Daniela Hochstein

Daimonion


Скачать книгу

mir sicherlich in Kürze noch von großem Nutzen sein.

      Rasch entledigte ich mich meiner Lumpen, wusch mich in dem kalten Wasser des Flusses, strich mir mit den Fingern mein zerzaustes Haar glatt und zog meine neuen Kleider an. Dabei lobte ich mich für meine gute Wahl, denn sie passten mir, die Stiefel eingeschlossen, wie angegossen.

      Es war ein wunderbares Gefühl, wieder gepflegte Kleidung und insbesondere Schuhe zu tragen! Begeistert sah ich an mir herunter und war mit meinem neuen Erscheinungsbild äußerst zufrieden. Als Eintrittskarte in mein neues Leben würde es allemal ausreichen.

      Bevor ich jedoch ging, um Dieses noch heute Nacht zu beginnen, musste ich den Leichnam des entkleideten Edelmanns entsorgen. Ich hätte ihn gerne in dem Fluss versenkt, doch ich hatte nichts zur Hand, um seinen Körper damit zu beschweren. Also schob ich ihn einfach ins Wasser und ließ ihn die Strömung hinab treiben. Irgendwo würde man ihn zwar morgen finden, doch bis er identifiziert und seinem Wohnort zugeordnet worden war, wäre ich entweder schon aus der Stadt verschwunden oder hätte mir neue Kleidung besorgt, sodass ich nicht durch einen dummen Zufall als Mörder entlarvt werden konnte. Das genügte mir.

      Beschwingten Schrittes kehrte ich – endlich wieder in einen Menschen verwandelt - zur Straße zurück und pfiff sogar ein Lied dabei. Es war ein gutes Gefühl, sich nicht verstecken zu müssen und ich genoss es, einfach ganz unbedacht durch die Straßen zu schlendern. Zu dieser späten Stunde begegnete ich zwar nur noch einem einzigen Menschen, aber ich freute mich wie ein Kind, dass ich von ihm bemerkt, aber nicht weiter beachtet wurde, obwohl er noch nicht einmal betrunken war...

      Tatsächlich fühlte ich mich so menschlich, dass ich erst zur Morgendämmerung daran dachte, mir für den Tag einen sicheren und dunklen Unterschlupf zu suchen.

      Ich überlegte, wo ich einen solchen auf die Schnelle finden könnte, denn auf gar keinen Fall wollte ich noch einmal zurück in die Gruft und mich wie ein diabolischer Unhold in diesen widerwärtigen Sarkophag legen! Mir stand der Sinn eher nach einem Zimmer mit einem weichen, warmen Bett.

      Also klopfte ich kurz entschlossen bei dem nächsten Gasthaus an die Tür. Es dauerte eine Weile und ich musste mehrmals kräftig klopfen, bis mir von einem älteren, hageren Herrn geöffnet wurde. Er hatte sich sichtbar eilig einen Morgenrock übergeworfen, und seine nackten, wenig behaarten Beine steckten barfuß in grauen Filzpantoffeln. Mit verschlafenen Augen musterte er mich skeptisch von Kopf bis Fuß.

      Plötzlich hatte ich die Sorge, dass ihm irgendetwas an mir auffallen würde, was mich in Gefahr hätte bringen können. Seit meiner Verwandlung hatte ich mich nicht mehr in einem Spiegel gesehen. Wer weiß, vielleicht trug ich ja jetzt ein Mal auf der Stirn oder meine Augen waren zu Katzenaugen geworden... Wenn es so gewesen wäre, ich hätte es nicht gewusst.

      Meine Muskeln spannten sich an und ich war bereit, sofort die Flucht zu ergreifen. Doch im gleichen Augenblick hellte sich der Blick des Gastwirts auf. Er hatte scheinbar aus meiner Erscheinung geschlossen, dass ein wohlhabender Mann vor ihm stand und witterte das Geschäft.

      `Ich nehme an, Sie suchen ein Zimmer, der Herr?´, fragte er bemüht freundlich und blickte erwartungsvoll zu mir herauf, denn er war ein Stück kleiner als ich.

      `In der Tat, das suche ich´, antwortete ich, wobei ich darauf achtete, mir meine ungeheure Erleichterung nicht anmerken zu lassen. `Allerdings brauche ich ein ruhiges und insbesondere absolut dunkles Zimmer, wo ich ungestört zur Ruhe finden kann, da ich sehr lichtempfindlich bin... Können Sie mir ein solches vermieten?´

      Der Wirt überlegte.

      `Ich werde gut dafür bezahlen´, setzte ich nach, worauf der Wirt sich verlegen am Kopf kratzte.

      `Hmm... Das einzige, dafür in Betracht kommende Zimmer ist leider noch bis zum Morgen belegt...´

      Ich unterbrach ihn bei seinen Überlegungen: `Ich weiß nicht, ob Sie mich verstanden haben: Ich werde gut bezahlen! Sie müssen das Zimmer bloß räumen, und zwar jetzt! Ich kann nicht viel länger warten...´ Um meinen Worten noch zusätzlich Nachdruck zu verleihen, zog ich die schwere Geldbörse hervor. Der Wirt starrte auf die Börse in meiner Hand und seine Augen begannen unmittelbar zu leuchten.

      `Selbstverständlich werden Sie das Zimmer in wenigen Minuten beziehen können. Warten Sie hier!´ Und bei diesen Worten hastete er davon.

      Ich stand wartend am Eingang und konzentrierte mich darauf, zu hören, was drinnen vor sich ging, nicht zuletzt auch deshalb, weil ich der ganzen Angelegenheit noch immer nicht recht traute und auf diese Weise rechtzeitig hätte verschwinden können.

      Tatsächlich aber weckte der Wirt den besagten Gast unsanft aus seinem Schlaf und scheuchte ihn, zu dessen Empörung, mit der Begründung, es handle sich um einen Notfall, aus dem Zimmer. Amüsiert und zufrieden musste ich grinsen.

      Nur kurze Zeit später stand der Wirt wieder vor mir und drückte mir den Zimmerschlüssel in die Hand.

      `Bitte sehr, das Zimmer ist gerichtet. Ich werde dafür sorgen, dass Sie nicht gestört werden, bis...?´ Fragend sah er mich an.

      `Bis zum kommenden Abend´, antwortete ich bestimmt.

      `Bis zum Abend. Sehr wohl!´ Er nickte verständig. `Kommen Sie, ich führe Sie nach oben!´

      Freundlich lächelnd signalisierte er mir mit einer Geste, voran zu gehen, und wies mir den Weg eine knarrende Treppe hinauf in die erste Etage, wo sich das Zimmer am Ende eines schmalen Flures befand.

      Ich wusste, dass die Freundlichkeit des Wirtes eher der Aussicht auf einen guten Verdienst galt, als meiner Person, aber dennoch war ich gerührt. Es tat einfach gut, nach langer Zeit der Einsamkeit sowie der letzten, äußerst schlechten Erfahrung mit den Menschen, von einem Solchen ausnahmsweise auch einmal freundlich behandelt zu werden.

      Das Zimmer war zwar eng, aber zu meiner vollsten Zufriedenheit. Es besaß bloß ein kleines Fenster mit außen angebrachten Fensterläden, die ich am Tage schließen konnte. Zusätzlich bestand die Möglichkeit, von innen Vorhänge aus dichtem Stoff davor zu ziehen. Und sollte sich trotzdem noch ein Sonnenstrahl hier her verirren, so konnte ich mich zuletzt dadurch vor ihm schützen, dass ich die Vorhänge des Himmelbettes, welches den Raum weitestgehend ausfüllte, herunterließ.

      An der Zimmertüre befand sich praktischer Weise, zusätzlich zu dem gewöhnlichen Schloss, noch ein Riegel, den man nur von innen zuschieben konnte, sodass ich mir sicher sein konnte, am Tage nicht von ungewolltem Besuch überrascht zu werden.

      Kurz: es war einfach perfekt!

      `Vielen Dank´, wandte ich mich daraufhin an den Wirt. `Das Zimmer entspricht genau meinen Vorstellungen! Ich werde Ihnen eine Anzahlung geben und den Rest gibt es dann am kommenden Abend.´ Bei diesen Worten nahm ich die Hand des Wirtes, drehte sie mit der Handfläche nach oben und ließ ein paar Taler aus meiner Börse hinein plumpsen, wovon ich wusste, dass es mehr waren, als der Wirt für dieses Zimmer verlangt hätte. Die Augen des Wirtes weiteten sich bei diesem Anblick erfreut und er schloss schnell die Faust um die Taler, als fürchtete er, ich könne sie ihm sonst wieder fortnehmen.

      `Ganz zu Ihren Diensten´, sagte er beflissen, verbeugte sich dabei kurz und verschwand dann rückwärts aus dem Zimmer.

      Während ich die Tür hinter ihm schloss, konnte ich noch hören, wie er sich mit eiligen Schritten entfernte und war mir sicher, dass er mich gewiss am Tage nicht stören würde. Dennoch legte ich den Riegel vor, schob den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn um und ließ ihn dort stecken. Dann drehte und rüttelte ich noch einmal an dem Knauf, um mich davon zu überzeugen, dass die Türe auch wirklich verschlossen war.

      Ich muss zugeben, dass ich in diesem Moment wirklich Sorge hatte, am Tage unverhofft entdeckt zu werden. Ja, die Furcht war sogar so groß, dass ich kurz überlegte, mich doch wieder in meiner Gruft zu verkriechen. Aber ein Blick auf das Himmelbett, das da stand, wie ein wahr gewordenes Versprechen, und die Aussicht, in diesem wunderbaren Bett auch noch schlafen zu dürfen, reichte schließlich aus, diesen Gedanken sofort wieder zu verwerfen.

      Also ging ich zu dem Fenster und öffnete es, um die Läden zu schließen. Dabei schaute ich noch einmal in