Peter Gnas

Schlussstein


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er es nicht ansehen.“

      Eine wilde Blondine und ein prüder Ehemann, dachte Lenz. Monika Hutinger deutete auf einen runden Tisch mit vier Sesseln drum herum. Die drei nahmen Platz, dabei rutschte ihr enger Rock nach oben und gab etwas mehr von den hübschen Beinen preis. Lenz bemühte sich, nicht hinzusehen, hatte sie aber registriert.

      In der Zwischenzeit hatte die Sekretärin Kaffee gebracht. Monika Hutinger bedankte sich bei ihr und duzte sie dabei.

      „Was führt Sie aus der großen Stadt Hamburg in das verträumte Buxtehude?“, wollte sie wissen.

      Lenz berichtete von dem Plan, den nächsten Schritt gehen zu wollen. Während er von der Ausschreibung erzählte, startete er den Laptop und die vorbereitete Präsentation. Er sagte ihr, dass sie überlegt hätten, das Grundstück mit den Gebäuden in Hamburg zu verkaufen, um Kapital flüssigzumachen. Sie wollten sich außerhalb niederlassen, um günstigeren Gewerberaum anzumieten oder zu kaufen. Das Geld, das dabei übrig bliebe, sollte in das Projekt gesteckt werden.

      Hoffentlich hat er das nicht wirklich vor, dachte Vogel. Das würden seine Eltern kaum überstehen.

      Lenz fuhr fort: „Und weil die Überlegung war, in die Nähe von Buxtehude zu ziehen, erschien es uns besser zu sein, mit einer ortsansässigen Bank Kontakt aufzunehmen.“

      Monika Hutinger machte sich Notizen, während er redete. Lenz drehte den Laptop in ihre Richtung und rückte dichter an sie heran, sodass beide hineinsehen konnten. Sie legte den Block auf die überschlagenen Beine und sah auf das Display.

      „Ich habe mir Ihre Homepage in Vorbereitung auf dieses Gespräch bereits angesehen. Ich erkenne das Design in der Präsentation wieder. Ist hier mehr enthalten als das, was man im Internet sehen kann? Dann könnten wir das überspringen.

      Sie ist pragmatisch und gradlinig, dachte er. „Ja, hier sind einige Unternehmensdaten hinterlegt, Umsätze, Gewinne, Umsatzerwartungen und laufende Aufträge. Damit können Sie einen ersten Eindruck unseres Unternehmens bekommen, ohne dass wir Ihre Zeit zu stark mit Zahlen beanspruchen.“

      „Zahlen sind meine Welt, Herr Lenz. Ihretwegen sitzen wir zusammen“, sie lächelte ihn an.

      Sie ist undurchdringlich, dachte er. Mal sehen, ob wir da weiterkommen. Er klickte durch die Präsentation, mal schneller, mal langsamer. Bei den Daten beugte sie sich ab und zu vor, studierte sie genauer und machte sich Notizen. Der Vortrag dauerte eine knappe Viertelstunde. Er rückte den Sessel wieder weg von ihr.

      „Wie gefällt Ihnen unsere kleine Firma“, fragte Lenz mit seinem Erobererlächeln.

      Sie sah einzelne Aufschriebe an, blätterte zurück, las und legte Block und Stift schließlich auf den Tisch.

      „Ich will ganz ehrlich sein, meine Herren, einhundert Millionen Euro ist sehr, sehr viel Geld für ein kleines Unternehmen wie das Ihre.“ Sie machte eine Pause: „Ich habe mir auf einer Satellitenkarte im Internet das Grundstück Ihrer Firma angesehen. Es ist, soweit ich das im Vorfeld überprüfen konnte, unbelastet. Das ist positiv. Mehr als zwei Millionen kommen da nicht zusammenkommen, wenn es veräußert wird.“

      ‚Die ist mit allen Wassern gewaschen’, dachte Lenz. In Vogel breitete sich sofort das ungute Schuldnergefühl gegenüber einer Bank aus.

      „Wir stehen ja noch am Anfang“, meinte sie. „Ich nehme an, dass Sie in der Sondierungsphase sind. Sie brauchen wahrscheinlich ein Signal, ob ein Kreditinstitut die Pläne mitträgt.“

      Er nickte.

      „Die von Ihnen gewünschte Summe ist für ein kleines Institut wie das unsere ein dicker Brocken. Wir können solche Verträge nur in Kooperation mit dem Zentralinstitut stemmen.“

      Sie zog unter dem Block ein paar Ausdrucke hervor. „Ich will weiter mit offenen Karten spielen. Ich habe mich im Vorfeld grob über Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erkundigt, soweit die Daten zugänglich waren.“ Sie blätterte: „Die Werte für die vergangenen beiden Jahre in der Präsentation sind laut meinen Zahlen etwas positiver dargestellt – das muss man dann prüfen. Die Kreditwürdigkeit stand aber trotz einiger konjunktureller Schwankungen nie in Zweifel.“

      „Eben“, meinte Lenz.

      „Natürlich in Bezug auf den Kreditbedarf, den Sie bisher hatten. Jetzt streben Sie allerdings in eine andere Liga“, sie sah beide abwechselnd an. „Wenn wir gemeinsam einen Schritt weitergehen wollen, brauche ich die Bilanzen der vergangenen drei Jahre. Ich benötige eine belegbare Aufstellung der laufenden und aller potenziellen Aufträge. Und, das ist das Wichtigste, Angaben zu der Ausschreibung: Kreditvolumen, Baukosten, mögliche Einnahmen als Leasinggeber.“

      Lenz merkte, dass er das Gespräch mit ihr etwas zu einfach eingeschätzt hatte. Er kannte solche Frauen und war von Zeit zu Zeit auch mal mit einigen im Bett. Allerdings waren es meistens sie, die ihm den Laufpass gaben.

      Er sagte, dass er und Vogel jetzt die Dinge zusammentragen würden und dass sie überlegten, ob sie alternativ innerhalb eines Konsortiums auftreten sollten. Monika Hutinger hielt das für eine ausgezeichnete Idee. Lenz dachte, dass er mit ihr wahrscheinlich nicht weiterkäme. Die beiden Männer verabschiedeten sich und verließen die Bank.

      Vogel war erleichtert, dass es offenbar schwierig war, solche hohen Kreditsummen aufzunehmen. Natürlich schwieg er und hoffte, dass der Termin am kommenden Montag ähnlich verlaufen würde. Er wollte sich durchaus um diesen Auftrag bemühen. Er wäre damit zufrieden, wenn er Teil eines Konsortiums sei. Der Brocken wäre immer noch gewaltig genug. Und sollten sie in dem Projekt tatsächlich Fuß fassen, ständen ihnen die nächsten Türen ein wenig weiter offen. Darüber konnte er mit Lenz aber jetzt nicht sprechen. Der war frustriert, das sah er.

      *

      Der Termin bei der Genossenschaftlichen Kreditanstalt Hamburg verlief im Prinzip ebenso. Auch hier stießen Sie an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Die Gesprächspartnerin, Martina Tiedtken sah weniger gut aus wie die Hutinger, dachte Lenz.

      Vogel merkte schon während des Gesprächs, dass sein Kompagnon die Dame bereits abgeschrieben hatte. Diesmal machte er keinen so frustrierten Eindruck auf ihn. Im Auto fragte er ihn, ob ein Konsortiums nicht mehr infrage käme. Die Verantwortung teilen, das würde ihm entsprechen.

      „Aber mir nicht.“

      Hamburg, April 2008

      Die nächsten zwei Wochen brachten die beiden damit zu, neben ihrem Tagesgeschäft die Unterlagen für die Ausschreibung des Senats durchzugehen und erste Berechnungen anzustellen. Sie recherchierten im Internet nach Firmen, die für ein Konsortium infrage kämen.

      Lenz telefonierte mit den Geschäftsführern. Sie vereinbarten Treffen, um eine mögliche Zusammenarbeit zu sondieren. Es gab Gesprächspartner, die sofort absagten. Von diesen Terminen kam Lenz wütend zurück. „Da muss ich meine Zeit mit Idioten verschwenden – die prüfen die Dinge nicht mal. Solche Unternehmer sind Unterlasser!“

      Andere fanden die Idee hervorragend und fühlten sich stark genug, in einem Konsortium mitzubieten. Bei einigen kamen jedoch Zweifel auf, ob die Firma Lenz und Vogel eine ausreichende Größe habe, die geforderten Bauleistungen bewältigen zu können. Auch solche Gesprächspartner erzürnten ihn.

      Vogel war schon lange nicht mehr wohl bei der Sache. Er neigte zu voreiliger Zufriedenheit, wie Lenz es ausdrückte. Er kümmerte sich zu spät um Folgeaufträge und hatte in der Akquisition von Neukunden zu wenig Biss. Er arbeitete am liebsten einen Auftrag nach dem anderen ab. Er genoss es, ein gutes Einkommen zu haben und ein Auftragspolster vor sich herzuschieben. Das hatte er seinem Partner zu verdanken.

      Das Senats-Projekt war ihm zu groß. Wenn es Lenz gelingen sollte, diesen Fisch an Land zu ziehen, war Vogel ihm endgültig ausgeliefert. Er hintertrieb Lenz’ Bemühungen nicht, er forcierte sie allerdings auch nicht.

      Er bemerkte, dass Lenz sich mit jedem Gespräch, dass er mit anderen Firmen führte, veränderte. Er wirkte zunehmend unruhiger und starrte minutenlang nachdenklich aus dem Fenster.

      Bremen,