Peter Gnas

Schlussstein


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an.

      „Jetzt trinken wir mal einen zum Runterkommen“, sagte Kovacic und legte Lenz die Hand auf die Schulter.

      „Ärgert Sie so ein Scheiß’ nicht?“, fragte er Kovacic mit immer noch gereiztem Ton.

      Nach einer Pause antwortete der: „Ich hätte vermutlich ebenfalls das Gespräch beendet, wenn auch eine Spur diplomatischer. Sie sind mit dem Projekt schon länger und intensiver verbunden als ich. Wie stark, das habe ich nun endgültig begriffen.“

      „Und dein Grinsen, Jonathan, das hat das Fass zum Überlaufen gebracht“, sagte Lenz mit drohendem Zeigefinger. Dabei machte er einen Schritt auf Vogel zu. „Du bist für solche Typen das gefundene Fressen. Wenn du brav bist, bekommst du von diesen Deppen ein Stück Hundekuchen. Wenn du nicht lieb bist, gibt’s einen Klaps auf das Schnäuzchen. Und wenn es dann immer noch nicht geht, binden sie das Hündchen Jonathan irgendwo auf einem Autobahnrastplatz an und lassen es zurück.“

      „Joachim, jetzt reicht es aber mal langsam. Ich bin auch nicht dein Hündchen“, antwortete Vogel mit erregter Stimme und kippte den Whiskey in einem Zug hinunter. Er war hilflos, wenn er zornig war. Damit war er auch schon in seiner Ehe stets der Unterlegene gewesen.

      „Noch einen?“, fragte Kovacic und hielt ihm die Flasche hin.

      „Ja, bitte.“

      Kovacic goss Vogels Glas nach und hielt die Flasche fragend in Richtung Lenz. Der kippte seinen Whiskey ebenfalls hinunter und hielt ihm das leere Glas hin.

      „Herr Lenz, Sie wissen, dass auch ich, wie Herr Vogel, einen Familienbetrieb übernommen habe. Da sieht man manche Dinge anders als jemand, der in großen Unternehmen gearbeitet hat. Seien Sie nicht ungerecht zu Ihrem Kompagnon. Er ist ein ausgezeichneter Baumeister, Sie sind der Visionär. Das ist eine hervorragende Mischung für ein erfolgreiches Unternehmertum.“ Er stieß erneut mit beiden an.

      „Sorry“, sagte Lenz zu Vogel, ohne es wirklich so zu meinen.

      Hamburg, Mittwoch 30. April 2008, 19.00 Uhr

      In den nächsten Tagen war Vogel intensiv vom Tagesgeschäft in Anspruch genommen. Lenz war zeitweise mit ihm auf den Baustellen und kritisierte alles und jeden. Er hatte sich seit dem Bremer Bankentermin nur halbherzig um Folgeaufträge bemüht. Vogel bemerkte, dass er bei der Akquisition in der Vergangenheit entschlossener war. Offenbar brütete er darüber, wie er seinem großen Ziel doch näher kommen konnte.

      Lenz versuchte nicht, neue Gespräche mit möglichen Partnern für ein Konsortium herbeizuführen. Er vereinbarte auch keine Termine mit Banken. Im Gegenteil, die Zusammenkünfte, die abgesprochen waren, sagte er ab. Er machte einen ständig gereizten Eindruck.

      Am Abend bestellte er eine Escort-Lady ins Surprise. Er musste sich unbedingt seinen Kopf freibumsen. Er nahm die Prostituierte ungewöhnlich grob ran und ließ sich von anderen Frauen, die mit ihren Männern da waren, anfassen. Eine dieser Damen, die oft zugegen waren und mit denen er schon rumgemacht hatte, ging offensiv auf ihn zu. Ihre Erfahrung mit Lenz war ausgesprochen angenehm gewesen, das wollte sie wiederholen. Ihm erschien sie eigentlich zu alt und zu übergewichtig. Nun strebte er aggressiven Sex an, da war ihm jede recht. Er nahm die Frau sehr grob und mit harten Praktiken. Sie bezahlte nun für seinen Frust. Für den Ehemann, der gern anderen beim Sex mit seiner Gattin zusah, wirkte es wie eine Vergewaltigung. Das überraschte Gesicht der Frau deutete er irrtümlich als Ausdruck ihrer Lust. Verunsichert verließ er den Raum.

      Als Lenz mit ihr fertig war, sah sie ihn entgeistert an. Sie hatte Schmerzen und sie war angeekelt von ihm. Das zu äußern, traute sie sich jedoch nicht. Die Angst, bei den anderen Gästen als spießig und verklemmt angesehen zu werden, wog schwer. Lenz ließ sie achtlos zurück, wo sie lag und ging an die Bar. Dort saß der Ehemann und spülte den Frust hinunter.

      „Du musst deine Alte zu Hause mal anständig durchficken, nicht immer nur glotzen, wie andere das für dich erledigen“, sagte Lenz mit einem diabolischen Lächeln.

      Der Mann sah ihn überrascht und sprachlos an. Die Chefin des Hauses, die hinter der Theke stand, ermahnte ihn, sich an den Verhaltenscodex des Clubs halten.

      „Ich glaube, du solltest dich auch mal anständig durchbürsten lassen“, erwiderte er. Er kippte seinen Drink runter, knallte das Glas auf die Theke und ging sich anziehen. Dann verließ den Club, ohne die Prostituierte mitzunehmen. Er wurde nie mehr im Surprise gesehen.

      *

      Am vierten Abend, nachdem sie in Bremen gewesen waren, kam Vogel in Lenz’ Büro. Er hörte, dass er mit Kovacic telefonierte und ihm fiel auf, dass er ihn Mirko nannte – sie hatten sich auf das ‚Du’ verständigt.

      Lenz machte Zeichen, dass er sofort zu ihm kommen werde, er wolle nur noch das Telefongespräch zu Ende führen. Er sprach noch etwa eine halbe Stunde mit Kovacic.

      Als er endlich in Vogels Büro kam, teilte er ihm mit, dass er sich am nächsten Tag nochmals mit Kovacic auf halber Strecke treffen wolle. Er, Vogel, müsse nicht mitkommen, wenn er viel zu tun habe. Vogel ahnte, dass die beiden sich jetzt einig waren und dass sie die Sache auf Biegen und Brechen durchziehen wollten. Er schwieg dazu.

      „Ich sprach mit Mirko gerade über das Projekt. Wir wollen die Angelegenheit mal durchzurechnen“, sagte Lenz. „Wir hatten überlegt, wie wir mit den alten Gebäuden umgehen, die auf dem Gelände stehen. Ich denke da insbesondere an das sechsstöckige alte Verwaltungsgebäude. Reißt man das ab oder wird das gesprengt?“

      „Sprengen kannst du vergessen“, winkte Vogel ab, „da ist viel zu viel rund herum, was kaputt gehen würde. Das muss man abtragen.“

      „Ich würde mich morgen gern mit einem Experten darüber unterhalten“, erwiderte Lenz. „Ich nehme ja an, dass du damit noch keine Erfahrung gemacht hast. Kannst du mir eine entsprechende Firma nennen oder mir sagen, wo man solche Sprengstoffe beziehen kann?“

      Vogel glaubte nicht an eine Sprengung, er nannte Lenz eine Adresse und erläuterte ihm die verschiedenen Sprengstoffe für unterschiedliche Anforderungen. Er würde die Sache aber einem Abrissunternehmen übertragen – die seien die Profis.

      Zeven, Samstag 03. Mai 2008, 11.00 Uhr

      Lenz und Kovacic trafen sich am nächsten Tag um elf Uhr in einem Gasthaus in Zeven zwischen Hamburg und Bremen. Lenz hatte diesen Termin gemacht. Er wollte nichts am Telefon herauslassen, lieber wollte er es mit Kovacic unter vier Augen besprechen.

      „Hallo Mirko, schön, dass du kommen konntest.“

      „Jetzt bin ich aber gespannt, worum es geht. Das klang sehr konspirativ, was du vorhast“, antwortete Kovacic.

      Sie bestellten sich zwei Cappuccino. Lenz wartete, bis die Kellnerin gegangen war.

      „Wir haben uns in den vergangenen Wochen sehr bemüht, eine Bank zu finden und uns nach Partnern für ein Konsortium umgesehen. Leider alles vergeblich.“

      „Du willst doch nicht etwa hinwerfen“, unterbrach ihn Kovacic.

      „Nein, im Gegenteil.“

      „Jetzt mach’s nicht so geheimnisvoll.“

      Lenz legte sich die Worte zurecht: „Ich weiß nicht recht, wie ich beginnen soll ...“

      „Das klingt ja, als ob du etwas Verbotenes vorhast“, sagte Kovacic lachend.

      Lenz sah sich im Raum um. Dann blickte er auf seine Hände, die er vor sich auf den Tisch gelegt hatte und schließlich sah er Kovacic direkt in die Augen.

      „Das ist nicht ganz falsch“, meinte Lenz schließlich.

      „Ich hatte auch schon an einen Bankraub gedacht oder an einen Überfall auf Geldtransporter.“

      „Wirklich?“, fragte Lenz.

      „Ja, wirklich“, Kovacic schien erstaunt zu sein, dass etwas Ähnliches anscheinend auch in Lenz vorging.

      „Und zu welchem