Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayrischen Lande


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Wälzt sie sich in sich'rer Bahn.

       Weh! wer je dem Glück vertraute! –

       Wenn es jetzt auch sonnig lächelt,

       Eh' man mag den Blick verwenden,

       Fährt der Blitz aus heitrer Höh'.

       5.

       Tief im Schilf am schönen Chiemsee

       Sitzt ein Weib mit zweien Jungen,

       Schön und schrecklich anzuschauen

       Riesenhaft in Wahnsinnsgluth.

       Sieh! zwei Bogen, straff gespannte,

       Legt sie in die Hand der Knaben

       Und zwei Pfeile, schnell beschwingte,

       Reicht sie dar mit glüh'ndem Blick.

       »Zwillingssöhne! Zwillingssöhne!«

       Ruft sie, »lernt die Waffen brauchen,

       Seht! i c h will das Ziel euch zeigen.

       Dran verdient das Ritterthum!«

       »War der T r u g nicht euer Vater?

       Ist die R a c h ' nicht eure Mutter?

       Zwillingssöhne, Zwillingssöhne!

       Seht das Ziel dort! trefft mir's gut!

       Z w e i der Söhne, z w e i der Pfeile,

       E i n e Sünde, tausend Schmerzen, –

       Faßt ihr's? – Söhn'! die ich geboren,

       M u t t e r und kein e h l i c h W e i b !

       Bergt euch tiefer! spannt die Bogen,

       Seht! da kommen sie gezogen. –

       Zwillingssöhn! Jetzt Zwillingspfeile

       Auf ein zwiefach treulos Herz!«

       Und es kam der falsche Ritter

       Mit der Gattin Adelhaide,

       Marquard war's, mit süßen Worten

       Schmeichelnd dem entführten Kind.

       Horch! da kam's herangeflogen –

       Zischend von dem Zwillingsbogen;

       Von dem Doppelpfeil getroffen

       Lag der Ritter wund im Blut.

       Tief im Schilf am schönen Chiemsee

       Sank die Mutter mit den Knaben,

       Von den Fluthen still begraben,

       Dumpf verbarg der See die That.

       »Doppelliebe! – Doppelpfeile!«

       Ruft der Ritter, – »Wehe! Wehe!

       Muß ich hier in Sünden sterben?

       Weh! wer trägt mich hin zur Burg?

       Daß ich möge Ruhe finden,

       Daß ein Priester, mild vergebend

       Mich entledigt meiner Sünden,

       Weh! wer trägt mich zur Kapell!«

       Und es hob die treue Gattin

       An die Brust den wunden Ritter,

       Schreitend durch die öden Auen

       Zur Kapell im Marquardstein.

       »Richter! laß mir Gnad ergehen.«

       Stöhnt der Ritter – »fromme Seelen

       Möchten sie mir Gnad erflehen

       Im Gebet vor Gottes Thron.«

       »Ueppig wächst der Baum der Sünden

       Aus des Herzens tiefem Grunde,

       Bis die Last der eignen Früchte

       Kron, und Aest' und Stamm erdrückt.

       Wer die Burg auf Sand gebauet,

       Sehe zu, daß sie nicht stürze,

       Daß der Hallen stolze Wölbung

       Nicht den Bauherrn selbst begräbt.

       Wie der Baum brech' ich zusammen

       Mit der Burg werd' ich zertrümmert; –

       Baut aus meinem Schatz ein Kloster

       B a u m b u r g soll es seyn genannt.«

       Reuig lag der wunde Marquard; –

       Sein Gelübde fromm beschwörend

       Sank die Gattin Adelhaide

       Treu dem Todten an das Herz.

       W e r zu Stunde sey verschieden?

       Schwer zu nennen war die Leiche; –

       War's der Ritter dort, der Bleiche?

       Ist's die Frau, versteint in Schmerz?

       66. Adalbert und Otkar, die Gründer von

       Tegernsee.

       Erzählt von M.v. F r e y b e r g , älteste Gesch. v.

       Tegernsee. München 1822, S. 15 ff. A n d r .

       P r e s b . in v. F r e y b e r g s Samml. hist. Schriften II.,

       385 ff. P e z thes. anecd. III., 473. E r t l rel. II., 161.

       H u n d metrop. III., 389 u.A.

       Adalbert und Otkar, zwei Brüder aus fürstlich Burgundischem

       Stamme, von einer Mutter Agilolfingischen

       Geschlechtes, lebten als fromme, erleuchtete,

       tapfere Männer an König Pipins, ihres Blutsverwandten

       Hofe. Da begab es sich, daß des Königs Sohn,

       jenen Herrn Otkars in der Hitze des Streites erschlug.

       Pipin, die Rache jener Brüder fürchtend – denn sie

       waren so groß an Macht als Gesinnung, und reich begütert

       in Bayern und Burgund – wußte durch eine

       weise List dem Ausbruche ihres Schmerzes zu begegnen.

       Noch ehe der Todtschlag ruchbar geworden, versammelte

       er seine Großen und unter diesen Herrn

       Otkar bei sich. Als sie erschienen, sprach Pipin zu

       jenen: »Wie bedünkt euch wohl, daß einem Uebel,

       dem in keinem Falle abzuhelfen, zu begegnen sei?«

       Nicht ahnend das Ziel dieser Rede, erwiederte Herr

       Otkar: »Solches Uebel wahrlich ist mit Gleichmuth zu

       ertragen.« Als ihm nun der König hierauf den entsetz-

       lichen Unfall entdecket, verhüllte der unglückliche

       Vater seinen gränzenlosen Schmerz in ein tiefes, anhaltendes

       Schweigen. Nach langer Trauer aber kamen

       beide Brüder des Entschlusses überein, der Welt auf

       immer zu entsagen. Nun hatten sie schon früher am

       Tegrinsee, im bayerischen Südgau, das Kirchlein St.

       Salvators auf ihrem Vatergut gegründet. Sie befahlen

       jetzt, den Wald an dem Ufer des Sees zu lichten, und

       beschlossen dicht an jener Kirche ein Gotteshaus zu

       stiften, und all' ihr Besitzthum in diesen Gegenden,

       dem Altare zu weihen. Um aber andächtige Sehnsucht

       zu stillen, und für die zu gründende Kirche ein hochgefeiertes

       Heilthum zu erwerben, erhob sich das erleuchtete

       Brüderpaar vor Allem zu einer Pilgerfahrt

       nach Rom. Versehen mit St. Winfrieds Briefen, der

       sie in so herrlichem Entschluß mächtig bestärket, erreichten