick von ihm ab und beobachtete den Kampf zwischen Nilia und Kadir, die sich ebenbürtig waren: „Sie geben mir Grund dafür, Sir. Ich traue ihnen nicht.“ Sebiha rutschte auf seinem Stuhl zu Recht: „Aber ihren Freunden vertrauen sie?“ Ina fühlte seinen eindringlichen Blick, ignorierte ihn aber: „Ja Sir. Jedem auf seine Weise.“ Nun legte er die Hand an seinen Mund, wie Ina im Augenwinkel erkannte. Er wurde interessierter. „Es würde wohl keinen Sinn machen sie zu fragen wem sie welche Art von Vertrauen entgegen bringen“, dabei erwartete er nicht einmal eine Antwort. „Was muss man tun, um irgendeine Art von Vertrauen von ihnen zu erhalten?“

       „Dafür müsste man die letzten drei Jahre neben mir durch den Dreck gekrochen sein. Nachts mit mir zusammen gefroren und morgens dieselben Rückenschmerzen gehabt haben. Man müsste dieselben unfairen Kämpfe geführt und dieselben schmerzhaften Verletzungen davongetragen haben. Man müsste sich so sehr aufgeopfert haben, dass man kaum noch stehen konnte und doch noch die Energie aufgebracht haben mir etwas Aufmunterndes zu sagen. – Dafür Sir, würde jemand vielleicht ein Minimum an Vertrauen von mir erhalten. Mehr Vertrauen müsste man sich hart erarbeiten.“

       „Was müsste ich tun, um ihr Vertrauen zu erlangen Miss Ina?“ Fragte Sebiha neugierig. „Sie sind Botschafter“, das konnte er auffassen wie er wollte. Als Beleidigung oder als Kompliment. Jedenfalls gab es keinen vernünftigen Grund ihm zu vertrauen. Nicht für Ina. Sebiha schmunzelte: „Ihre Art gefällt mir.“ Es wurde applaudiert. Nilia und Kadir hatten ihren Kampf beendet. Ina wusste nicht wer gewonnen hatte, sie war zu sehr auf das Gespräch mit Sebiha fixiert. Kadir ging zu ihnen und wollte sich auf den freien Stuhl neben Ina setzten, aber sie stand auf: „Bitte Sir, sie können wieder ihren Stuhl beziehen. – Ich habe nicht vor, Botschafter Sebiha länger mit meiner Anwesenheit zu belästigen“, sie ging ehe Sebiha darauf reagieren konnte. Da Ilean der einzige war, der Momentan keinen Gesprächspartner hatte, setzte sie sich zu ihm. „Und Kleines?“ Sie winkte ab. „Keine Lust zu reden?“ Ein Kopfschütteln war die einzige Antwort, die er erhielt. Sie schwiegen einander an und liessen so die Zeit verstreichen. Nacheinander verabschiedeten sich Tirken, über dessen entfernen niemand traurig war, Vigo, Davut und Saira. Die Sonne verschwand langsam hinter dem Hügel und tauchte den Himmel in ein tiefes Rot. – Eine Wohltat für Ina’s Augen. Kilven, der ein langes Gespräch mit Galal führte, entfernte sich von ihm und ging zu den Waffen, er nahm zwei Stäbe und kam damit zu Ina. „Siehst du genug zum kämpfen?“ Sie nahm seine Herausforderung lächelnd an, zog ihre Kette aus und legte sie in Ileans Hand, nahm Kilven einen Stab ab und lief neben ihm auf den Platz. Sie gingen im Kreis, ehe Kilven den ersten Angriff startete und nicht mehr aufhörte sie zu attackieren. Ina war eine Zeitlang damit beschäftigt seine Angriffe abzuwehren, bis sie die Möglichkeit bekam ihren Stab auf den Boden zu stemmen, sich darauf abzustützen und Kilven durch einen tritt mit ihren Füssen in seinen Magen auf den Rücken warf. Er stand schnell auf und ging wieder in Position. Nachdem sie einmal im Kreis gingen, griff er an. Es gab eine lange Folge von Schlägen, Angriffen, Verteidigungen und einigen leichten Treffern. Sie waren sich ebenbürtig. Beide kannten die Stärken und Schwächen des anderen, diese Tatsache zog den Kampf in die Länge. Ihre Ausdauer und Kondition wurde gefordert. Letztendlich verlor Ina knapp. Aber sie hätte den Kampf ebenso gut gewinnen können. Ilean erhob sich, um sich von ihnen zu verabschieden: „Wir treffen uns morgen Abend in der Stadt, um unseren Abschluss zu feiern. Im Kamina. Ihr werdet da sein oder?“ Er legte Ina die Kette in die Hand und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Werden wir“, antwortete Kilven. Ilean ging zu den übrig gebliebenen Offizieren und verabschiedete sich. Arton nutzte die Gelegenheit ebenfalls zum gehen.

      Ina und Kilven sassen einige Minuten schweigend nebeneinander. „Was hast du geträumt?“ Ina nahm sich Zeit um auf seine Frage zu antworten. Sie betrachtete den Hügel hinter der Mauer und versuchte einen gleichgültigen Eindruck zu machen: „Ich kann mich nicht erinnern“, es war die Wahrheit, sie konnte sich nicht erinnern aber sie konnte sich vorstellen was es war. „Du kannst es mir erzählen Ina“, er legte seine Hand auf ihre und umklammerte sie. „Ich weiss. – Aber ich erinnere mich nicht.“

       „Es war gleich wie früher. Die ersten Monate auf der Rekrutenschule. – du hast geschrieen, du hattest Angst. – Du weißt was du geträumt hast.“ Ina hielt ihren Blick bei dem Hügel. „Dir fehlt das Vertrauen es mir zu erzählen“, Kilven's Enttäuschung war nicht zu überhören. Aber sie konnte nicht mit ihm darüber reden. Nicht mit Kilven. „Das hat nichts mit Vertrauen zu tun Kilven. Gar nichts. Ich vertraue dir mehr als jedem anderen.“

       „Dann sag mir was dich quält.“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Ich möchte dir helfen“, seine Stimme war erdrückend. „Es gibt Dinge, bei denen niemand helfen kann. Dinge die besser unausgesprochen bleiben.“ Ina bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen. Hoffte, dass er das leichte Zittern ihrer Stimme nicht hörte. „Aber mit Ilean sprichst du darüber?!“ Ein Hauch von Wut ertönte. „Nein. Nicht alle tragen ihre Angelegenheiten zu Ilean. – Es ist meine Sache und es bleibt meine Sache“, sie blieb ruhig. Jetzt hatte sie ihn angelogen. Eine Notlüge. Er sah sie enttäuscht an: „Es sollte nichts geben das sich zwischen uns stellt. Hast du das schon vergessen?“

       „Es ist nichts Kilven.“

       „Doch. Ich sehe, dass es dich quält. Es ist ein Problem. – Du stellst es zwischen uns!“ Wut und Enttäuschung lagen in diesem Augenblick nahe zusammen. „Nein! Du stellst es zwischen uns Kilven! Lass es einfach!“

       „Freunde sind da um mit ihnen über diese Dinge zu reden“, er gab nicht auf. Sie bemühte sich um ihre Beherrschung: „Und Freunde respektieren es, wenn man nicht darüber sprechen will!“ Etwas Merkwürdiges spiegelte sich in seinem Gesicht: „Vertrauen“, seine Stimme hatte ihren wütenden Klang verloren. Bitterkeit hatte diesen Platz eingenommen, Enttäuschung. Er stand auf und ging zu Nilia und Galal, die sich offenbar gut mit Sebiha unterhielten. Ina verstand seine Reaktion nicht. Sie wollte nicht mit ihm darüber reden. Diese Träume hatte sie früher jede Nacht, dann auf der Rekrutenschule wurden sie seltener und nach dem ersten oder zweiten Jahr hörten sie ganz auf. Damals sprach sie auch nie mit Kilven darüber. Er respektierte ihre Entscheidung. Weshalb tat er es jetzt nicht mehr? Weshalb machte er es jetzt zu einer Vertrauensfrage? Zu einem Problem! Zu etwas das sich zwischen sie stellte. Sie konnte nicht mit ihm darüber reden. Es würde alles verändern. Sie wusste noch zu gut, wie es Ilean's Verhalten ihr gegenüber verändert hatte. Dasselbe wollte sie nicht bei Kilven bewirken. Ina lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, spielte mit der Kette in ihrer Hand, schloss ihre Augen und genoss die sanfte Brise, die über ihr Gesicht zog. Hin und wieder wirbelte es eine Haarsträhne in ihr Gesicht. Sie genoss die Ruhe, sich mit niemandem unterhalten zu müssen. Nicht darauf zu achten, was man sagte, welche Gesten man machte, was man mit seiner Mimik ausdrückte. Einfach da zu sein. Und Kilven. Bis zum nächsten Tag würde er es überwunden haben.