Christin Thomas

Hope


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dem Spalt in Roberts Arm.

      „Gut gemacht“, flüsterte er ihr dankbar zu. Dann griff er in seine Tasche. Er reichte ihr ein Tuch und presste sich selbst eine kleine durchsichtige Scheibe auf den Arm. Ein Pflaster, das sich umgehend mit der Haut verband, sobald man es aufdrückte und das für eine schnelle Heilung sorgte. In wenigen Stunden würde man nichts mehr davon erkennen. Deshalb gab es auf Hope auch keinen einzigen Techniker mit Narben. Sein Vater hatte an alles gedacht.

      „Nun zu dir, mein Sohn.“ Der Professor nahm Sky das Skalpell ab.

      Sam nickte, fest entschlossen nun genauso tapfer zu sein. Er zog den Arm aus seinen weißen Ärmel und streckte diesen seinem Vater entgegen. Sky legte das Implantat vorerst auf dem Boden ab und rubbelte sich schnell das Blut von den Fingern.

      „Bereit?“ Sein Vater sah ihn erwartungsvoll an.

      „Ja“, gab Sam zur Antwort.

      „In meiner Tasche befindet sich ein kleines rundes Gefäß, darin findest du die Betäubungskerne, Sky. Sie sehen aus wie gewöhnliche Pflanzensamen. Farbe Blaugrau.“

      Sie gab ein „Alles klar“ von sich und lehnte sich zum Vordersitz herüber. Ihre Hand glitt in die finstere Öffnung der Tasche. Sie tastete nach einer winzigen Dose und zog diese unglaublich schnell heraus. In ihrer Hand wuchs das Gefäß auf seine doppelte Größe an. Sky begutachtete es fasziniert.

      „Einfach aufdrehen“, erklärte der Professor, der bereits Sams Oberarm abtastete.

      Sie schraubte den Verschluss auf und entnahm behutsam einen der vielen Kerne. Sie packte das Gefäß zurück und ließ sich auf den Sitz fallen. Dann sah sie Sam grinsend an. „Mund auf!“, forderte sie.

      Auch er musste lächeln und sein Mund öffnete sich. Sie ließ den Kern in seinen Schlund fallen und Sam schluckte.

      „Eins … Zwei … Drei …“, zählte sein Vater langsam und setzte sogleich den Schnitt. Sam wollte schon das Gesicht verziehen, doch er spürte nichts. Erleichtert atmete er auf. Mit wenigen gekonnten Handgriffen hatte sein Vater das Implantat entfernt und gab es an Sky weiter, die es zu dem anderen legte. Dann wischte er sich kurz die Finger ab und strich auch einmal über Sams Arm, bevor er eines der Pflaster auftrug.

      „Wir lassen sie einfach hier im Gleiter liegen“, schlug der Professor vor. „Da draußen folgt ihr mir auf Schritt und Tritt. Bleibe ich stehen, bleibt ihr auch stehen. Deute ich euch in Deckung zu gehen, versteckt ihr euch schnell hinter einem Baum oder einem dichten Blattwerk. Sky, du wirst uns den Weg leuchten, deine Augen werden uns durch die Dunkelheit führen, aber das Licht muss sofort aus sein, wenn ich die Hand hebe“, gab er die ersten Anweisungen.

      Sam warf eine Frage ein: „Wie weit werden wir durch den Wald wandern müssen?“

      „Wenn wir uns beeilen, erreichen wir unser Ziel noch vor Sonnenaufgang.“

      Beide nickten.

      „Sobald wir das Fahrzeug verlassen, sind wir in ständiger Gefahr. Du wirst mir notfalls Rückendeckung geben, Sky. Aber es wird nicht geschossen, bevor ich nicht selbst einen Schuss abgegeben habe. Verstanden?“

      „Natürlich. Kein Problem“, gab sie zur Antwort.

      Dann richtete er das Wort an seinen Sohn: „Hast du deinen Allzweckstab eingepackt?“ Sam zog diesen umgehend aus seiner Tasche und präsentierte ihn seinem Vater.

      „Gut. Stell ihn auf Messer und halte ihn in deinem Gürtel bereit. Es lauern heimtückische Tiere in der Dunkelheit. Denk an die wichtigsten Regeln, die du in der Schule gelernt hast.“

      Sam kannte diese gut und sagte sie laut auf. „Kein Lärm, keine hektischen Bewegungen und im Notfall die Wunden sofort verarzten.“

      Sein Vater strich ihm stolz durch das Haar. „Sehr gut, Sam.“

      Dann stellte Sam seinen Allzweckstab auf Messer und dieser formte an seiner Spitze eine scharfe Klinge. Eilig schob er diese in eine der Halterungen an seinem Gürtel. Robert zog Atemmasken aus seiner Tasche hervor. Umgehend presste er Sam eine davon auf Mund und Nase. Dann zog er den Riemen straff um seinen Kopf herum und verband das Ende mit der vorderen Verankerung.

      „Fest genug?“, fragte er behutsam.

      Sein Sohn nickte zustimmend. Dann setzte auch er sich die Atemmaske auf und legte seine Finger auf die Steuerkonsole. Skys Augen leuchteten auf. Der Professor betätigte den Türöffner und legte sich noch schnell seine Tasche um.

      „Auf geht’s“, sagte er, bevor er sich aus dem Gleiter schwang. Sam und Sky folgten ihm umgehend. Um sie herum lag nichts als Dunkelheit und man hörte in weiter Ferne das unheimliche Lachen einiger Kichereulen. Langsam entfernten sie sich vom Fahrzeug, während Sams Vater voranging und sie dank des Lichts aus Skys Augen zumindest einen kleinen Teil der Umgebung erblicken konnten.

      Der Wald war dicht bewachsen und so musste Robert hin und wieder Gestrüpp beiseite schlagen. Dann hob er plötzlich die Hand und forderte die beiden auf anzuhalten. Ruckartig blieben sie stehen. Sky schloss die Augen und um sie herum wurde es sofort stockfinster. Erst danach konnte Sam ein Knacken aus der Ferne wahrnehmen. Etwas zog durch das Unterholz und es schien sich zu nähern.

      Sam kam es in jenem Moment so vor, als könnte er seinen Herzschlag hören. Er versuchte ganz still zu bleiben und erstarrte vollkommen, um kein Geräusch zu erzeugen. Mit den Augen tastete er die Dunkelheit ab und tatsächlich konnte er in einiger Entfernung leuchtende Augen erkennen, die aufmerksam nach Beute suchten. Eine Raubkatze, schoss es ihm durch den Kopf. Vielleicht nur eine kleine Erdkatze, aber es war schwer die Größe richtig einzuordnen. Im schlimmsten Fall könnte es sich um einen Schattenmansuren handeln, schwarz wie die Nacht, riesige Krallen und fähig des Nachts Beute bis in die Ferne zu erkennen. Sie wären in größter Gefahr, denn diese Tiere hatten eine Schulterhöhe von etwa einem Meter und waren somit nicht gerade klein. Als die leuchtenden Augen plötzlich zum Stillstand kamen, schien es Sam, als starrten sie ihm direkt ins Gesicht. Er schluckte. Es war wirklich ein Schattenmansur.

      „Jetzt, Sky!“, brüllte sein Vater und sie riss unmittelbar die Augen auf. Licht durchströmte die Dunkelheit und das Tier preschte augenblicklich auf sie zu. Sam zog blitzartig sein Messer und sein Vater zielte mit seiner Waffe auf den Ankömmling.

      „Eins …“, zählte er und konzentrierte sich auf den Schuss. „Zwei …“ Zum ersten Mal erblickten sie im Licht ihren Gegner. „Drei …“ Robert drückte ab. Ein Laser traf den Schattenmansuren und streifte ihn am Kopf. Die Raubkatze schreckte kurz zurück und fletschte wütend die Zähne. Sie war riesig. Sam zitterte am ganzen Leib. Er spürte, wie Sky ihn mit ihrer rechten Hand zurückdrängte. Dann streckte sie ihre linke Hand aus und spreizte ihre Finger. Der Mansur sprang plötzlich los und riss Sams Vater zu Boden, der zuvor noch einen weiteren Schuss abgeben konnte, doch das Tier schien wie in Rage und ließ sich von dem Treffer nicht beirren.

      „Nein!“, schrie Sam auf, als das riesige Maul versuchte nach dem Kopf seines Vaters zu schnappen. Robert wich mehrmals aus und drückte mit aller Kraft gegen die monströse Raubkatze. Dann schossen Blitze aus Skys Fingern und der Schattenmansur zitterte am ganzen Leib. Mehrere Sekunden lang ließ sie Strom durch seinen Körper jagen, bevor dieser kraftlos über dem Professor zusammenbrach. Dann gab es nichts als Stille. Erschrocken stand Sam hinter dem R2, der so etwas noch nie gesehen hatte. Mühsam befreite sich sein Vater und stand vorsichtig auf. Blut befleckte seine weiße Jacke.

      „Alles in Ordnung“, beruhigte er Sam, dem man seine Befürchtung ansah, „das ist nicht meins.“ Dann steckte er seine Waffe in den Gürtel. „Vielen Dank, Sky.“

      Sie sah ihn schwer atmend an. „Ein Schattenmansur?“

      „Ja. Davon gibt es hier noch eine ganze Menge, also beeilen wir uns besser“, antwortete Robert ernst. Auch Sam steckte sein Messer zurück und folgte den beiden sprachlos. Noch immer schlug ihm das Herz bis zum Hals. Das hätte auch ganz anders ausgehen können, wusste er. Doch es gab noch weit Schlimmeres in den Tiefen der Wälder. Die meisten Bedrohungen lauerten unauffälliger auf ihre Opfer und so blieb jeder Schritt weiterhin gefährlich.