Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayrischen Lande


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Noch einmal auf ihn hin.

       Sie preßt ihn an ihren Busen,

       Und an ihr pochendes Herz,

       Sie kühlt mit brennenden Küssen

       Ihm seinen Todesschmerz.

       Doch jach empor von dem Boden,

       Reißt sie der erste Gesell,

       Umschlingt das bebende Mädchen

       Mit seinen Armen schnell.

       Er eilt mit ihr zu der Thüre,

       Und faßt das dröhnende Schloß,

       Als einer seiner Gefährten,

       Von hinten ihn erschoß.

       Da fassen die zwei Gesellen

       An beiden Armen die Maid;

       Doch über ihrem Besitze

       Entbrannte neu der Streit.

       Es kämpfen die zwei Gesellen

       Um sie auf Leben und Tod;

       Von ihrem strömenden Blute

       Ist ringsum alles roth.

       Sie stoßen die blut'gen Dolche

       Zugleich in's Herz sich hinein;

       Doch während die Zwei sich morden

       Entkömmt die Maid zum Main.

       Hier springt sie in die Fluthen,

       In's tiefe, ruhige Grab,

       Mit ihrem Leid um den Theuren,

       Mit ihrem Schmerz hinab.

       Da bebte es in der Runde,

       Weit öffnete sich der Main,

       Zog die verrufene Mühle

       In seinen Schooß hinein.

       Da stehet sie nun noch unten,

       Und treibet ihr Rad noch heut,

       Gar viele hörten sie rauschen

       Zur mitternächt'gen Zeit.

       Es schlagen die Wellen höher,

       Wo einst die Mühle versank,

       Gar mancher ist hier ertrunken,

       Der sonst kein Wasser trank.

       Drum beten auch alle Schiffer,

       Beim unterirdischen Haus

       Ein andächt'ges Vaterunser

       Zum heil'gen Nicolaus.

       260. Die eingemauerte Nonne.

       Von F . J . F r e i h o l z .

       Bei dem Kloster Himmelspforten

       Sieht ein Kreuz der Wandersmann

       Dort ist eingemauert worden

       Eine Nonne, die gethan,

       Was ihr Schwur und Pflicht verbot,

       Darum litt sie diesen Tod.

       Und im Volke geht die Sage,

       Naht dem Kreuz ein Wandersmann

       Mit der neugiervollen Frage:

       »Nonne, was hast du gethan,

       Daß du schuldig des Gerichts?«

       Horch! da spricht die Nonne – nichts!

      Kapitel 14

      261. Bilhildis zu Veitshöchheim.

       G r o p p coll. nov. script. Wirceb. II., 765 sq.

       Desselben Wirtzb. Chronik I., 39 ff. u. A. B e c h s t e i n

       a.a.O. S. 28.

       Bilhildis war eines angesehenen Frankengrafen Iberich

       Tochter; ihre Eltern waren beide dem königlichen

       Hause Dagoberts verwandt; sie wurde geboren in dem

       Orte, den man heutzutage Veits-Höchheim nennt, und

       es trug sich zu, daß sie, obschon ihre Eltern Christen

       waren, das Sacrament der Taufe nicht empfing, weil

       die landverderblichen Hunnen durch ihre Einfälle den

       Christenglauben fast ganz vertilgt und alle Priester

       getödtet, oder zur Flucht gezwungen hatten. Im dritten

       Jahre ihres Alters kam sie zu einer Verwandten nach

       Würzburg auf deren Begehren, damit diese an der

       Holdseligkeit Bilhildis die Freude empfinden möge,

       die ihr durch den Mangel eigener Töchter versagt war.

       Diese Verwandte, Kunigunde mit Namen, war eine

       fromme, christliche Matrone, die das zarte Kind in

       den Geheimnissen des Christenglaubens unterrichtete,

       und auch durch Priester unterrichten ließ, so daß Bilhildis

       unter die Zahl der Katechumenen aufgenommen

       wurde, welche demnächst zur Taufe gelangen sollten.

       Da geschah abermals ein Hunneneinfall, die Taufe der

       Bilhildis unterblieb, und kam in Vergessenheit, sie

       selbst aber wußte nicht, daß sie nicht getauft war.

       Bilhildis erblühte, später wieder zu ihren Eltern zurückgekehrt,

       zu einer sehr liebreizenden Jungfrau, die

       sich jedoch vornehmlich in den Schmuck der Tugend

       kleidete, und von allen Heidengräueln sich fern hielt,

       ja schon frühzeitig dahin wirkte, daß gewisse anstößige

       und der Tugend gefährliche Tänze und Gebräuche

       abgestellt wurden. Der Ruf ihrer Schönheit, Sitte und

       Anmuth flog weit in alle Gauen, und drang auch zu

       den Ohren Hetans, des Thüringerherzogs Radulf

       Sohn, welcher Wittwer war, und dem von seiner ersten

       Gemahlin zwei Söhne lebten. Dieser warf ein

       Auge auf die seltene Jungfrauenperle, und warb um

       sie. Vergebens wurde Bilhildis Jugend, und der Unterschied

       des Glaubens eingewendet; der zudringliche

       Freier ließ sich nicht abweisen, und Bilhildis ward

       ihm vermählt. Willig dem Gebot ihrer Eltern sich fügend,

       fand sie reichen Anlaß zu Schmerz und Kümmerniß,

       da sie wahrnahm, daß ihr Gemahl kein Verlangen

       nach Bekehrung trug, und an seinem Hofhalt

       so Manches vorging, was ihren Ansichten und Grundsätzen

       widerstrebte. Sie lebte daher sehr eingezogen,

       ascetisch, schmucklos, und unterzog sich harten Bußübungen

       und Kasteiungen. Als die Zeit kam, daß die

       Herzogin Bilhildis sich Mutter fühlte, brach ein neuer

       Krieg aus, und Hetan war besorgt, wohin er seine Gemahlin

       sicher bringen solle, falls der Ausgang des

       Krieges für ihn nicht siegreich wäre, und der Feind in

       das Land bräche. Ungern gab er ihren Bitten und

       ihrem Verlangen nach, sie zu ihrer Mutter ziehen zu

       lassen, doch ließ er dieses endlich geschehen. Vielleicht

       ahnete er, daß Bilhildis im Sinne habe, ihn ganz

       zu verlassen, die alle ihre Kostbarkeiten und Kleinodien