Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayrischen Lande


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Macarius, ein Mönch aus dem Schottenkloster zu Regensburg,

       nachmals Abt des Schottenklosters St.

       Jakob in Würzburg, war nicht sobald zu Würzburg

       angekommen, als der Ruf seiner Heiligkeit sich verbreitete.

       Eines Tages kam er in Geschäften zu dem

       Bischof Embrico, welcher ihn gar freundlich empfing

       und befahl, nach Landes Gebrauch mit einem guten

       Trunke Wein zu bewillkommnen. Macarius, fest entschlossen,

       bei seiner strengen Lebensart und Abbruch

       von Wein zu verharren, entschuldigte sich ehrfürchtig

       mit diesen Worten: Mein Vater! ich trinke keinen

       Wein. Der Bischof versetzte: ich befehle dir aus heiligem

       Gehorsam, bitte dich auch, daß du zu Ehren des

       heil. Martyrers Kilian mit mir etwas Weniges von diesem

       Wein verkostest.

       Also stund Macarius zwischen zweien Tugenden,

       des Gehorsams und des Abbruchs, zweifelhaft, welcher

       von beiden er folgen sollte. Und siehe, er nimmt

       den eingeschenkten Becher und verkostet etwas Weniges.

       Alsdann redet er den Bischof an: Hochwürdiger

       Vater! ihr werdet aus gleicher Lieb euch gefallen lassen,

       mir aus diesem Becher Bescheid zu thun. Embri-

       co nimmt solchen von dem Abte, verkostet denselben,

       und da er merkt, daß es Wasser, verwundert er sich

       über die Maßen, ruft seinen Mundschenk mit dem

       Verweis, warum er dem Abte Macarius Wasser eingeschenkt,

       da er doch befohlen, ihm von dem guten Kiliani-

       Wein zuzubringen. Der Mundschenk betheuerte

       gar sehr, daß er von dem besten Weine im ganzen bischöflichen

       Keller herbeigebracht habe. Hierauf hat

       der Bischof selbst allen Anwesenden den Becher

       herum getragen und jedem das aus Wein gewordene

       Wasser zu verkosten gegeben. Alsbald wurde das

       Wunder in der Stadt bekannt, zu Jedermanns Erstaunen,

       so daß darob die Glocken geläutet, auch Macarius

       als ein frommer Diener Gottes von dem Bischof,

       Hohen und Niedern durch das ganze Land geehrt und

       gepriesen worden1.

       Fußnoten

       1 Vgl. die Legende von M e c h t i l d i s zu D i e s -

       s e n in Z i m m e r m a n n s geistl. Kal. I., 138.

       248. Das Grab im neuen Münster zu Würzburg.

       Von A u g u s t S t ö b e r .

       Im Lorenzgarten liegt ein Stein

       An einer kühlen Stelle,

       Da schwirren die Vöglein aus und ein,

       Und pfeifen und singen helle.

       Es ist ein alter Leichenstein

       Von Trauerweiden beschattet,

       Darunter liegt im engen Schrein

       Ein Sängerherz bestattet.

       Die Vöglein waren seine Lust,

       Es hörte gern ihr Singen,

       Und hüpfte selber in der Brust,

       Wie muntre Vöglein springen.

       Der Sänger lauschte mit Acht und Müh,

       Der Lerche Ton zu lernen:

       Auch schallt sein Lied wie morgenfrüh

       Aus himmelblauen Fernen.

       Er lernte von der Nachtigall

       Das innigliche Kosen:

       Drum singt er oft mit süßem Schall

       Von Minnelust und Rosen.

       Auch liebt er, wie die Vögelein,

       Ein Wanderleben zu führen,

       Und Gärten und Felder aus und ein

       Die Flügel frisch zu rühren.

       So streift er über den Wiesengrund

       Und über die Bergesgipfel,

       Bis er ein warmes Nestchen fand

       Auf einem stolzen Wipfel.

       An Vögel mahnt des Sängers Nam',

       Ein Vöglein saß im Schilde,

       Und als er nun zu sterben kam,

       Bedacht' er sie gar milde.

       »Vier Löcher höhlt in meinen Stein,

       Und senkt darein vier Tröglein,

       Und schüttet Wasser und Körner ein

       Für meine lieben Vöglein!«

       Und was er bat im letzten Drang,

       Willfahret ward ihm eilig;

       Die Klosterbrüder hielten lang

       Des Sängers Willen heilig.

       Herr Walther von der Vogelweid

       Ist unser Meister geheißen;

       Noch fliegen Vögel aus Wald und Haid

       Und singen ihm frische Weisen.

       249. Des Minnesängers Vermächtniß.

       Von L a n g b e i n .

       »Walther von der Vogelweide

       Nennt mich alten Mann die Welt,

       Und ein Weidplatz, wann ich scheide,

       Sei den Vögelein bestellt.«

       »Meinen Leichnam zu bedecken,

       Wählet einen flachen Stein,

       Und vier Höhlen an den Ecken

       Meiselt tief und sauber ein.«

       »Füllet täglich diesen Becher

       Mit des Baches reiner Flut

       Für die höchst bescheidnen Zecher,

       Denen Wasser Gnüge thut.«

       »Und auf meines Grabsteins Mitte

       Streut zugleich des Weizens Frucht,

       Daß die Schaar zu Gast sich bitte,

       Die oft mühvoll Nahrung sucht.«

       Als der gute Minnesänger

       Sein Vermächtniß so gemacht,

       Stundet ihm der Tod nicht länger

       Seinen Gang ins Reich der Nacht.

       Und in Würzburg, an dem Orte,

       Wo er hauste lange Zeit,

       Ward ihm vor des Münsters Pforte

       Seine Ruhestatt geweiht.

       Ihre grünen Arme streckten

       Hohe Linden drüber hin

       Und die Vögelein entdeckten

       Bald den reichen Fruchtgewinn.

       Freudig flogen sie hernieder,

       Labten sich mit Speis' und Trank,

       Schwirrten auf die Bäume wieder,

       Sangen dort dem Geber Dank.

       Doch erlebte dies Vermächtniß

       Leider nur ein nahes Jahr,

       Ob's zu ewigem Gedächtniß