Peter Beuthner

Das Familiengeheimnis


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rein äußerlich, immer auf der Höhe der Zeit, aber ge­sel­lig­keitsmäßig, also innerlich, verkrustet wie ein Greis.“

      „Diese Beleidigung will ich jetzt mal großzügig überhört haben“, erwiderte Trendy. „Aber mit der ‚Zeit‘ hast du den Nagel auf den Kopf getroffen: Über das Phänomen unterhalten wir uns gerade.“

      „Auch gut, da kann ich mitreden“, antwortete Sputnik postwendend. „Beim Thema ‚Zeit‘ fällt mir als erstes immer das Zitat des großen Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe ein: ‚Gerne der Zeiten gedenk' ich, da alle Glieder gelenkig – bis auf eins. Doch die Zeiten sind vorüber, steif geworden alle Glieder – bis auf eins.‘ Ist das nicht herrlich ausgedrückt von dem alten Mann?“

      Alle mußten lachen. „Ja, da können wir heute noch herzlich drüber lachen, denn bis es bei uns soweit ist, da haben wir ja glücklicherweise noch ´ne Menge Zeit“, meinte Chimney.

      „Ja, und was ist also euer Problem, weshalb ihr hier die Zeit der schönen Stunde so sinnlos verquatscht?“ wollte Sputnik wissen.

      „Von ‚sinnlos‘ kann gar keine Rede sein, es geht vielmehr um Bildung!“ belehrte Chimney ihn. „Trendy wollte etwas über das Wesen der Zeit wissen, und das versuchen wir ihm gera­de zu erklären – soweit wir es selber verstehen. Für die Richtigkeit unserer Aussagen über­neh­men wir natürlich keine Haftung!“

      „Ahhhh-ha! Verstehe! Und dazu wählt ihr ausgerechnet Ort und Zeit einer so stimmungs­vollen Party?!“ lästerte Sputnik. „Als wenn es hier keine süßen Mädels gäbe . . . und keine flotte Musik . . . und kein Bier! Euch ist doch wirklich nicht zu helfen!“

      „Na, du mußt ja nicht hier bleiben. Also geh‘ schon zu deinen Mädels. Wir kommen, wenn wir hier fertig sind.“

      Sputnik blieb noch etwas unschlüssig stehen, während die anderen ihr Gespräch fortsetzten.

      „Ich hab‘ noch zwei Fragen“, sagte Trendy.

      „Schieß los!“

      „Okay, also einmal zum Abstand von großen Massen: Du sagtest vorhin, in der Nähe großer Massen würde die Zeit gravitationsbedingt gedehnt. Nun leben wir Menschen ja direkt auf der Erdoberfläche mit ihrer großen Masse. Das würde doch aber bedeuten, daß die Zeit für uns langsamer vergehen müßte als beispielsweise in großer Höhe, also weiter weg von der Erde. Tut sie das?“

      „Das tut sie in der Tat. Es heißt: Für einen Beobachter am Fuß eines Turms tickt seine Uhr lang­samer als eine an der Turmspitze befindliche. Denn je näher sich eine Uhr am Zentrum der Erde befindet, desto stärker bremst deren Masse die Zeit.“

      „Ohh! Dann will ich nicht oben in einem Wolkenkratzer wohnen!“ rief Trendy. „Schöne Aus­sicht hin oder her. Wenn ich dafür früher sterben muß, dann kann ich gerne darauf verzich­ten.“

      Jie und Chimney schauten sich verdutzt an, schüttelten den Kopf und schienen sagen zu wollen: Spinnt der jetzt? Aber das verkniffen sich beide. Statt dessen beruhigte Jie ihn: „Also darüber mußt du dir nun wirklich keine Sorgen machen, Trendy. Da kommen allenfalls Diffe­ren­zen von Mikrosekunden zusammen – wenn überhaupt.“

      „Na gut. Das ist ja beruhigend. . . . Zweite Frage: Die bezieht sich auf die Geschwindigkeit. Du sagtest vorhin: Je schneller sich einer bewegt, desto langsamer vergeht für ihn die Zeit.“

      „ . . . aus der Sicht eines sich nicht bewegenden Be­trachters, ja.“

      „Was heißt das denn? Wird er nun langsamer alt oder nicht?“

      „Hmm, wenn man das Beispiel der Zeitreise betrachtet, das ja bekanntlich wissenschaftlich abgesichert ist, dann ist der Reisende relativ zu den auf der Erde Zurückgebliebenen tat­säch­lich lang­samer gealtert.“

      „Also doch! Dann ist meine Frage: Was bedeutet das eigentlich für uns, die wir uns doch auch ständig mit der Erdumlaufgeschwindigkeit um die Sonne bewegen? Wie schnell ist die eigent­lich?“

      „Wenn ich mich recht erinnere, ist die durchschnittliche Bahngeschwindigkeit der Erde rund 30 Kilometer pro Sekunde und damit etwa ein Zehntausendstel der Lichtgeschwindigkeit.“

      „Ja, und was bedeutet das jetzt hinsichtlich meiner Frage?“

      „Zumindest kann man schon mal sagen, daß der Effekt, wenn er denn für diesen Fall tat­säch­lich zutrifft, jedenfalls nicht sehr groß ist, weil die Geschwindigkeit gemessen an der Licht­geschwindigkeit immer noch sehr klein ist.“

      „Immerhin rasen wir mit 30 Kilometer pro Sekunde durchs All! Das ist ja nicht Nichts. Da müßten wir doch theoretisch langsamer altern, als wenn sich die Erde nicht bewegte.“

      „Daß sich die Erde nicht bewegt, gibt’s nicht“, sagte Jie bestimmt. „Stillstand im All gibt es über­haupt nicht. Alles bewegt sich, das Universum expandiert mit zunehmender Geschwin­dig­keit, und alle Plane­ten drehen sich um eine Sonne. Also den Gedan­ken kannst du verges­sen.“

      „Ä, ä! Ich habe im WorldNet vor einiger Zeit eine Notiz gefunden, daß Astronomen im Jahre 2013 außerhalb unseres Sonnensystems einen Planeten entdeckt haben, der frei im Welt­raum flog, ohne um eine Sonne zu kreisen. Also, sowas ist offenbar schon möglich“, wandte Chimney ein.

      „Ja, gut. Aber auch der stand ja nicht still, sondern flog durchs All – also kein Stillstand!“

      „Okay, okay!“ beharrte Trendy. „Aber nur mal theoretisch: Glaubst du, wir würden schneller altern, wenn sie sich nicht bewegte?“

      „Keine Ahnung. Das wären ja völlig andere Verhältnisse – immer vorausgesetzt, daß so etwas überhaupt möglich wäre. Da herrschten ja ganz andere Gesetzmäßigkeiten. . . . Also nee, keine Ahnung, wie sich das auswirken würde.“

      „Ach, irgendwie ist mir das alles zu unübersichtlich“, zog gerade Trendy sein Resümee aus diesem Dis­kurs, als ihm jemand von hinten auf den Kopf klopfte. „Hey! Was soll das?“ rief er und drehte sich dabei blitzartig um.

      Hinter ihm stand Russki und fragte in die Runde: „Was ist das hier für eine Verschwörerver­samm­lung?“

      „Was willst du denn?“ kam als Antwort.

      „Ich bin die Party-Polizei und verhafte euch wegen Mißachtung der Partyregeln und Boykot­tierens dieser gesell­­schaftlichen Veranstaltung!“

      „Ach du lieber Himmel! Was ist das denn für ‘n Spinner?“

      Aber mit dieser abrupten Unterbrechung war schließlich auch irgendwie die Luft raus aus ihrer Diskussion, und Trendy zog es vor, sich nun wieder anderen Dingen zuzuwenden: „Okay Leute; war nett, mit euch zu plaudern! Aber jetzt muß ich mich mal wieder um die anderen kümmern. Und vor allem muß ich mir endlich mal wieder ein Bier reinziehen, bevor ich hier an Staublunge verrecke, versteht ihr?“

      „Ja, ja! Hau schon ab!“ entgegnete Chimney etwas matt. Aber dann stand auch er auf, um zum Biertresen zu gehen, und die anderen folgten ihm.

      Die Party dauerte noch lange an. Die Stimmung war ausgezeichnet. Es wurde viel getanzt. Die Musik war leider meist viel zu laut, so daß die Unterhaltung den ganzen Abend über nur unter erschwerten Bedingungen möglich war. Aber es hat trotzdem allen Spaß gemacht.

      Einkaufsbummel

       Die Party hatte sich bis in den frühen Morgen hineingezogen, und so war am nächsten Tag erst mal Ausschlafen angesagt, jedenfalls für die Kinder. Es war Sonntag, man hatte keine Verpflichtungen, und so konnte man den Tag ganz ruhig angehen lassen. Erst für den Nach­mittag hatten sich Chan und Jiao zu einem Stadtbummel verabredet, vielleicht auch ein bißchen durch die Geschäfte zu schauen. Es war für sie immer wieder ein Vergnügen, mal so richtig losgelöst und entspannt, frei von jedem Termindruck, durch die Straßen und Ge­schäfte zu schlendern, hier und da nach Neuigkeiten zu schauen, bei einer Tasse Tee im Straßen­café die vorbeiziehenden Leute zu beobachten