Christin Thomas

Hope


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den kleinen blauen Stein auf seine Hand.

      „Es gab also noch einen anderen Weg?“ Sky klang beeindruckt.

      „Ja, die Rettungskapseln. Die Wissenschaftler gaben falsche Zahlen an und somit gingen gefälschte Schätzungen der Baukosten an die Investoren. So war es ihnen möglich zehn dieser Rettungskapseln zu bauen. Sie hatten genügend Fassungsvermögen für hundert Personen. Also insgesamt gerade einmal für tausend Männer und Frauen. Da die reichen Geldgeber und die Oberhäupter der Länder nichts davon wussten, konnten sie ihre eigene Auswahl treffen. Dabei ging es ihnen nicht darum, ihre eigene Haut zu retten. Sie retteten die Menschheit, Sky. Sie wählten mit Bedacht Menschen, die diese Reise körperlich überstehen würden und jene, die auch die Intelligenz besaßen, hier etwas Neues aufzubauen.“

      Skys Mund stand vor Erstaunen offen. „Das ist wirklich clever!“, sagte sie überrascht.

      Sam nickte zustimmend. „Ja, sie waren wohl die Größten ihrer Zeit.“

      Die Hand des R2 ergriff Sams Oberarm. „Dein Vater ist auch so ein Mensch. Sicher würde er dir das hier nicht antun, wenn es keinen tieferen Sinn für ihn hätte.“

      „Mag schon sein“, flüsterte Sam nachdenklich.

      Danach herrschte für eine kurze Zeit Stille zwischen ihnen. Behutsam kümmerte Sky sich weiter um seine Hand, doch sie war bereits bedrohlich stark angeschwollen. Auch Sam war das keineswegs entgangen. Doch obwohl er sich vor lauter Aufregung den Daumen immer schneller an seinem Zeigefinger rieb, blieb er still. Hilflos sah Sky sich noch einmal um. Von Robert fehlte aber weiterhin jede Spur und das, obwohl ihr Pate langsam totenbleich aussah.

      Dann hörte sie wieder Sams Stimme. „Irgendwie fühle ich mich langsam ziemlich schwach.“

      „Es ist alles in Ordnung, Sam“, versuchte sie ihn weiterhin zu beruhigen. „Du darfst jetzt nicht aufgeben.“ Er hörte ihre Worte, er versuchte auch ernsthaft sich nicht unterkriegen zu lassen, doch er spürte diese fürchterliche Hitze, die von seinem Arm ausging und sich immer weiter ausbreitete. Sam merkte, wie seine Augen zuzufallen drohten.

      „Bleib stark, Sam“, Skys Stimme klang immer seltsamer in seinen Ohren.

      „Irgendetwas stimmt nicht“, presste er mühsam hervor.

      Sein Mund schien nun ebenfalls taub zu werden.

      „Nein, nein, nein!“, entfuhr es Sky laut, als Sam langsam zur Seite kippte. Fest schlang sie ihre Arme um ihn und hielt ihn gerade rechtzeitig fest. „Sam!“, schrie sie laut auf.

      „Sam!“, war das letzte Wort, das er trotz der plötzlichen Dunkelheit noch von ihr hörte.

      Auch sein Vater vernahm den hilflosen Schrei. Umgehend rannte er los und preschte voller Panik durch den dichten Wald. Minutenlang hoffte er, noch irgendetwas zu hören, doch die Stille, die plötzlich um ihn herumlag, ängstigte ihn nur noch mehr. Sein Sohn drohte an dem Gift zu sterben. Es gab nichts mehr in jenem Augenblick als ihn, keinen Krieg, keine Flucht, keinen böseren Gedanken als diesen. Und so kam er unaufhaltsam auf die Lichtung zugelaufen.

      Sky hielt sein Kind fest in den Armen. Sam schien das Bewusstsein verloren zu haben. Schlapp hing er in ihrem festen Griff.

      „Wir müssen uns beeilen!“, drängte er den R2. Schnell griff er von hinten nach seinem Sohn und hob ihn hoch.

      „Er ist schon ganz blass“, stammelte Sky aufgeregt. Doch Robert gab ihr nur die Anweisung ihm zu folgen.

      Zügig verließen sie die Lichtung in die Richtung, aus der der Professor gekommen war. Eilig liefen sie über den Waldboden. Eine scheinbar endlos lange Strecke rannten sie einfach nur geradeaus. Jeden Augenblick hämmerte nur ein Gedanke durch Skys Kopf: Sam könnte sterben. Robert hatte ähnliche Gedanken, doch er wollte nicht aufgeben, noch blieb Hoffnung. Nervös huschte Skys Blick immer wieder auf die furchtbar große Hand ihres Paten. Kraftlos hingen seine Arme an seinem Körper herunter, beinahe leblos, dachte sie für einen kurzen Moment.

      Und dann erblickte sie die Hütte zwischen einigen Bäumen. Die Rettung, so wollte sie fest glauben.

      Mit dem Fuß trat Robert die angelehnte Holztür auf. Schnell legte er seinen Sohn auf den großen Esstisch, der inmitten des Raumes stand. Eilig durchwühlte er danach ein Regal, auf dem einige Kräuter aufbewahrt wurden. Sky stand wie erstarrt an Sams Seite. Sie fühlte sich nutzlos und wusste nicht, wie sie ihm ohne Anweisungen helfen konnte. In ihrer Hand hielt sie noch immer den Kühlstein. Vielleicht hatte sie etwas falsch gemacht. Vielleicht hätte sie irgendetwas anders machen müssen, sodass die Hand nicht so angeschwollen wäre. Sam fing plötzlich an stark zu zittern. Sein ganzer Leib bäumte sich immer stärker auf. Umgehend hielt Sky seinen Körper, so gut es ging, fest, damit er nicht vom Tisch fallen konnte.

      „Er wehrt sich gegen das Gift“, ertönte hektisch die Stimme des Professors. Und als dieser gerade nach einem Gefäß griff, sprudelte Schaum aus Sams Mund.

      „Er stirbt, Robert!“, schrie Sky schockiert auf. Der Professor eilte ihr zu Hilfe und griff nach dem Kopf seines Sohnes. Umgehend legte er diesen auf die Seite, damit sein Speichel ihn nicht ersticken konnte. Noch immer bebte der Körper des Jungen heftig.

      „Kau das!“, Robert stopfte Sky einige Blätter in den Mund. „Wir haben keine Zeit das anders kleinzumahlen. Er muss das schlucken!“

      Prompt gehorchte sie und zermahlte das bittere Grünzeug zwischen ihren Zähnen. Auch Robert legte sich einige der Blätter in den Mund und kaute. Schnell spuckte sie den Inhalt ihres Mundes in ihre Hand. Sofort reichte sie die kleinen Blätterschnipsel an den Professor, der prompt auch seinen Mund leerte. Dann griff er erneut nach dem Kopf seines Sohnes. Das Schäumen hatte zum Glück nur einen Augenblick lang angedauert und so ließ er die Blätter in seinen Mund fallen. Dann hob er Sams Kopf und betete innerlich darum, dass er alles geschluckt haben möge. Die nächsten Minuten, in denen sein Körper noch weiter zitterte, schienen endlos lang zu sein. Tränen liefen über Skys Wangen, während sie Sams Körper sprachlos festhielt. Auch sein Vater konnte nicht mehr tun als abzuwarten. Es gab keine Uhr im Haus und so blieb ihnen einzig und allein ein ewig langes und nicht endendes Gefühl der Verzweiflung, das beide gepackt hatte.

      Als Sams Körper langsam zur Ruhe kam, sackte Robert kraftlos auf einem der Stühle am Tisch zusammen.

      „Wird er es schaffen?“ Sky sah den Professor mit ihren blauen Augen besorgt an. Langsam wischte sie sich die Tränen von den Wangen.

      „Ich hoffe es. Das wird jetzt die Zeit zeigen.“

      „Und diese Blätter können helfen?“

      Robert nickte. „Die Giftpflanze, die am Stamm des Baumes hinaufwächst, schadet so ziemlich allem, was sie berührt, nur dem Baum selbst nicht. An so einer muss Sam sich irgendwie gekratzt haben. Aber der Baum, an dem die Pflanze wächst, hat ein Gegengift in seinen Zellen und die Jäger schützen sich mit solchen Mitteln.“

      „Woher wusstest du, dass es sich ausgerechnet darum handelte?“, fragte Sky neugierig.

      „Weil es das einzige Gift auf ganz Hope ist, das die Haut um die Wunde herum blass wirken lässt.“

      Dein Vater ist auch so jemand, schoss es Sky bewundernd durch den Kopf. Ja, er war eindeutig ein Mensch, von dem sie unheimlich viel lernen konnte. Er schien sich mit vielen Dingen auszukennen. Vorsichtig lehnte sie sich über Sam. „Halt durch“, flüsterte sie ihm Kraft zu und strich ihm behutsam über die Stirn.

      Der Tag verstrich langsam. Sam atmete ruhig, doch er war noch immer nicht bei Bewusstsein. Der Professor war sich jedoch nun deutlich sicherer, dass sein Sohn das Gift besiegt hatte. Fürsorglich hob er ihn vom Tisch und legte ihn in das Bett in dem angrenzenden Raum. Danach entzündete er ein Feuer im Kamin. Die Hütte war sehr