Peter Gnas

Schlussstein


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      Wenn es auf diese Weise nicht geht, müsse man mit Anderen teilen. Für eine Kooperation habe er an Spezialunternehmen für definierte Aufgabenkreise gedacht, die in ihrem Bereich jeweils als Generalunternehmer auftreten. Schell Facility sei ein mögliches Partnerunternehmen.

      „Treten wir als Generalunternehmer auf, gibt es zwei Optionen“, meinte Lenz, „wir können einen Fonds auflegen und Geld am freien Markt einsammeln. Nachteil: Wir müssen Gewinne ausschütten, das schmälert unseren Profit. Vorteil: Das Risiko liegt bei den Geldgebern. Die Alternative ist, dass wir mit einer Bank kooperieren. Am Ende könnten wir auf diese Weise sehr viel mehr verdienen.“

      „Glaubst du, dass eine Bank dem kleinen Unternehmen Lenz und Vogel einen Kredit über einhundert Millionen gibt?“, fragte Vogel und sah ihn kritisch an.

      „Wenn du einverstanden bist, würde ich es gern probieren.“

      „Habe ich eine Wahl?“

      Lenz sah ihm in die Augen. „Nein.“

      „Brauchst du mich dafür? Ich weiß nicht, ob ich ein verlässliches Auftreten als Hyperkapitalist gegenüber einer Bank besitze.“

      „Das kriegen wir schon hin“, meinte Lenz und winkte die Bedienung heran, um zwei Bier zu bestellen.

      *

      In den nächsten vierzehn Tagen organisierte Lenz alle Unterlagen, die eine Bank glauben machen sollte, dass sie es mit einem bedeutenden Bauunternehmen zu tun hat. Er suchte Unternehmenszahlen zusammen, die er etwas positiver gestaltete. Für einzelne Referenzobjekte wurden von einem Architekturfotografen neue Aufnahmen angefertigt. Fremdleistungen stellte er als Eigenleistungen dar und erstellte eine Präsentation.

      Als Vogel die fertige Präsentation sah, erkannte er die eigene Firma nicht wieder. Lenz ließ neues Briefpapier drucken. Und schließlich beauftragte er einen Webdesigner mit der Erstellung eines modernen Internetauftritts. Innerhalb von vier Wochen wurde aus der kleinen Baufirma ein beachtliches mittelständisches Unternehmen. Insider sollten sich fragen, warum sie bisher nichts von ihnen gehört hatten.

      „Können wir uns das leisten?“, fragte Vogel ängstlich.

      „Das sind Investitionen in die Zukunft.“ Lenz’ Optimismus war grenzenlos.

      Lenz ging mit seinem Kompagnon zu einem Herrenausstatter. Dass der kein Managertyp war, ließ sich nicht kaschieren. Er wollte ihn deshalb wie einen erfolgreichen Bauunternehmer aussehen lassen. Sportlich legere Kleidung ohne Krawatte. Vogel war zunächst zögerlich, er mochte keine Verkleidungen. Als er sich jedoch im Spiegel betrachtete, gefiel ihm, was er sah.

      Lenz nahm sich vor, es bei genossenschaftlichen Banken zu versuchen, wie es ein solides Bauunternehmen eben tat. Um die Chancen zu vergrößern, hatte er nach kleineren Instituten Ausschau gehalten, die von einer Frau geleitet wurden. Nicht auf jeder Website fand er ein Foto des jeweiligen Vorstands.

      „Willst du die etwa auch erpressen?“, fragte Vogel.

      „Wenn es nicht nötig wird ...“, Lenz ließ den Satz offen.

      „Ich habe eigentlich keine Lust eines Tages im Knast zu enden.“

      „So wie ich.“

      Er hatte ein Geldinstitut im Stadtgebiet von Hamburg gefunden und zwei weitere in kleinen Orten in unmittelbarer Nachbarschaft. Er entschied, dass er in Buxtehude bei der GKB, der Genossenschaftlichen Kredit Bank beginnen wollte. Vorstand war eine gewisse Dr. Monika Hutinger. Er überlegte sich, wie alt eine Frau sein könnte, die den Vornamen Monika trug – Mitte vierzig vielleicht. Hutinger klingt nach süddeutscher Herkunft.

      Er wählte die Nummer und fragte, ob er Frau Dr. Hutinger sprechen könne. Die Dame am Telefon erkundigte sich, worum es ginge. Lenz schilderte in Kurzfassung sein Anliegen.

      „Monika Hutinger, guten Tag.“ Ihre Stimme klang offen. Er dachte, dass sie eventuell etwas jünger als Mitte vierzig sein könnte oder sich zumindest jünger anhörte.

      „Guten Tag, Frau Dr. Hutinger, mein Name ist Joachim Lenz. Mein Kompagnon Jonathan Vogel und ich sind geschäftsführende Gesellschafter eines Bauunternehmens in Hamburg. Wir haben die Möglichkeit an einer Ausschreibung für ein öffentliches Objekt des Senats teilzunehmen und sondieren unsere Chancen.“

      Vogel, der ihm gegenübersaß, fragte sich, ob er solch ein Gespräch ebenso souverän führen würde. Er hatte vom Vater mitbekommen, dass man keine Kredite aufnimmt. Man kauft nur das, was man bar bezahlen kann. Als Jonathan Vogel schon im Unternehmen mitarbeitete, gab es eine geschäftlich schwierige Phase. Der Vater war gezwungen, ein Darlehen aufzunehmen. Unter dem Druck, die eigenen Prinzipien aufgeben zu müssen, fühlte er sich gegenüber der Bank, die jahrelang das kleine Vermögen der Vogels betreut hatte, als Sünder und Bittsteller. Diese Haltung des Vaters auf dem Sessel vor dem Bankbeamten, wie der die Mitarbeiter eines Kreditinstituts immer nannte, hatte sich in Jonathan Vogels Gedächtnis eingebrannt.

      Lenz beschrieb in wenigen Sätzen sein Anliegen und vereinbarte einen Termin für den übernächsten Tag. Monika Hutinger fragte, ob es bei diesem Gespräch notwendig sei, dass ein Firmenkundenberater anwesend ist. Lenz verneinte. Er teilte ihr mit, dass er und sein Kompagnon gemeinsam kommen würden, dann lerne sie gleich die wichtigen Personen im Unternehmen kennen. Zum Abschluss nannte er ihr seine Telefonnummer sowie die Internetadresse.

      Als nächstes rief er Gabriele Johanssen an, Leiterin der Genossenschaftlichen Verbundbank in Elmshorn. Deren Stimme klang alt, über sechzig, schätzte er. In ihrem Ton lag Intoleranz. Er legte ohne ein Wort auf.

      Für das dritte Gespräch ließ er sich mit Dr. Martina Tiedtken bei der Genossenschaftlichen Kreditanstalt Hamburg verbinden. Er führte den Dialog so, wie den mit Monika Hutinger. Den Termin mit ihr machte er für den Montag der folgenden Woche aus.

      Buxtehude, Donnerstag 04. April 2008, 10.00 Uhr

      Am Donnerstag fuhren Sie nach Buxtehude. Er würde beim ersten Gespräch merken, ob er bei der Frau landen konnte. Der vier Jahre alte C-Klasse-Mercedes von Vogel war das passende Auto. Richtige Größe, das zweitneueste Modell und vor allem kein Protzauto. Frauen hielten wenig von überzogenen Statussymbolen. Der Parkplatz vor der Bank war perfekt, so wurde der Wagen von innen gesehen.

      Sie gingen in die kleinstädtische Schalterhalle, meldeten sich an und warteten, bis sie von einer Sekretärin ins erste Stockwerk begleitet wurden. Sie klopfte und trat ins Zimmer, ohne abzuwarten – eine Vertraute, dachte Lenz.

      Monika Hutinger war eine schlanke Frau, blond mit einem kinnlangen Pagenschnitt. Sie war Mitte vierzig und sah recht attraktiv aus. Sie trug einen knielangen Rock und hatte hübsche Beine. Auf der Fensterbank neben dem Schreibtisch stand ein Foto von ihr im Kreise der Familie. Die Kinder auf dem Bild schätzte Lenz auf zehn und zwölf Jahre – ein Junge und ein Mädchen. Daneben sah er noch zwei Bilder, auf dem einen war der Junge allein, auf dem anderen das Mädchen, beide drei bis vier Jahre älter. Im Zimmer standen viele Pflanzen, die zum Teil bis zur Decke reichten. Wahrscheinlich befanden sie schon lange in diesem Raum. An der Wand hing ein Druck, eine Lithografie schätzte er. Wenn er sie richtig einordnete, war sie von A.R. Penck. Der neigte mit seiner deftigen ethnischen Bildsprache zum Vulgären – ein ungewöhnliches Werk für das Büro einer Frau.

      „Guten Tag Frau Dr. Hutinger“, sagte Lenz überfreundlich, „ich bin Joachim Lenz, wir hatten miteinander telefoniert. Darf ich Ihnen meinen Freund und Kompagnon Jonathan Vogel vorstellen?“

      Vogel gab ihr die Hand und machte eine angedeutete Verbeugung. Jetzt bin ich schon sein Freund, dachte er. Der steigt ja sofort in die Lügenwelt ein. Hoffentlich kann er sich merken, wem er welche Geschichte aufgetischt hat.

      Die Lithografie nahm Lenz zum Anlass, das Gespräch auf eine persönliche Ebene zu führen.

      „Ich verstehe nicht viel von Kunst“, sagte er, „wenn ich jedoch einen Künstler erkenne, ist es A.R. Penck. Liege ich da richtig?“

      „Ja genau“, antwortete sie, „es ist ein wenig deftig, aber ich mag seine kraftvolle