Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayrischen Lande


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in weißen langen Gewändern in den Tanzsaal,

       und erfüllten die jubelnden Gäste erst mit Staunen,

       dann mit Bewunderung, die Herzen der Jünglinge

       aber mit Sehnsucht der Liebe. Die Anmuth und

       Schönheit der Fremden hatte bald den ersten Schauder

       überwunden; man zog sie in den Tanz, und sie schlangen

       sich mit wunderbarer Zierlichkeit durch die Reihen.

       Die Stunden flogen hin, aber je näher der Morgen

       rückte, je mehr wurde eine ängstliche Sorge in

       den Augen der schönen Jungfrauen sichtbar, und als

       der erste Schauer des nahenden Morgens sich empfinden

       ließ, baten sie dringend um Entlassung. Es waren

       Nixen aus der Tiefe des grundlosen Bronnens. Da die

       Lust des Festes in den jubelnden Tönen zu ihnen gedrungen

       war, hatten sie dringend die Mutter angegangen,

       sie an dem Feste der Menschen Theil nehmen zu

       lassen. Nach langer Weigerung hatte die Alte den Bitten

       der Töchter nachgegeben, aber ihnen wiederholt

       das alte Gesetz der Tiefe eingeschärft, vor dem Hahnenschrei

       zurück zu sein, und sie vor den furchtbaren,

       tödtlichen Folgen der Uebertretung dieses Gesetzes in

       wehmüthiger Ahnung gewarnt. So waren sie denn aus

       dem klaren stillen Wasserspiegel aufgetaucht, und ein

       alter Jäger hatte von der Waldecke her die lieblichen

       Gestalten über den Pfad der Wiese, den Steig am

       Berge hinauf schweben sehen. Deshalb erfüllte der

       nahende Morgen sie mit Bangen. Die Leidenschaft

       der liebenden Jünglinge hielt sie wider Willen zurück.

       Da krähte der Hahn, und mit dem Blicke des Entsetzens

       stürzten sie aus dem Saale durch die Höfe, den

       Berg hinunter mit fliegender Eile, daß die Jünglinge

       ihnen nicht zu folgen vermochten. Sie sahen sie nur

       eilend über die Wiese nach der Quelle zu schweben,

       und als sie bei derselben angelangt waren, sich in dieselbe

       stürzen. Entsetzt eilten die Jünglinge hinzu, und

       als sie in den reinen Wasserspiegel hineinsahen, wallte

       ein warmer Blutstrom ihnen aus der unheimlichen

       Tiefe entgegen.

       Nicht überall, wo diese Sage erzählt wird, betrifft

       die Jungfrauen das Unglück, oder wenigstens nur eine

       von den Dreien, die sich verspätet hat, während die

       anderen beiden zur rechten Zeit um Mitternacht den

       Tanzplatz verließen.

       236. Die Nymphen von Kastell.

       Von P h i l i p p S c h e r l .

       1.

       Auf Flachstein, moosumgürtet,

       Im Glanz der Mitternacht,

       Hält Lula mit Wellentöchtern

       Einsame Brunnenwacht.

       Sie bringt das wimmernde Wasser

       Heut nicht zum leisen Gang,

       Fern aber aus Tannenwölbung

       Rauscht Tanz und Gesang.

       Und die Töchter, schön und lüstern,

       Umrücken die Mutter ganz:

       Da drüben ist Pomp und Hochzeit,

       Führ' uns zum Buhlentanz.

       Die Mutter aber seufzet:

       O Kinder, schweifet aus,

       Nur kehrt bei Todesahnung

       Heut bald ins Wellenhaus.

       2.

       Blank leuchtet im gewölbten Saal

       Der Glanz und gold'ne Flitter,

       Es flammt der Kelch, es dampft das Mahl

       Und taumelnd sinkt der Ritter.

       Graf Otto, wie der Templer kühn,

       Rigissa, zart wie Lilien blüh'n,

       Bejahten heut die Frage

       Und hielten Brautgelage.

       Und jetzo vom Geländer hoch

       Hört man den Takt erschallen,

       Und brausend in die Runde flog

       Der Wirbel der Vasallen.

       Der frische Blick, das graue Haar –

       Wie kettet flink sich Paar an Paar,

       Doch leis' wie Lüfte schleichen

       Tanzt Gräfin ihren Reigen.

       Da plötzlich springt das Flügelthor:

       Drei Mädchen zum Entzücken

       Mit Schneegewand und Silberflor

       Verneigten sich den Blicken.

       Ein Krönchen schließt das blonde Haar,

       Der Gürtel flimmert wunderbar,

       Und alles auf dem Feste

       Umdrängt die schönen Gäste.

       Und stolz am Arm der Ritter zog

       Die Nymphe durch die Hallen,

       Und brausend in die Runde flog

       Der Wirbel der Vasallen.

       Sie schwenkten rasch nach altem Brauch,

       Wie Donnersturm und Zephyrhauch

       Und tanzten ohne Wanken

       Bis Mond und Stern' versanken.

       »Schön Dank, ihr Herrn, der Dämmer bricht,

       Zum andernmal, dann wieder!«

       »Was, Schönste, was? doch scheiden nicht?

       Frisch auf, ihr flinken Brüder!«

       Das Zeichen tönt, die Tücher weh'n,

       Die Cymbel rauscht, die Tänzer steh'n,

       Und flüchtig um die Wette

       Schlingt Kette sich an Kette.

       »Der Schatten zieht, die Wolken zieh'n,

       O Ritter, tanz' zu Ende!«

       »Ha Jugendblut, ha Flattersinn,

       Wer dreht sich da die Hände!«

       Und Sang und Klang und Wirbellust

       Betäuben die beklemmte Brust

       Und laut vom wilden Schalle

       Erzittert Dach und Halle.

       »O hörst du nicht? Das Schluchzen nicht?

       Das Wimmern aus den Teichen?« –

       »Mein Kind, was soll das Traumgesicht,

       Zum letzten noch den Reigen!«

       Und Sang und Klang und Wirbellust

       Betäuben die beklemmte Brust

       Und laut vom wilden Schalle

       Erzittert Dach und Halle.

       Verlockter Leichtsinn, frevle nicht!

       Ich zitt're schon, ich ahne!

       Weh! Weh! dort blitzt das Morgenlicht,

       Lautflatternd kräh'n die