J.P. Conrad

totreich


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von seinem selbst verdienten Geld einem verarmten Lord abgekauft hatte, war wirklich eine Augenweide. Es wirkte als Behausung für einen einzelnen Mann vielleicht etwas protzig mit den Steinsäulen vor dem Treppenaufgang, den mit schwerem Efeu bewachsenen, bräunlich-grau schimmernden Wänden und den Bogenfenstern in den kleinen Seitenflügeln links und rechts. Aber wenn man es sich leisten konnte, warum nicht? Jack hätte sich auch nicht zweimal bitten lassen.

      Auf der obersten Stufe der breiten Treppe sah er aus der Ferne eine Person stehen, die ihm zuwinkte. Es war Byron. Direkt unterhalb des Aufgangs brachte Jack seinen Wagen zum Stehen und stieg aus. Sein Freund nahm flink die letzten Stufen und kam direkt auf ihn zu.

      »Was ist denn das?« fragte er amüsiert und nickte in Richtung des Mustangs. Die Hände hatte er in den Hosentaschen vergraben. »Das letzte Mal hattest du doch noch diesen Geländewagen.«

      Jack verzichtete ebenfalls drauf, zunächst »Hallo« zu sagen und antwortete stattdessen: »Mit der Karre hab’ ich doch immer nur Probleme gehabt. Und dann tauchte plötzlich dieses Schmuckstück im Netz auf. War ein Wink des Schicksals. Ist zwar ein Linkslenker, aber man gewöhnt sich an alles.«

      Byron nickte anerkennend und schritt begutachtend um den Wagen herum. »Baujahr fünfundsechzig, oder?«

      »Vierundsechzig.«

      »Kompliment, du hast einen guten Geschmack. Wenigstens, wenn es um Autos geht.«

      Jack ignorierte diese kleine Spitze, denn er wusste genau, dass Byron auf seinen eher schlampigen Look anspielte. Aber warum sollte er sich, wie sein Freund, immer in einen unbequemen Anzug zwängen? In seinem Job benötigte er äußerst selten einen und das war ihm auch sehr recht.

      »Hallo, alter Junge«, sagte Byron nun freudig und eine feste, maskuline Umarmung folgte. Dann packte er seinen Gast am Arm und schob ihn sanft die Treppe hinauf ins Haus. »Jetzt trinken wir aber erst mal einen, was?«

      Jack nickte. »Hätte ich nichts dagegen. Ist ja auch immer eine elende Fahrerei, bis man bei dir ist.«

      »Jaja, hast du dich mal wieder aufgerafft, alter Mann.« Loughton lag gerade einmal 14 Meilen von Sawbridgeworth entfernt. »Wie lange warst du jetzt schon nicht mehr hier?«

      »Sieben Monate.«

      Die beiden Männer durchschritten die Eingangshalle und betraten den Salon mit den großen Fenstern, durch die man in den sorgsam gepflegten Park sehen konnte, und mit dem großen Kamin aus schwarzem Marmor. Byron ging direkt zur Bar und bereitete die Drinks vor.

      »Sieben Monate. Kommt mir länger vor.«

      Jack trat an die Theke und verschränkte die Arme darauf. »Ich glaube, das liegt daran, dass du ständig woanders bist. So ab und an versuche ich ja, dich mal an den Apparat zu kriegen. Da heißt es dann immer: Er ist in Tokio; oder in Paris; oder in New York. Wenn ich immer vom einen Ende der Welt zum anderen jetteten würde, wüsste ich bestimmt auch bald nicht mehr, wann Weihnachten und wann Ostern ist.«

      Byron rang sich schwerfällig ein Grinsen ab. »Die letzten Monate waren auch wirklich ziemlich hart. Es kriselt hier und da etwas in meinem Imperium.«

      Jack schüttelte innerlich den Kopf. Da stand er einem Mann gegenüber, seinem besten Freund, der gerade zwei Drinks eingoss und der gleichzeitig, wie beiläufig, von ›seinem Imperium‹ sprach. Es wirkte einfach absurd.

      »Die Probleme kenn ich«, entgegnete Jack trocken »ist bei mir genau das gleiche.«

      Byron sah ihn an und sofort begannen beide zu lachen.

      »Klar, ich meine, da sind mein Job, Grace, die Wohnung, der Mustang und – nicht zu vergessen – ein Schwiegervater in spe. Das kann einen auch ganz schön fordern.«

      Byron reichte Jack seinen Scotch. »Apropos, habt ihr beiden denn schon übers Heiraten gesprochen? Grace und du, meine ich.«

      »Mehr als einmal.«

      Es schien für Byron ein interessantes Thema zu sein, denn er hakte weiter nach. »Und? Will sie nicht oder willst du nicht?«

      Jack setzte zum Trinken an, hielt aber inne und überlegte kurz.

      »Ich würde sagen, wir haben beide Vorbehalte. Ich bin ja bereits vorbelastet und wie du weißt, war meine Scheidung nicht gerade ein Vergnügen.«

      »Von der Ehe ganz zu schweigen«, fügte Byron mit einem Augenzwinkern bestätigend hinzu.

      »Und Grace ist heiraten noch nicht so wichtig. Sie meint, sie fühle sich dann alt.«

      »Neben dir kann sie doch immer nur jung aussehen«, entgegnete Byron amüsiert. Dann wich das Lachen aus seinem Gesicht. »Aber macht es einfach. Sonst endest du noch wie ich.«

      »Verzeihung.«

      Die beiden Männer fuhren herum. Im Eingang stand Martha, die gute Seele des Hauses Moore. Sie hielt ein Tablett mit Gurkensandwichs vor sich.

      »Aaah!« Byron strahlte plötzlich bis über beide Ohren und trat hinter der Bar hervor auf seine Haushälterin zu. »Vielen Dank, liebste Martha. Das wird unserem Freund bestimmt gefallen.« Er nahm ihr das Tablett ab und stellte es auf den großen Glastisch inmitten der Sitzgruppe.

      »Guten Tag, Mister Calhey. Es freut mich, Sie wieder einmal bei uns zu sehen. Wie geht es Ihnen?«

      »Sehr gut, Martha. Vielen Dank. Und mit einem ihrer berühmten Sandwichs wird es mir gleich noch viel besser gehen.« Er schnappte sich eines der dreieckigen belegten Brote, während er sich schwungvoll auf die Couch sinken ließ. Mit seinem Whiskey prostete er ihr stumm zu. Und so leise, wie sie gekommen war, zog die Haushälterin die Türflügel hinter sich zu und war wieder verschwunden.

      »Ich gebe zu«, sagte Jack, während er noch den ersten Bissen des Sandwichs kaute und das Brot zwischen den Fingern drehte. »dass diese Dinger der wahre Grund sind, warum ich überhaupt immer wieder zu dir in die Pampa fahre.«

      Byron hatte inzwischen in seinem Sessel gegenüber dem Kamin Platz genommen. »Das weiß ich doch. Aber du kennst auch die Gegenleistung, die du dafür erbringen musst. Lass uns quatschen.«

      Jack nickte und schob sich bereits den letzten Zipfel des Gurkensandwichs in den Mund. Natürlich würde er sich mit Byron unterhalten. Der einsame Millionär, der zwar viele Feinde und Neider, aber eben keine echten Freunde hatte, außer Jack, sehnte sich geradezu nach diesen gelegentlichen, von keinerlei gesellschaftlichen oder politischen Zwängen geprägten Unterhaltungen. Und Jack wusste das genau. Mehr als einmal hatte er sich dabei ertappt, sich in der Rolle eines Psychiaters zu sehen, der einfach nur zuhörte, aber gerade damit besonders gut einen Schmerz heilen konnte. Der Schmerz der Einsamkeit musste sehr wehtun.

      Doch diesmal war es anders. Jack hatte Byron genau aus den Augenwinkeln beobachtet und dem Ton seiner Stimme gelauscht. Etwas an seinem Freund hatte sich verändert. Er konnte nur nicht genau ausmachen, was es war. Aber er war ja auch erst seit zwanzig Minuten dort. Vielleicht würde er im Laufe des Abends noch dahinter kommen.

      »Also, Junge, jetzt erzähl mal. Was gibt’s Neues beim Loughton Courier?« Byron schlug die Beine übereinander und machte es sich offensichtlich für eine längere Abhandlung Jacks über das aufregende Leben in dem kleinen Zeitungsverlag gemütlich. Natürlich gab es da nicht wirklich viel zu erzählen.

      »Tja, was gibt’s Neues?« wiederholte Jack und schaute kurz zur Decke. »Wir haben seit letztem Herbst einen neuen Verlagschef. Newton Starling. Ein richtiger Sklaventreiber.«

      »Heißt das, dass du jetzt zum ersten Mal in Deinem Leben richtig arbeiten musst?« Sie lachten. »Was ist denn aus dem alten geworden? Wie hieß er noch? Bowers?«

      »Bowlers. Henry Bowlers«, korrigierte ihn Jack und griff nach einem weiteren Sandwich. »Hat von heute auf morgen aufgehört.«

      Byron zog verwundert eine Augenbraue nach oben. »Oh, besserer Job?«

      »Er ist gestorben. Herzinfarkt.« Ihr Gelächter hallte in den hohen Mauern des Salons.

      »Ich hab’s doch gewusst. Das hektische