Peter Gnas

Schlussstein


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fragte Vogel besorgt.

      „Erpressen ist ein hartes Wort. Sagen wir mal, ich versuche einen Weg zu finden, die Zahlung an dich zu forcieren.“

      „Das können wir doch nicht tun.“ Vogel war ängstlich.

      „Gut, wenn du es dir leisten kannst, einen Gerichtsprozess abzuwarten, blasen wir alles ab.“

      „Nein, aber was ist, wenn Sama dahinter kommt? Wie soll sie ihn dazu bringen, dass er zahlt? Die hat doch keine Befugnisse.“

      „Wir überlassen ihr, wie sie ihn zum Zahlen bringt. Warum sollte er dahinterkommen, wir wollen nur das Geld, das dir zusteht. Oder hast du ein Interesse, sie zu verpfeifen?“ Lenz’ Stimme war kalt.

      So hatte er ihn noch nicht reden hören. Dass er lügen konnte, ohne mit der Wimper zu zucken, hatte er erlebt. Dies hatte eine andere Qualität. Vogel schauderte vor so viel Berechnung.

      Sie gingen nach oben ins Zimmer und Lenz zeigte ihm, wie er sich den Ablauf vorgestellt hatte. Ein Plan, der durchaus funktionieren könnte, dachte Vogel, trotzdem war ihm nicht wohl bei der Sache.

      Hamburg, Donnerstag 6. September 2007, 19.30 Uhr

      Am nächsten Abend um kurz vor halb neun ging Lenz in die Hotelhalle hinunter und wartete auf die Sama. Sie kam pünktlich.

      „Möchten Sie noch einen Kaffee trinken oder wollen Sie gleich die Verträge durchsehen?“, fragte er.

      „Bitte gleich anfangen, ich habe leider wenig Zeit“, antwortete sie.

      „Also gut, dann bringen wir es hinter uns“, sagte er und sah zum Portier, ob der ihm die Geschichte abkaufte.

      Er glaubte sie natürlich nicht, blieb aber undurchschaubar. Verträge durcharbeiten, dachte er, für wie blöd halten die mich? Es ging ihn nichts an, was die Leute auf den Zimmern trieben. Der Gast hatte ihm heute ein anständiges Trinkgeld in die Hand gedrückt – das förderte seine Toleranz.

      Als Jasmin Sama das Zimmer betrat, fasste sie ihm unvermittelt zwischen die Beine und grinste herausfordernd.

      Er mimte den Überraschten und hob beide Hände: „Ich gestehe, euer Gnaden!“

      Sie lachte schallend und ein wenig vulgär, dann öffnete sie ihm ohne Zögern den Reißverschluss der Hose.

      „Du gehst ja ran“, sagte er, „gut, dass ich vorhin geduscht hatte.

      „Du musst mich leider ungeduscht nehmen. Ich habe keine Zeit zu verschenken.“

      Lenz war ein ausdauernder Liebhaber. Er neigte zur Rücksichtslosigkeit – das war ihm bewusst. Manche Frauen fuhren darauf ab und je mehr er auf seinen Vorteil aus war, desto stärker kamen sie . Er würde sie heute in Gebiete der Sexualität führen, die ihr Mann sich wahrscheinlich heimlich erträumt, aber nie betreten hatte. Kein Zwang zu etwas, das sie ablehnte. Er brauchte den Film und der durfte auf keinen Fall nach einer Vergewaltigung aussehen. Das bedeutete zwei Stunden intensive Beschäftigung mit ihr.

      Sie schien eine jener Frauen zu sein, die männlichen sexuellen Egoismus mochten. Um sicherzugehen, hatte er vorher eine Viagra genommen. So war er nach einem Akt leichter wiedererregbar und konnte mit ihr fabelhafte Dinge treiben. Schade, dass es von solchen Frauen nur wenige gab und dass dies die einzige Begegnung mit ihr bleiben sollte.

      Nach zwei Stunden sah sie auf die Uhr und sagte, dass sie jetzt gehen müsse. Sie bedankte sich für die gute Leistung mit einem Kuss auf seinen knallroten Penis. Sie ging ins Bad und duschte. Sie nahm keine Seife, damit ihr Mann nichts merkte. Sie konnte kaum noch laufen – nie war sie derart geliebt worden. Sie hoffte, dass ihr Mann heute nicht mehr auf die Idee käme, Sex mit ihr zu wollen.

      Sie hielt Lenz für einige Sekunden regungslos in den Armen. Sie hatte Tränen in den Augen, als Sie ein ‚Tschüss’ hauchte. Sie drehte sich nicht mehr um, er sah, dass sie im Gehen mit dem Handrücken die Tränen trocknete. Er blieb am Fenster stehen. Er hatte das Licht ausgemacht.

      Hamburg, Freitag 7. September 2007, 13.15 Uhr

      Wie Lenz es erwartet hatte, rief die Sama ihn am Mittag des nächsten Tages auf dem Mobiltelefon an. Er hatte eine Besprechung auf einer Großbaustelle in Hamburg.

      „Ich kann kaum gehen und sitzen, es geht mir aber wunderbar“, meldete Sie sich unverwandt, als sie seine Stimme hörte.

      Lenz bat die Gesprächspartner um Entschuldigung, er müsse eine Kleinigkeit am Telefon klären, er sei sofort wieder für ihn da.

      „Können wir uns heute sehen?“, fragte er.

      „Ich habe höchstens eine halbe Stunde Zeit. Wenn ich heute Abend noch mal unterwegs bin, wird er misstrauisch.“

      „Gut, wo?“, er nahm einen Zettel aus der Tasche. „Also, dann sehen wir uns um halb sieben.“ Er ließ seine Stimme neutral klingen.

      Lenz ging zurück zu der Besprechung. Anschließend fuhr er ins Büro. Er würde vor dem Treffen mit ihr nicht mehr nach Hause fahren. Den Film hatte er auf fünf aussagekräftige Minuten zusammengefasst und ihn auf sein Smartphone übertragen.

      Hamburg, Freitag 7. September 2007, 18.15 Uhr

      Die Gaststätte lag in der Nähe ihrer Wohnung in Hamburg-Blankenese. Lenz war wieder früher da. Diesmal saß er ein wenig abseits in einer Nische. Ein rustikales Holzgitter umgab die U-förmige Sitzbank, sodass man unbeobachtet sprechen konnte. Sie kam pünktlich. Er sah sie zur Tür hereinkommen. Er blieb sitzen und ließ sie suchen. Er tat, als bemerke er sie nicht, er sah auf das Telefon. Nach einer Runde durch den Gastraum, hatte sie ihn entdeckt.

      Sie zog den Mantel aus und warf ihn auf die Bank. Sie trug einen kurzen Rock. Er mochte das, da hatte sie ihn richtig eingeschätzt. Damit, was sie gleich erwartete, konnte sie nicht rechnen. Eigentlich schade, dachte Lenz, eine Nummer wie gestern hätte er gern wiederholt.

      „Hallo“, begrüßte sie ihn mit einem gespielt lüsternen Unterton. Sie sah sich um, ob jemand hersah, dann griff sie ihm zwischen die Beine.

      „Bitte“, sagte er, „das ist mir zu öffentlich.“ Damit schob er ihre Hand weg.

      „Oh, hätte ich gewusst, dass du spießig bist ...“, erwiderte sie und legte die Hände auf den Tisch.

      „Ich bin sicherlich Vieles, nur nicht spießig!“, entgegnete er in kühlem Ton.

      Sie sah ihn überrascht an. Warum hatte er einen so abweisenden Ausdruck? War sie zu weit gegangen?

      „Entschuldige, war nicht so gemeint“, ging sie über ihr eigenes Gefühl hinweg und hakte ihren Arm unter seinen.

      Lenz wand sich aus diesem Griff. „Ich will mit dir sprechen“, sagte er sachlich.

      „Oooh, das klingt geheimnisvoll“, sie behielt den aufgekratzten Tonfall bei.

      „Lass’ bitte deine alberne Art und hör’ mir zu.“

      Ihr gefror das Blut. Sie hatte keine Vorstellung, was passiert sein konnte. Sie merkte, dass sie sich in diesem Augenblick ebenso eingeschüchtert fühlte wie zu Hause. Sie setzte sich aufrecht und legte die Hände übereinander auf den Tisch.

      „Also?“, sie versuchte selbstbewusst zu klingen, was ihr aber misslang.

      Lenz spürte, dass es ihr nicht gut ging. Jetzt konnte er sie zerstören.

      „Ich möchte dir etwas zeigen“, sagte er, während er am Smartphone nach dem Film suchte.

      Er startete das Video und hielt es vor sie hin. Von der Seite beobachtete er sie. Sie guckte erst mit einem desinteressierten Gesicht, dann beugte sie sich vor und sah genauer hin.

      „Sind wir das?“, fragte sie wie vom Donner gerührt.

      „Sieh hin!“, erwiderte er kalt.

      Sie folgte dem Film einen Moment. „Hast du das aufgenommen? Wo stand die Kamera?“