Wilhelm Kastberger

Zwischenräume im Tagebuch von Jeannine Laube-Moser


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hatte.

      Freilich, das glaubst nur Du, dass ich mich noch bei Dir entschuldigen soll, weil ich Dich bisher noch nicht darüber informiert habe. Das kannst Du Dir gleich einmal abschminken, weil eine ausgesprochene Dummheit habe ich ja nicht begangen.

      Lass mich bitte weitererzählen, wie es damals quasi mit meiner Lebensumstellung angefangen hatte. Der Herbert, die Margot und ich sitzen also ganz gemütlich beim Kaffee im Wohnzimmer. Klar, in ihrem Wohnzimmer. Wir zwei Frauen haben mit unserer neuen Überdrüberfrisur den lässig sitzenden, immer noch ein wenig verblüfften Golfplatzärgerer ohnehin schon des Charmes wegen in unsere Mitte genommen. Es waren wirklich nur zwei halbe Mundvoll Kaffee, die ich aus meiner vor mir stehenden Tasse geschlürft habe. Das kannst Du mir ohne Weiteres abnehmen. Unmittelbar darauf erfolgte nämlich schon der verbale Überfall. Ich weiß es noch, als wäre gerade eben passiert.

      „Woast Schani, da Herbert und i gengan seit guat an hoibn Joahr zuan Tanzkurs und für di wa des a wos. Moanan mia zwoa hoit.“

      Dass man nach solch einfühlenden Worten sprachlos werden könnte, wäre überhaupt kein Wunder nicht. Aber ich wurde nicht sprachlos. Ganz im Gegentum, ich wurde neugierig. Sogar sehr neugierig. Ein Wort folgte dem anderen. Jeder Satz, der von der Margot mit einem Schluckerl Kaffee im Mund sowie Keksbrösel auf den Lippenrändern, in ein flüssiges Deutsch umgewandelt und dementsprechend bewässert herausgesprudelt worden war, wurde unmittelbar drauf von Herbert so lange weiter zerpflückt und umformuliert, bis meiner lieben Freundin, mit ihrer bewundernswerten Diplomatie das Seil ihrer Geduld gerissen war und sie ihm mit ihren zarten, aber grellrot lackierten Fingerkrallen, brutal seinen Schnabel zugehalten hatte. Um sich quasi für diese Handgreiflichkeit bei mir zu entschuldigen, wechselte sie sogleich das Thema. Sie schwenkte auf ihr Hobby, nämlich der Trachtenschneiderei um. Von diesen Heimarbeiten hatte der Herbert so und so keinen blassen Dunst.

      Ganz blöd bin ich ja auch nicht. Das weißt Du, und ich weiß es zum Beispiel genau, dass man mit einem Trachtengwandln nicht die neumodernen Rock- und Tschingbum-Tänze machen wird können. Gut - können vielleicht ja! Aber diese Musik, wenn’s überhaupt eine sein sollte, passt halt irgendwie nicht b´sonders gut zu unserer Tracht dazu.

      So nach und nach legte die Margot zuerst ihre Fingerkrallen von Herberts Mund und dann auch ihre Idee auf den Tisch. Quasi als Dessert zum Kaffeehäferl kam dann das eigentlich Interessantere unter das gedämmte Wohnzimmerlicht.

      Selbstverständlich wusste sie damals ganz genau, dass ich weder ein Dirndl, noch eine Lederhose zu meinem Besitz zählen konnte. Obwohl, wenn ich darüber angeregt nachdenke, mich ein Dirndlgwandl gewiss kleiden würde.

      Hingegen würde ich als Lederhosenträgerin nicht einmal eine Tageskarte für eine Fahrt im Bus oder im Zug ausgehändigt bekommen.

      Schau mich bitte an, ja von der Seite tut’s auch! Das wäre viel zu gewagt gewesen. Das meinst Du wohl auch! Oder? Stell Dir vor, ich müsste in so einer krachledernen australischen Hirschbocklederhose herumlaufen. Ich weiß schon, dass so ein unbiegsames heißes Höschen heuer sehr modern sein soll. Ich weiß noch viel mehr, und zwar gibt es die als Paketangebote im Trachtenmodediskonter. Du kannst das gute Stück mit Bluse oder Hemd, mit Socken oder Stutzen in Graubraun oder in Dunkelgrün, samt Pseudohaferlschuhe mit braunem künstlichen Wildleder oder glattem Büffelleder erwerben. Diesen Werbezettel habe ich sogar noch irgendwo aufgehoben. Nein, das tue ich mir auf keinen Fall in meinem Alter nicht mehr an. Dann schon eher … Ich bin schon ganz blöd und durcheinander auch noch.

      Und deswegen glaube ich heute noch, dass Margot ihre Pferde damals viel zu schnell losgelassen hatte und mir ohne Wenn und Aber ein Dirndl zum Kauf aufschwatzen wollte.

      Das musst du Dir erst einmal geben! Rein zufällig habe ich erfahren, dass auf den Parklätzen der Bergbahnen zwischen Bramberg und Zell am See, aber auch beim MAXI MARKT periodisch, sozusagen alle paar Wochen halt, jeweils ein Flohmarkt abgehalten wird. Dorthin pilgerte ich hin. Ich schreib hier nicht den genauen Ort auf, weil sonst kommst Du auch noch dort vorbei. Also gut ich schlenderte dann auf dem Gelände von einem Trödel zum andern. Jede Menge Händler boten hier alles Mögliche und Unmögliche zum Verkauf an. Abgesehen von Bekleidung, Schuhe und Porzellangeschirr, wurden auch ausgestopfte Vögel und Füchse sowie Sammelbüchsen mit und ohne Briefmarken, zum Handeln angeboten. Ja, ja handeln war meine Leidenschaft. Das habe ich immer schon gerne gemacht. Nicht böse Absichten verbergen sich dahinter. Nein, eher der Kitzel, wenn nach einigem Hin und Her der Anbieter oder seine Frau die Entscheidung getroffen hat, und mir den Schmarrn um zwei oder gar um fünf Cent billiger nachschmeißt. Und ich dumme Kuh sehe dann erst daheim in meiner LED beleuchteten Küche, dass das wunderschöne Haferl, mit alten Motiven von Maria Zell, einen Sprung in der Tasse hat. Das LED-Licht solltest Du Dir bei Gelegenheit einmal genauer erklären lassen. Man braucht fast keinen Strom nicht und die Birne leuchtet. Funktioniert aber nur mit einem Dynamo oder so.

      Rückgaberecht am Flohmarkt ist verwirkt oder gibt’s gar keines. Jedenfalls heißt das für mich im Klartext: Ich habe jetzt nicht nur einen Sprung in meiner Tasse. Wurscht – oder?

      Solange turnte ich auf dem Areal herum, bis ich der Hoffnung soweit nahe gerückt bin, dass ich meine engere Auswahl treffen konnte.

      So war es dann auch. Ich erhandelte mir mit Weh und Ach ein Trachtendirndl. Gefallen hatte es mir sofort. Leider gepasst hatte es halt hinten und vorne nicht und auf der Seite schon gar nicht. Aber das war dann für die Margot kein Problem.

      Unter uns - so im Vertrauen, ich hätte immer schon gerne ein schönes Dirndltrachtgewand gehabt und auch vielleicht einmal angezogen. Mittlerweile habe ich drei solche. Also das Erste erstand ich ja am Flohmarkt. Die anderen zwei habe ich dann kaum zwei Wochen später in einem Trachtendiskontladen in Zell am See, im Rahmen einer fünfzig-Prozent-Aktion erwerben können. Fünfzig Prozent deshalb, weil man nur kurz ein geschnittenes und nicht ein bodenlanges Gwandl bekommen hatte.

      Ich muss noch schnell eine kurze Rückblende zum inzwischen ruhiggestellten Herbert machen:

      Margots rote Fingerkrallen tänzelten nicht mehr vor seinem Angesicht. Vermutlich deshalb kehrte sein Bewusstsein wieder an den Ausgangspunkt seiner Gschaftlhuaberei zurück. Er war von der Idee, einen Flohmarkt besuchen zu wollen, gleich Feuer und Flamme. Herbert ist nicht nur ein Golfer mit Leib und Seele, sondern auch ein passionierter Sammler von alten gebrauchten Golfbällen. Und solche hat er schon jede Menge bei ihm zuhause in Kisten und Schachteln versteckt. Dahinter versteckte sich auch ein praktischer Leitgedanke aus dem Fundus seiner Lieblingsbeschäftigung. Er benötigte nie mehr zwei Euro in bar, die er in Vorzeiten für einen Golfball aus den Automaten ausgeben musste.

      Bedenklich war es schon. Wie soll ich es Dir erklären. Ich sollte also, nach dem Willen von Margot und gegen meinen Willen, mit der neuen Frisur auf meinem Schädel zum Flohmarkt gehen. Mein lieber Spitz, das war schon eine steile Herausforderung, die ich nicht so ohne Weiteres bewältigen werde müssen. Eigentlich hatte mir der Weg vom Friseursalon nach Hause schon gereicht und da habe ich bewusst Umwege in kaufgenommen, damit mich so wenig Leute, wie nur möglich, sehen konnten. Alles gut und schön! Wie schon gesagt, das mit der passenden Kleidung war an und für sich ein Klacks. Was immerhin dann als Draufgabe noch dazugekommen ist, das war nicht von schlechten Eltern.

      Aber als eine der gelungensten Überraschungen in meinem bescheidenen Leben zählte es allemal.

      Wenn mir das irgendwer einmal auch nur im Traum zugeflüstert hätte, ich würde gemeinsam mit der Margot und dem Herbert zu einem Volkstanzkreisverein fahren, um dort auch noch als zahlendes Kursmitglied eingetragen zu werden, glaube mir, ich hätte mich selbst für verrückt erklärt.

      Zugegeben - ich habe mich von den beiden dazu überreden lassen. Jawohl - überreden! Freilich tauchten aus meinem molekularischen Nichts mehrere Handikaps zur selben Zeit an die Oberfläche. Diese unerwarteten sportlichen Aufgaben, die ich auf mich zukommen sah, mussten ausnahmslos besondere Wichtigkeiten beigemessen werden. Und solche gab es jede Menge. Jedenfalls brauche ich zu allererst Tanzschuhe. Alles Weitere durchschaue ich später vielleicht.

      Das geht immer so. Wenn ich zum Beispiel mir einen langgehegten Wunsch für mich selbst erfüllen möchte, der allem Anschein nach bloß geringfügige Veränderungen im Schlafzimmer vorsehen würde,