Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayrischen Lande


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liegen; da rauschte mit raschem

       Ringeln ihm eine große und glänzende Schlange

       entgegen, die trug auf dem Haupt eine goldene

       Krone und im Maul ein großes Bund Schlüssel, die

       glitzerten und klingelten wie Silber. Der Häcker entsetzte

       sich, hob seinen Karst, um nach der Schlange

       zu schlagen, da sah ihn die Schlange wehmüthig an,

       und bezauberte ihn mit ihrem Blick, daß er regungslos

       stand, und da sah er denn, daß sie weinte wie ein

       Kind. Als das einige Minuten gedauert, schwand die

       Schlange in die Erde, und war ihm aus den Augen und

       hinweg und war nirgends im Boden ein Loch zu

       sehen.

      Kapitel 12

      221. Ausgehackte Frösche.

       Die vor. Schriften.

       Einem Weinhäcker aus Schweinfurt begegnete unter

       der Petersstirn bei der Mainleite etwas sehr Seltsames.

       Er war mit seiner Frau mit Brechen des Weinbergs,

       der unmittelbar unter der Trümmerstätte liegt,

       beschäftigt; die Frau hackte sehr fleißig, und mit

       einem Mal hackte sie bei jedem Schlag in die Erde

       einen Frosch heraus. So mochte sie wohl fünf oder

       sechs Frösche herausgehackt haben, als es ihr auffiel

       und sie zu ihrem Manne sagte: »Pfui! Was sind das

       garstige Frösche.« Und jetzt kamen keine mehr. Und

       der Mann, näher tretend, bückte sich nach den Fröschen

       und sah keine, wohl aber leuchteten so viele

       Goldstücke, als zuvor Frösche zum Vorschein gekommen

       waren, am Boden. Die hob er auf und steckte sie

       ein, und zankte seine Frau, daß sie nicht stillschweigend

       fortgehackt. Beide hackten und brachten den

       ganzen Tag damit zu, es gab aber keine Goldfrösche

       mehr.

       222. Auferstandene Frau.

       B e c h s t e i n S. 166.

       Auf dem Schweinfurter Gottesacker ist ein alter Grabstein

       mit dem lebensgroßen Bildniß einer vornehmen

       Frau zu sehen, welche ein eingewickeltes Kind zu

       ihren Füßen liegen hat. Diese war die Frau eines Syndikus

       Albert. Man sagt von ihr, daß sie sehr schnell

       und plötzlich gestorben sei, und als ihr Tod erfolgt

       war, wurde sie unter einem Schwibbogen, in welchem

       sich ihr Familienbegräbniß befand, beigesetzt. Ihr zurückgelassener

       Gatte betrauerte sie sehr aufrichtig.

       Der Todtengräber, ein habgieriger Mann, hatte jedoch

       an dem Finger der Leiche einen kostbaren Ring bemerkt,

       den er der Todten nicht lassen wollte; er machte

       sich daher des Nachts heimlich auf, hob den Sargdeckel

       ab, und wollte der Leiche den Ring vom Finger

       ziehen; da richtete sich diese plötzlich auf. Entsetzt

       lief der Todtengräber davon; die Frau im weißen Todtengewande

       entstieg ihrem Sarg, wandelte ihm nach,

       und kam ruhigen Ganges vor ihr Haus, wo sie anläutete.

       Eine Magd sieht zum Fenster hinaus: »Wer da?«

       »Ich bin's, die Frau! Oeffne!« Schreiend stürzt die

       Dienerin zu ihrem Herrn: »Die Frau ist unten an der

       Thüre, ich habe sie an der Stimme erkannt!« – Der

       Herr schüttelt ungläubig den Kopf, und läßt seinen

       Diener hinaussehen. »Oeffne mir um Gotteswillen!

       Ich komme um vor Kälte!« Da eilt auch der Diener

       rasch zum Herrn: »Es ist die Frau, ich erkenne sie an

       ihrer Stimme.« – Der Herr aber sagte: »Ihr seid Thoren

       und dümmer wie das Vieh! Wenn meine Pferde

       zum Fenster hinaussähen, würden sie gescheidter antworten,

       als ihr!« Kaum ist das Wort gesprochen, so

       kommt es mit Gelärm und mit Gepolter die Treppe

       herauf, und stampft und trappt und wiehert, – die

       Pferde sind's – zur Stube herein, und sie stecken die

       Köpfe durch die Fenster, daß die Scheiben klirren und

       die Flügelbänder brechen, und beide sehen den Vorsaal

       hinab zum Fenster hinaus und wiehern. Nun läßt

       der Herr, erschrocken, schleunig öffnen, und die halberstarrte

       Frau wird zu Bette gebracht und geneset bald

       darauf eines Töchterleins. Doch Mutter und Kind lebten

       nicht lange mehr, und die erste wurde zum zweiten

       Male begraben, und beiden dieser Grabstein zum Andenken

       gesetzt. Alle Jahre am ersten Ostertage ist eine

       wahre Wallfahrt nach dem Gottesacker, der dann

       prächtig mit herrlichen Blumen geschmückt ist, aber

       das Erste, was man den Kindern zeigt und was sie alle

       gerne sehen wollen, ist die wiedererstandene Frau mit

       ihrem Kinde.

       223. Die langen Schranken.

       Die vor. Schrift, S. 159.

       Im Bereich der alten Stadt liegt ein schöner, ebener

       Platz, welcher jetzt mit Obstbäumen bewachsen ist.

       Hier, sagt man, sei vor Zeiten der Turnierplatz gewesen,

       daher der Name »die langen Schranken« noch bis

       auf den heutigen Tag sich fortgeerbt habe. Einst war

       ein glänzendes Turnier angestellt, zu dem kamen viele

       fremde Ritter. Einer derselben erblickte unter den anwesenden

       Damen eine, die wohl auch fremd sein

       mochte, und deren Schönheit ihn so bezauberte und

       umstrickte, daß er sich zu ihrem Kämpfer weihte, und

       Jedem den Handschuh hinwarf, der ihr nicht den Preis

       der Schönheit zugestehen wollte. Er blieb auch wirklich

       Sieger, streckte alle Gegner in den Sand und

       nahte nun der Holden, die ein meergrünes Kleid trug,

       sittig, ihren Dank zu empfangen. Sie lächelte ihn liebreich

       und holdselig an, aber wie ward ihm, als er

       dabei wahrnahm, daß sie grüne Zähne hatte? Er bebte

       zurück, sie stieß einen Schrei aus, verwandelte sich in

       ein Seeweiblein und rutschte auf dem Schlangenleib

       dem Maine zu, in den sie sich stürzte und auf dessen

       Oberfläche sie eine Weile fortschwamm, bis sie niedertauchte

       und den Blicken der staunenden