Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayrischen Lande


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die sie als Herzogin bis nach Höchheim begleiten

       mußte, von da zurücksandte. Sie hatte ihr Vorhaben

       sowohl ihrer Mutter, als dem König Siegbert, ihrem

       Verwandten, offenbart, und der letztere sagte ihr nicht

       nur alle Hülfe zu, sondern lud sie auch nach Mainz

       ein. Da setzte sich Bilhildis mit einigen vertrauten

       Jungfrauen eines Abends, als Niemand ihre heimliche

       Flucht ahnete, getrost auf ein Schifflein, und fuhr den

       Main abwärts. Und es ruderten und lenkten Engel das

       Schiff, daß es mit wunderbarer Schnelle über den

       Strom glitt, und mit dem anbrechenden Tage Bilhildis

       vor Mainz anlegte. Dort lebte sie nun unerkannt und

       in tiefer Verborgenheit.

       Bilhildis genas in Mainz eines schönen Prinzen,

       dem sie den Namen Siegbert beilegen ließ, allein nach

       wenigen Jahren starb dieses Kind, und nicht lange

       nachher kam auch die Nachricht, daß Herzog Hetan

       mit Tode abgegangen sei. Nun war Bilhildis ganz frei

       und konnte sich nach ihrem Gefallen ohne ein weltliches

       Hinderniß dem heiligen Leben widmen, wie sie

       denn auch that. Sie kasteite ihren zarten Leib durch

       Bußkleider, härene Hemden, Fasten und Schlafentziehung,

       bis sie die äußerste Abmagerung zur Schau

       trug. Dabei war sie eine Mutter der Armen, eine Trösterin

       der Nothleidenden, eine Pflegerin der Kranken,

       und wurde Stifterin des Klosters Alt-Münzer zu

       Mainz, (altum Monasterium), zu dessen Gründung

       und Erbauung sie ihr väterliches Erbtheil verwendete.

       Hierauf nahm sie ein geistliches Ordenskleid, führte

       das beschaulichste Leben und war lebhaft in einem

       übernatürlichen Glauben, fest in Hoffnung, und vollkommen

       in der Liebe Gottes und des Nächsten.

       Als das Leben der gottseligen Frau sich zum Ende

       neigte, offenbarte ein Traum dreien ihrer untergebenen

       Klosterfrauen, daß Bilhildis, ihre Mutter und

       Oberin weder das Sacrament der Taufe, noch das der

       Firmung empfangen habe; dieses Gesicht hinterbrachten

       die Drei, nach überwundenem Bedenken, der Bilhildis,

       die aber ihrer Rede wenig Glauben schenkte,

       bis auch dem Bischof, dem sie sich anvertraute, die

       gleiche Offenbarung wurde. Nun bereitete Bilhildis

       sich mit Ernst und Andacht auf den Empfang dieser

       Sacramente vor, und empfing sie mit gottfreudigem

       Herzen.

       Nach diesem entzog sich die Fromme allen zeitlichen

       Geschäften, versagte sich dem Zuspruch weltlicher

       Personen, fastete ganze Tage und ließ ihren Geist

       durch den Vorschmack himmlischer Freuden sättigen.

       Als es mit ihr zum Sterben gekommen und ihr seliger

       Geist eingegangen war in das Friedensreich, erschien

       um ihre irdische Hülle ein ungewöhnlicher

       Glanz, und ein wundersamer Wohlgeruch erfüllte ihr

       Sterbezimmer. Kranke genaßen in der Nähe der Entseelten,

       Blinde erlangten ihr Gesicht wieder, Tode

       wandelten. Bilhildis war die erste Heilige des Frankenlandes.

       Eine spätere, dankbare Zeit stiftete ihr

       einen Festtag zu Veitshöchheim, ihrer Geburtsstadt,

       und bewahrte dort ihre Reliquien auf.

       262. Maria zu Retzbach im Grünen Thal.

       G. H ö f l i n g Beschreib. und Gesch. des Marktfleckens

       Retzbach, S. 53.

       Die Herren von Thüngen hielten ein Jagen im grünen

       Thal bei Retzbach. Da flüchtete sich ein Hase, von

       einem Geschosse bereits verwundet, in eine kleine

       Höhle mit sehr schmalem Eingang. Als man der Neugierde

       wegen aufgegraben, fand man sechs Schuh tief

       unter der Erde ein fünfthalb Schuh hohes steinernes

       Muttergottesbild. Das hielten die Ritter für einen

       Wink von oben und gelobten zur Stelle, eine Kapelle

       zu Ehren der himmlischen Mutter errichten zu lassen.

       Also nahm die Wallfahrt Maria Retzbach im Grünen

       Thal ihren Ursprung.

       263. St. Johannisnacht auf der Karleburg.

       Von S c h ö p p n e r . – K a r l e b u r g oder

       K a r l s b u r g bei Karlstadt am Main. – C . v .

       F a l k e n s t e i n Buch der Kaisersagen S. 122.

       Es macht in der Sankt Johannisnacht

       Auf Karlsburg ein Zug die Runde;

       Ein Leichenzug geht still und stumm

       Im Gemäuer der Burg dreimal herum

       Zur mitternächtigen Stunde.

       Auf jenem Schloß an des Maines Gestad

       So stolz und luftig zu schauen

       Erblühte der knospenden Rose gleich

       Ein Fräulein an Adel und Tugend reich,

       Die Perle fränkischer Frauen.

       Zwei Ritter kamen gezogen von fern,

       Den Edelstein zu erwerben,

       Doch weil von Zweien nur Einer allein

       Als Bräutigam konnte die Liebliche frein,

       So mußte der Andre verderben.

       Nur Einer konnte der glückliche sein,

       Das kränkte den Anderen bitter;

       »Du sollst mir theuer bezahlen die Braut,

       Die wird mit der Klinge dir angetraut!«

       So schwur der verachtete Ritter.

       Und nächtlicher Weile lauert und harrt

       In glühendem Racheverlangen

       Der Ritter des Feindes am Felsenthor –

       Da tritt der glückliche Jüngling hervor,

       Von der Liebsten kam er gegangen.

       »Willkommen Gesell! willkommen zum Strauß!

       Jetzt sollst du die Braut dir erwerben!

       Hier über die zackige Felsenwand

       Muß einer von uns an des Maines Strand

       Hinabgeschleudert verderben.«

       Und es zucken wie Blitze die Klingen empor

       Und es rasseln die Schwerter so munter –

       Ein Schrei und ein Fall! der Jüngling gut

       Er stürzt getroffen in seinem Blut

       Die zackigen Felsen hinunter.

       Und es macht in der Sankt Johannisnacht

       Auf Karlsburg