Tilmann A. Büttner

Adam Bocca im Wald der Rätsel


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halt auch mal was riskieren, was nicht garantiert funktioniert“ pflichtet Adam ihm bei.

      „Und Fitness“ ergänzt Carlo, „es geht schon um Fitness, wenn du nicht das Programm alles machen lassen willst. Das ist ein ganz anderes Spiel, wenn du mal selber losläufst. Ich glaube, uns allen würde ein richtig intensiver Fitness-Block echt gut tun.“

      „Hm.“ Was ist denn jetzt das wieder für eine Supertyp-Idee aus dem Hause Feinman?

      „Ohne Scheiß“, erläutert Carlo. „Das ist auch gar kein Akt. Da gibt’s echt gute Angebote von Sportzentren für Trainingswochenenden. Ist zwar ein bisschen klösterlich, aber man soll sich ja auch nicht am Abend in der Disco die Fitness wegsaufen, die man sich tagsüber mühsam antrainiert hat.“

      „Klösterlich? Wie das denn?“

      „So in ländlicher Einsamkeit und so. Das sind vor allem Hotels draußen auf dem Land, die solche Pakete anbieten. Samstag auf Sonntag, wenn man will auch als verlängertes Wochenende von Freitag bis Montag.“

      Fitnesswochenende auf dem Land? Eine Idee keimt in Adams Kopf. Etwa ein gemeinsamer Ausflug ins Lupinental? „Was... was sind denn das so für Hotels?“ fragt Adam vorsichtig und ermahnt sich im selben Moment, möglichst unbeteiligt zu wirken.

      „Keine Ahnung, ich hab auch nur vor kurzem so eine Netz-Werbung gelesen. Das ist wohl so ein Ding, um die Hotels da draußen ein bisschen mit neuen Gästen zu versorgen.“

      „Ach so? Ich war da gerade in so einem Sporthotel, vorletztes Wochenende.“

      „Echt? Was hast du denn da gemacht?“

      „Ich war, ähm, ich musste..., musste sie abholen, also genau genommen hatte sie mich angerufen, weil sie Stress mit dem Typen hatte, mit dem war sie nämlich da draußen, und dann wollte sie nicht mehr mit ihm in die Stadt zurückfahren.“ So formuliert, war nichts Unwahres daran.

      „Oha! Und du bist als Ritter auf dein edles Ross gehüpft, um die in Not Geratene aus den Klauen des Unholdes zu befreien?“

      „So ungefähr, aber leider war der Unhold schon abgedampft, als ich rauskam.“

      „Leider? Ich würde mal sagen, da hast du schon wieder Schwein gehabt. Ich sag’s dir, der Kerl ist nicht nur ein Trottel, sondern auch ein Trottel, bei dem du echt aufpassen musst. Wirklich.“

      Zeit für einen Themenwechsel. „Na, wie auch immer, also in dem Hotel da gab es jedenfalls ein ganz groß aufgemachtes Sportprogramm, überhaupt ist der ganze Laden als Sporthotel hergerichtet. Sah echt ganz gut aus.“

      „Wie heißt der Schuppen denn?“

      „Lupinental.“

      „Hm, sagt mir jetzt nichts, aber klingt doch eher nach ’nem urgemütlichen Alte-Knacker-Idyll. Das muss aber nichts heißen, die meisten Sporthotels sind umgebaute Absteigen für den alternden Naturliebhaber. Wo liegt das denn?“

      „Ganz einfach die Schnellstraße raus, immer weiter, irgendwann zweigt da ein kleines Flusstal ab, das immer weiter, insgesamt etwas mehr als eine Stunde von der Innenstadt mit dem Auto.“

      „Ach, wart mal, liegt das so etwas abgeschirmt hinter einem Hügel?“

      „Ja, genau.“

      „Dann hab ich das in der Werbung gesehen. Das klang wirklich ganz gut, und war auch gar nicht teuer.“

      „Hm.“ Adam schluckt. Soll er Carlo da jetzt wirklich mit reinziehen? Ohne ihm vorher was zu sagen? Er könnte ihm ja später noch einen Tipp geben. „Könnte man ja mal ausprobieren. Also, wenn du Lust hast, können wir uns da von mir aus mal eine volle Ladung Fitnessprogramm geben.“

      „Ernsthaft?“ fragt Carlo.

      „Klar, warum nicht. Kannst ja mal schauen, ob du Zeit hast. Wenn du willst.“

      „Auf jeden Fall will ich, das ist doch mal eine Abwechslung zu den Sportzentren hier in der Stadt. Das ist eine sehr gute Idee, Adam.“

      In der Tat, eine sehr gute Idee. Da muss man erst mal drauf kommen, seinen besten Freund so anzuschwindeln und ihn mit geheucheltem Interesse an einem doofen Fitness-Wochenende aufs Land zu locken.

      „Was ist jetzt mit euch Tratschtanten?“ ruft Sammy zu ihnen rüber. „Wir haben das Feld nicht den ganzen Abend. Oder müsst ihr euch noch ausruhen.“

      „Ruh dich doch selber aus, du Penner“, gibt Carlo mit voll wiederhergestellter Angriffslust zurück, „jetzt zeigen wir euch mal, was ein Dreamteam ist. Los geht’s Partner, jetzt spielen wir aber zusammen, und dann hauen wir denen die genialsten Pässe der Welt um die Ohren. Stimmt’s, Partner?“

      Stimmt – Partner.

      Die Stadt bei den Flüssen, 8. Kapitel

      

      An einem gewittrig schwülen Freitagvormittag fuhr Adam mit Carlo auf der Schnellstraße hinaus aus der Stadt, um das verabredete verlängerte Wochenende im Lupinental zu verbringen. Über sechs Wochen waren vergangen seit der Squit-Partie, bei der die beiden den Plan für ihren Ausflug aufs Land geschmiedet hatten. Oder besser gesagt seitdem Adam die Gelegenheit ergriffen hatte, Carlos Vorhaben listig zugunsten seines eigenen, geheim gehaltenen Plans zu benutzen, sich noch einmal auf die Suche nach den Lebewesen im Wald zu machen. Voller Ungeduld hatte Adam zunächst versucht, Carlo so schnell wie möglich zur Umsetzung ihres vermeintlich gemeinsamen Plans zu drängen. Dabei musste er darauf bedacht sein, sein Drängen so gut zu kaschieren, dass Carlo gar nicht auf die Idee käme, Adam gehe es in Wahrheit um ganz etwas anderes als ein konzentriertes Fitnessprogramm in einem Sporthotel.

      Es hatte Adam rasend gemacht, hilflos erleben zu müssen, wie Carlo die Idee eines gemeinsamen Wochenendes im Lupinental immer mit den markigsten Worten lobte, wenn Adam wieder und wieder die Sprache darauf brachte „da werden wir mal zeigen können, ob wir Pudding in den Muskeln haben, oder echte Kerle sind“, tönte Carlo, und: „ohne Weiber und ohne Saufen, fantastisch! Wir sind jetzt ja auch wirklich alt genug, um uns mal ernsthaft unserer Leidenschaft für den Sport zu widmen.“ Leidenschaft für den Sport, ach du große Güte! Carlos Ausbildung zum Ökonomischen Rat ging offenbar nicht spurlos an ihm vorüber, immer wieder verfiel er in den Ton werbender Anpreisung für vermeintlich neue Ideen. Und freilich immer, ohne den Worten entsprechende Taten folgen zu lassen.

      Adam hatte sich gleich nach dem Nachmittag auf dem Squit-Feld bereit erklärt, das Hotel zu buchen und sich um alles zu kümmern, auch Carlos Anteil könne er ohne Probleme vorstrecken, und dann könnte man es ja gleich angehen. Da hatte Carlo gebremst und gezögert. So einfach könne er das nicht in seinem Studienplan nicht einrichten, der ja eben knüppelvoll sei. Und dann auch noch diese Forschungsarbeit, die käme ja oben drauf, und ohne ihn würde die nichts, Adam wisse ja „der Feinman muss das machen“, so sei das halt, wenn man sich engagiert. Adams stille Wut wuchs. Was bildete sich dieser Kerl nur ein? Wieso gelangte er so spielend zu der Annahme, sein Tun und Lassen sei der Nabel der Welt, und alles müsste sich darum drehen? Was wusste dieses aufgeblasene Knäblein schon? Da draußen im Wald waren Lebewesen, jede Menge von ihnen, die scherten sich einen Dreck um Carlos ach so heiligen Studienplan und seine dusselige Forschungsarbeit. Was war das denn überhaupt für ein Ziel, Ökonomischer Rat zu werden, wenn es doch galt, sich für das Zusammentreffen mit den Schraten zu rüsten? Das wollte er doch mal sehen, was von Carlos Großspurigkeit übrig bliebe, wenn er erst einmal einer Gruppe von Schraten gegenüberstand, ihren Krallen ausgeliefert und weit weg von seinen tollen Profs und Studienkollegen in der Stadt.

      Aber schnell war diese Wut auch wieder verflogen. Adam hatte sich darauf besonnen, dass Carlo ja gar nicht ahnen konnte, warum es ihn so sehr drängte, endlich wieder hinauszufahren in die Wälder. Er selber war es schließlich, der Carlo etwas vorschwindelte. Wie konnte er sich dann erlauben, Carlos Unentschlossenheit und Großtuerei zu verurteilen? Mit dem Schwinden seiner Wut legte sich auch Adams Ungeduld. Sein Leben war schon vor der Begegnung mit den Lebewesen ein anderes geworden, ernsthafter und mit gewichtigeren Inhalten