Peter Gnas

Schlussstein


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einzuladen. Dort könne man vor Ort auch einmal die Ausmaße des geplanten Objekts in Augenschein nehmen.

      Zwei Stunden später war Lenz zurück in Hamburg. Er berichtete Vogel von dem Gespräch und davon, dass er mit Kovacic gut klargekommen sei. Er erzählte von dessen Unternehmen und den familiären Wurzeln.

      „Er hat im Prinzip einen ähnlichen Hintergrund wie du“, meinte Lenz, „der Vater hat das Handwerksgeschäft aufgebaut und Kovacic ist nach dem Studium eingestiegen. Sein Vater ist allerdings schon gestorben.“

      „Das passt ja zumindest zu mir“, antwortete Vogel.

      ‚Das passt überhaupt nicht zu dir’, dachte Lenz. Gegen Kovacic’ Willen voranzukommen, bist du eine Flasche.

      Hamburg, Montag 21. April 2008

      In den nächsten beiden Tagen machte Lenz neben dem Tagesgeschäft Termine mit potenziellen Kooperationspartnern und führte auch zwei persönliche Gespräche. Nach seiner Begegnung mit Kovacic hatte er jedoch mehr als zuvor ein festgeprägtes Bild von einem möglichen Mitstreiter im Kopf. Die Bedenkenträger und Zauderer gingen ihm auf die Nerven. Alle waren satt und feige.

      Er war allerdings darauf angewiesen, dass es weitere Mitbieter mit anderen Fachkompetenzen gab. Insbesondere einen oder zwei größere Betriebe für die Bereiche Sanitär und Heizung sollten fest mit im Boot sein. Da konnte er sich den Charakter der Leute nicht aussuchen.

      Drei Tage nach dem Treffen in Bremen rief Kovacic ihn auf dem Mobiltelefon an.

      „Ich habe gerade eine Baustelle in Zeven besucht, auf der wir einiges zu tun haben“, sagte Kovacic, „das ging schneller als ich dachte. Zeven ist die halbe Strecke nach Hamburg. Wie sieht es aus, haben Sie Lust und Zeit, mir mal den Standort des Objekts zu zeigen?“

      Lenz war erfreut darüber, dass er ihn richtig eingeschätzt hatte. Er sah auf seine Armbanduhr.

      „Ich brauche hier noch etwa eine Stunde. Wenn Sie wollen, treffen wir uns an der Alster.“ Lenz nannte Kovacic die Adresse eines Cafés.

      Lenz wartete bereits im Café, als sein Gast aus Bremen mit zehn Minuten Verspätung eintraf.

      „Tut mir leid, es hat etwas gedauert, bis ich einen Parkplatz gefunden hatte.“

      Kovacic erzählte ihm, dass er auch in Hamburg ein kleineres Objekt ausgestattet hatte. Er hätte seinerzeit bewusst extrem günstig angeboten, weil er sich erhofft hatte, über eine Referenz in der Stadt, hier an weitere Aufträge zu kommen. Das sei aber leider bisher nicht der Fall gewesen.

      Kovacic hatte alle Unterlagen dabei, die Lenz ihm überlassen hatte.

      „Wussten Sie schon, dass sie nach Hamburg kommen wollten?“, fragte Lenz.

      Gewusst hätte er es nicht. Er hatte sich aber überlegt, dass er, falls die Zeit reiche, Lenz anrufen wolle, um einfach mal zu fragen.

      Kovacic berichtete, dass er alles durchgesehen habe und im Prinzip keine großen Probleme sehe. Er habe in den letzten beiden Tagen auch einige Unternehmer, die ihm persönlich bekannt seien, angesprochen. Er sei aber eher auf Ablehnung gestoßen.

      „Ist das nicht schrecklich?“, meinte Lenz, „was ist bloß mit den deutschen Unternehmern los?“

      „Wissen Sie“, fuhr Kovacic fort, „ich versuche bereits seit meinem Eintritt in die Firma, in eine andere Größenklasse zu kommen. Es ist heute nahezu ausgeschlossen, dass eine Bank einen solchen Riesenschritt finanziert.“

      Es sei im Grunde im Markt keine Chancengleichheit gegeben. Die Banken würden einem nur das Geld leihen, das man ohnehin schon besitzt. Dabei ist ein solcher öffentlicher Auftrag nicht mal riskant. Ob wir professionell genug sind, können die Herren in den Nadelstreifen kaum beurteilen, also gehen sie kein Risiko ein.

      Lenz schlug vor, dass sie es noch einmal bei den beiden Kreditinstituten zu versuchen, mit denen er bereits besprochen habe. Er, Kovacic, könne ja, ebenfalls ein Finanzierungsgespräch fundiert vorbereiten und dann kann man es probieren. Kovacic schlug vor, ein oder zwei Banken aufzusuchen, denen ein Mann vorsteht. Er habe die Erfahrung gemacht, dass Männer – auch die in einer Bank – eher etwas riskieren als eine Frau.

      Lenz gab ihm recht. Er hatte ihm erzählt, dass er es mit einer Charmeoffensive versucht habe. Die Damen hätten sich aber letztlich als viel rationaler herausgestellt, als er gedacht hatte.

      „Da, wo mein Vater herkommt, machen Männer niemals Geschäfte mit Frauen“, ergänzte Kovacic. „Meine Mutter hatte in geschäftlichen Dingen nichts zu melden. Wenn mein Vater mal gezwungen war, mit der Ehefrau eines Kunden zu sprechen, hat er hinterher nochmals das Gespräch mit dem Mann gesucht. Er hatte den Frauen nie getraut.“

      Er machte eine kurze Pause. „Ich bin ja in Deutschland geboren und sozialisiert, ich muss Ihnen aber sagen, ich mache es heute nicht anders. Ich flirte mit den Frauen und höre, was Sie zu sagen haben. Das Geschäftliche erledige ich aber am liebsten mit einem Mann.“

      Lenz lachte laut. Was er über Frauen dachte, gab er nicht preis, an seinem Lachen aber, erkannte Kovacic, dass er ähnlich denken musste.

      Kovacic sah auf die Uhr: „Ich will ein gutes Gespräch nur ungern abbrechen ...“

      „Sie haben recht, wir sollten, bevor es dämmert, zum zukünftigen Baugelände fahren. Lassen Sie den Wagen hier stehen, ich bringe Sie später wieder zurück. Haben Sie sich den Parkplatz gemerkt?“

      Kovacic nickte. Lenz zahlte und sie gingen zu seinem Wagen.

      „Ist das ein 6er BMW Cabrio?“, fragte Kovacic. „Den hole ich mir auch als nächstes.“ Er ging einmal um das Auto herum. „Fahren wir offen?“

      Sie erreichten den Baubereich innerhalb von zwanzig Minuten. Das Areal war noch mit Bauten aus den Sechzigerjahren belegt. Zum Teil standen sie bereits leer. In einem größeren Gebäude befand sich noch die Senatsbehörde, die später den Neubau beziehen sollte. Lenz erklärte, dass die Behörde im Moment auf die ganze Stadt verteilt sei. Man erhoffe sich durch die Zusammenlegung deutliche Einspareffekte.

      Kovacic hatte zwar die Unterlagen gesichtet und den Flächenbedarf realisiert, er war aber, jetzt, da er hier stand, doch von der Größe des Areals überrascht.

      „Mein lieber Mann“, staunte er, „hier gibt’s viel zu tun und noch mehr zu verdienen.“

      „Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, wenn ich nicht bei meinem vorherigen Arbeitgeber bereits solche Dimensionen betreut hätte, wäre es mir wahrscheinlich nicht in den Sinn gekommen, hier aktiv zu werden“, sagte Lenz.

      Er blickte noch einmal über das Areal. „Mein Partner ist ein erfahrener Baumeister. Ich traue ihm viel zu. Ich glaube aber, dass ich ihm mehr zutraue, als er sich selbst. Ich muss ihm sicherlich noch einiges schmackhaft machen.“

      „Haben Sie Zeit mir Ihr Geschäft zu zeigen“, fragte Kovacic.

      „Gern. Ich muss Sie aber warnen, unsere Räume sind bei weitem nicht so elegant wie die Ihren.“

      „Das ist bei allen Bauunternehmen so“, lachte Kovacic. „Vielleicht ist Ihr Kompagnon ja noch im Büro, dann überzeugen wir ihn zu zweit.“

      Lenz war froh, dass die Sache einen Schritt vorangekommen war. Im Stillen wünschte er sich, dass Vogel nicht mehr im Büro sein möge, aber er gehörte eben dazu – noch.

      Der Berufsverkehr war bereits seit einer Stunde vorbei. Kovacic und Lenz erreichten die Firma innerhalb von fünfundzwanzig Minuten. Er sah, dass im Büro noch Licht brannte.

      „Mein Kompagnon ist noch da“, sagte Lenz.

      Vogel hörte, dass Lenz jemanden mitbrachte. Er hoffte, dass es kein Kunde war, es sah in seinem Büro unordentlich aus. Lenz’ Zimmer sah stets aus wie geleckt. Machte er Feierabend, lag nirgendwo mehr ein Papierschnipsel herum. Es gefiel Vogel eigentlich gut, wenn die Räume aufgeräumt aussahen, er selbst war aber nicht in der Lage, Ordnung zu halten. Dabei verlor er jedoch nie den Überblick – er wusste stets, wo