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bei ihnen erschien und fragte, ob sie helfen könne.

      Ja, das konnte sie. Jetzt bekamen die beiden all ihre Fragen zu ihrer Zufriedenheit beant­wor­tet. Und es war auch noch ein Exemplar in Jiaos Größe da, das sie sogleich anprobierte.

      „Ist es nicht süß?“ fragte Jiao wieder ihre Mutter vor lauter Entzücken. „Und es paßt wie an­ge­­gossen!“

      „Ja, es ist wirklich sehr schön und steht dir gut“, bestätigte Chan aufrichtig.

      Jiao schaute sie mit vor Glück strahlenden Augen an, bis Chan endlich sagte: „Na, dann nimm es doch! Worauf wartest du noch?“

      Jiao machte einen Luftsprung. „Schön, daß es dir auch so gefällt!“

      Sie ließen sich den Pulli einpacken und gingen zum Kassenterminal.

      „Warte mal“, sagte Jiao zu ihrer Mutter, als sie bemerkte, daß diese gerade ihren PACCS zur Bezahlung vorbereiten wollte. „Ich will erst mal sehen, ob es bei mir vielleicht doch noch reicht.“

      Sie wußte sehr wohl, daß dies nicht der Fall war, dennoch fühlte sie sich zu dieser Geste des guten Willens irgendwie verpflichtet. Sie wollte nicht, daß es so aussähe, als nutzte sie die Situation aus, um über den ihr zur Verfügung stehenden monatlichen Budget­rahmen hinaus noch ein paar Dinge ‚abzustauben‘. Und sie wollte sich auch in der Tat an diesen Rahmen halten. Aber jetzt war sie unversehens in eine Konfliktsituation geraten, denn der Pulli war Liebe auf den ersten Blick. So ein Stück würde sie so schnell nicht wieder finden.

      Sie schaute auf ihren PACCS, sagte: „Verfügungsrahmen!“ Das Display zeigte 3,10 Euro. „Mist! Es reicht tatsächlich nicht!“ sagte sie enttäuscht.

      „Nun laß mal sein“, sagte Chan beschwichtigend. „Ich schenke dir den Pulli, aber wir reden zu Hause nicht darüber, okay?“

      „Du bist großartig, Mam!“ strahlte Jiao sie an. „Aber ich möchte es eigentlich nicht. Weißt du, es ist ein bißchen unfair gegenüber meinen Brüdern, die ja auch mit ihren Budgets aus­kom­men müssen. Und außerdem will ich ja auch wirklich mit meinem auskommen. Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, wenn ich das nicht schaffe und wegen der paar Klamotten über­ziehe. Ich muß mal endlich lernen, zu verzichten.“

      „Ich nehme die gute Absicht für die Tat“, sagte Chan und freute sich über die aufrichtige Ein­stellung ihrer Tochter. „Es ist alles richtig, was du sagst. Aber in begründeten Fällen darf man auch mal eine Ausnahme machen. Dies ist so ein Fall. Es würde dich unglücklich machen – und damit auch mich –, wenn du diesen schönen Pulli, der dir wirklich sehr gut steht, jetzt nicht mitnehmen könntest. Und im nächsten Monat ist er dann vielleicht schon vergriffen.“

      „Wir können das ja so machen, daß du es mir auslegst, und ich gebe es dir von meinem nächsten ‚Gehalt‘ zurück“, schlug Jiao vor.

      „Der Vorschlag ehrt dich, mein Kind. Aber wir machen jetzt, wie ich schon sagte, eine Aus­nahme – eine Ausnahme, wohlgemerkt!“

      Jiao schwankte zwischen Freude und Gewissensbisse. Dann umarmte sie ihre Mutter, gab ihr einen Kuß auf die Wange und sagte freudestrahlend: „Danke, Mam.“

      Chan ließ den Betrag von ihrem PACCS abbuchen, und beide schlenderten Arm in Arm und sichtlich zufrieden aus dem Geschäft.

      „Komm, laß uns runter ins Fischerviertel gehen, in dieses nette Café, wo es den guten grünen Tee gibt“, schlug Jiao vor. „Das hat Südwest-Seite, da können wir uns noch ein biß­chen in die Sonne setzen und für den Heimgang erholen.“

      „Ja, das ist eine gute Idee“, pflichtete Chan ihr bei.

      Sie hatten Glück, denn es wurde gerade ein Tisch frei. „Ein Platz an der Sonne, wie schön!“, rief Jiao begeistert aus. Sie bestellten ihren Lieblingstee und etwas Gebäck. „So könnte ich das jetzt ´ne ganze Weile aushalten“, sagte Jiao, nachdem sie es sich auf ihrem Stuhl so richtig bequem gemacht hatte. Sie streckte sich lang aus, der Sonne entgegen, um noch möglichst viele der wärmenden Strahlen aufzufangen. „Ich bin jetzt doch ziemlich müde“, sagte sie. „Das habe ich vorher beim Einkaufsbummel gar nicht so gemerkt. Da macht sich die kurze Nacht bemerkbar.“

      „Wie war denn eure Party gestern abend?“ fragte Chan. „Als wir so gegen Neun mal kurz rein­schauten, schienen ja alle sehr fröhlich und ausgelassen zu sein. Ihr habt euch wohl sehr gut amüsiert, was?“

      „Ja, ja, es war ganz prima, wir hatten viel Spaß“, begann Jiao zu erzählen. Sie unterhielten sich wie zwei beste Freundinnen. „Ach, der Alexander hat mich übrigens gestern abend noch mal darauf angesprochen, ob er nicht mal mit uns nach China kommen könnte. Was hältst du davon? Spräche da irgend etwas dagegen?“

      „Nein, im Prinzip nicht. Wir können ihn schon mal mitnehmen, allerdings nicht diesmal, das wäre jetzt zu kurzfristig.“ Chan zögerte einen Moment, dann sagte sie nachdenklich: „Wir müßten uns dann ja auch erst mal in Ruhe überlegen, wie wir ihn dort die ganze Zeit be­schäftigen. Während der Unter­suchungen können wir uns jedenfalls nicht um ihn kümmern, und die dauern ja, wie du weißt, immer ziemlich lange. Und auch bei deinen Großeltern können wir ihn nicht die ganze Zeit dabeihaben. Es gibt ja immer eine ganze Menge per­sönliche Dinge zu besprechen. Und wenn wir einen Gast im Haus haben, dann können wir uns auch nicht die ganze Zeit auf chinesisch unterhalten, das wäre unhöflich.“

      „Ja, da hast du natürlich recht, das habe ich jetzt gar nicht bedacht. Vielleicht können wir für ihn irgendeine Site Seeing Tour organi­sieren? Dann käme er ein bißchen herum, sähe was vom Land und wäre für eine Weile beschäftigt. Und für eine Woche könnten wir ihn doch sicher bei uns zu Gast haben, oder?“

      „Ja, natürlich, das ginge auf jeden Fall. Wir sind ja schließlich auch zum Urlaub dort“, und dabei dehnte sie das „auch“ betont lang. „Wie findest du ihn eigentlich?“ fragte sie etwas überraschend für Jiao.

      „Wie kommst du jetzt plötzlich auf diese Frage?“ antwortete Jiao etwas verlegen.

      „Weibliche Intuition! Ich habe in letzter Zeit so den Eindruck, daß er sich etwas um dich be­müht, kann das sein? Oder sollte ich mich da täuschen?“

      „Ja, das kann schon sein, jedenfalls habe ich auch diesen Eindruck, obwohl er sehr zurück­haltend ist – also nicht aufdringlich, meine ich. Aber es gibt da schon immer wieder so kleine Anzeichen.“

      „Und, wie findest du ihn?“ fragte Chan. Sie hatte den Eindruck, daß sich das Gesicht von Jiao ganz zart ins Rötliche verfärbte, deshalb fügte sie schnell hinzu: „Du brauchst mir nicht zu antworten. Ich wollte auch gar nicht in deine Privatsphäre eindringen, aber du weißt ja – die weibliche Neugier, pardon!“

      „Ja, ist schon gut! Ich will auch gar kein Geheimnis daraus machen, es gibt nämlich keines. Ich finde ihn so als Freund wirklich nett, aber das ist auch alles!“

      Sie plauderten noch ein Weilchen, obwohl sie ihren Tee schon lange ausgetrunken hatten. Es war einfach schön, so gemütlich in der Nachmittagssonne zu sitzen und sich nett zu unterhalten. Sie genossen es. Als sich die Abendsonne soweit gesenkt hatte, daß es schattig und kühl wurde, brachen sie auf, um sich auf den Heimweg zu machen. Unterwegs faßte Jiao ihre Mutter bei der Hand und sagte: „Es war schön heute, Mam. Ich gehe gern mit dir ‚shoppen‘. Aber nicht nur, weil du mir heute den Pulli geschenkt hast, sondern vor allem, weil es einfach wunderbar ist, mit dir durch die Stadt zu bummeln und sich zu unterhalten.“

      Noch am selben Abend, als die ganze Familie beim Abendessen zusammensaß, fragte Jiao ihren Vater so ganz beiläufig: „Sag mal, Paps, kannst du dich eigentlich noch erinnern, wann du uns das letzte Mal unseren Verfügungsrahmen erhöht hast? Das muß doch schon eine Ewigkeit her sein, oder? Ich kann mich nämlich überhaupt nicht mehr daran erinnern.“

      Da spitzten die Jungs sofort ihre Ohren, denn auch sie waren regelmäßig schon vor jedem Ultimo klamm. Sie witterten eine Chance und schlugen spontan in dieselbe Kerbe: „Das stimmt!“ rief Long. „Das muß schon