Peter Gnas

Schlussstein


Скачать книгу

Einigen länger gedienten Mitarbeitern ging sein Aufstieg zu schnell. Im Grunde lief es hervorragend für das Unternehmen. Der Abteilungsleiter, die Memme, fürchtete jedoch, dass der Betriebsfrieden leide. Lenz bekam eine Abfindung und verließ den Konzern.

      Seit vier Jahren arbeitete er für Schell Facility International. Der Job füllte ihn aus. Er hatte am Anfang darauf geachtet, dass er nicht allzu vielen Leuten auf die Füße trat. So erreichte er in kurzer Zeit ein hohes Ansehen in der Firma. Ab und zu ging es für größere Objekte ins Ausland. Die großartigsten Projekte mit allen Finessen der Gebäudetechnik entstanden gerade in Asien sowie im arabischen Raum. Das Leben im Jetset gefiel ihm. Über kurz oder lang würde Lenz jedoch eigenes Unternehmen aufbauen. Er wollte noch einige Kontakte knüpfen und in zwei Jahren selbstständig im Markt aktiv werden.

      An einem Abend im Herbst lernte er in einer Bar in der Nähe des Büros in der Hamburger Speicherstadt eine gutaussehende langbeinige Frau kennen. Eigentlich stand er mehr auf langhaarige, schlanke Blondinen. Diese war sportlich mit kurzen, dunklen Haaren. Sie hatte ihn zunächst ignoriert. Das spornte ihn schon immer an. Sie saß mit einer Begleiterin im Gespräch vertieft an der Bar. Durch die laute Musik mussten sie die Köpfe zusammenstecken. Er brachte sich in Position, damit sie ihn wahrnahm.

      Er bemerkte, dass die andere Frau ihn häufig ansah und mit ihrer Freundin über ihn sprach. Die Zweite war eine langweilige Schreckschraube. Er überlegte, ob er vielleicht beide zu einem schönen Dreier abschleppen konnte. Einen Blick von der Dunkelhaarigen in seine Richtung nutzte er, um beiden zuzuprosten. Jetzt hatte er genug gefackelt – er trat direkt auf sie zu.

      „Joachim“, rief er und ging mit dem Kopf dicht an die Frauen heran. „Darf ich euch zu etwas einladen?“

      Die Frauen sahen sich an. Die Dunkle verdrehte die Augen, sie rief: „Nein danke!“

      Lenz sah, dass die mit den straßenköterblonden Haaren, gern zugestimmt hätte, sich nach der Ablehnung durch die andere aber nicht mehr traute.

      „Was trinkst du?“, hatte er den Straßenköter gefragt. Die sah mit einem fragenden Seitenblick zu der hübschen Begleiterin.

      „Hör mal“, sagte die Dunkle, „ich möchte mich mit meiner Freundin in Ruhe unterhalten. Wir sprechen über intelligente Dinge, da können wir keine blöden Randbemerkungen gebrauchen.“

      Oh, eine Kratzbürste, dachte Lenz. „Wenn ihr in Ruhe reden wollt, ist das hier der falsche Ort und intelligente Gespräche kann ich ganz sicher bereichern. Also, raus damit, was möchtet ihr trinken.“ Er strahlte beide mit seinem auf Frauen unwiderstehlich wirkenden Lachen an.

      Der Straßenköter sah die Freundin kurz an und antwortete über die Musik hinweg: „Ich nehme einen Margarita.“

      „Und du?“, fragte er die andere – er behielt das Lächeln bei.

      Die Dunkle zögerte, blickte einen Moment nachdenklich auf ihre schönen Beine und antwortete schließlich: „Also gut, einen Mojito.“

      „Prima“, rief Lenz, „den nehme ich auch.“ Er winkte den Mann hinter der Bar heran und bestellte. Geht doch, dachte er.

      Nach wenigen Minuten kamen die Cocktails. Er nahm das Glas, stieß mit den beiden an und sagte nochmals: „Joachim, Joachim Lenz.“

      „Sandra Friedrichsen“, antwortete der Straßenköter.

      Die Dunkle zögerte: „Ariane Zender“, sagte sie schließlich.

      Ariane Zender. Er prägte sich das ein. Falls er sie heute nicht mehr flachgelegt bekam, musste er den Namen behalten. Als Nächstes würde er versuchen rauszubekommen, wo sie arbeitete. So konnte er sie finden und anrufen. Die Methode führte im Allgemeinen zum Ziel.

      Er versuchte es eine halbe Stunde lang auf vielerlei Weise. Ariane Zender war an diesem Abend nicht zu knacken. Auf den Straßenköter, hatte er keinen Bock. Er verabschiedete sich und beschloss ins Rouge zu fahren, einem Bordell in der Nähe. Da waren die Nutten weniger doof und sahen gut aus.

      Am Nachmittag des nächsten Tages wollte er die Dunkle aufzuspüren. Er suchte die Firma, die sie ihm genannt hatte, im Internet – es gab sie tatsächlich. Da hatte ihm die Kleine die Wahrheit gesagt: „Lenz, ich möchte Ariane Zender sprechen.“

      „Zender“, vernahm er sie.

      Sie war es, er erkannte ihre Stimme sofort. Lenz spielte die Rolle, die er für Kratzbürsten reserviert hatte. Es war so einfach, an Frauen zu kommen. Er sah gut aus und wusste es. Er kannte einige Typen, die durchschnittlich aussahen und trotzdem viele Weiber kennenlernten. Jeder erfolgreiche Mann hat seine speziellen Rezepte. Eines jedoch funktionierte fast bei Jeder: Interesse zeigen. Menschen liebten es, wenn sich jemand für sie interessierte – die Mädels ganz besonders. Frauen fuhren auch auf Männer mit Humor ab. Lenz neigte eigentlich nicht zu dummen Witzen, ein paar Sprüche hatte er allerdings stets parat.

      Hamburg, Freitag 31. August 2007, 19.30 Uhr

      Lenz war schon seit sechs Wochen mit Ariane Zender unterwegs. Sie zählte zu den Frauen, mit denen er sich gern in der Öffentlichkeit schmückte. Im Bett war es auch okay. Sie zeterte zwar, dass ihr diese oder jene Praxis nicht gefalle. Er nahm darauf keine Rücksicht. Ariane Zender war längst viel zu verrückt nach ihm, um ihn wegen solcher Wünsche zu verlassen. Aber auch mit ihr kam die Zeit, an dem die Langeweile überwog.

      An so einem Punkt, orientierte er sich für gewöhnlich neu. Oder er versuchte, dem Sex neue Würze zu geben, wie er es nannte. In so einem Fall überredete er die Frauen, mit ihm in einen Swingerclub zu gehen. Der beste in der Umgebung hieß Surprise. Teuer – dafür gab es dort aber weniger Spießer.

      Ariane Zender hatte es zunächst abgelehnt. Er hatte ihr gesagt, dass sie es nicht mit Anderen treiben müsse. Es würde ihn einfach geil machen, wenn man ihm zusah, während sie es miteinander trieben. Wenn er es mit einer mitgebrachten Partnerin tat, hatte er es gern, von den Umstehenden angefasst zu werden. Es gab auch Männer, die Verlangen auf seinen Hintern hatten. Solange es nur ums Antatschen ging, kam er damit klar.

      Ariane Zender kam zwar mit, der öffentliche Sex gefiel ihr allerdings weniger. Es gab im Club zu viele Kerle, die ihr missfielen. Ehe Lenz von ihr verlangte, sich womöglich einem übergewichtigen Typen hinzugeben, wollte sie verschwinden. Sie bestellte ein Taxi und war weg, ehe er es begriff. Er war stinksauer, ließ es sich im Club aber nicht anmerken. Scheiß auf die blöde Kuh, dachte er und suchte Befriedigung mit den Frauen der anderen. Nach dem Duschen ging er an die Bar.

      Lenz war im Club gut bekannt. Er kam selten, aber regelmäßig. Mal mit einer Begleitung, die er kannte, ein anderes Mal mit einer Nutte. Ein gern gesehener Kunde im Surprise. Die Besitzer bemerkten, dass die Frauen der Gäste ihn begehrten – ein Segen für ihr Geschäft, wenn auch die weiblichen Gäste mit Vergnügen wiederkamen.

      An der Bar saß ein Mann, den er hier noch nie wahrgenommen hatte. Lenz nahm sein Bier und stieß mit ihm an.

      „Joachim“, sagte er.

      „Jonathan“, antwortete der, „Jonathan Vogel.“

      „Nachnamen sind an so einem Ort eigentlich unüblich“, meinte Lenz „aber von mir aus – Joachim Lenz.“

      Beide tranken einen großen Schluck Pils. „Machst du uns noch zwei“, Lenz hielt sein Glas hoch. „Bist du allein hier oder mit einer Frau?“

      „Mit ’ner Frau. Ist aber ’ne Nutte.“

      „Das mach’ ich auch gelegentlich. Warst du schon mal im Surprise?“

      Vogel verneinte. Er erzählte, dass er gerade geschieden worden sei. Zuviel gearbeitet, zu wenig Zeit für die Familie. Er hatte seine Frau einmal gefragt, ob sie nicht Lust hätte zur Auffrischung ihrer Ehe in einen Club zu gehen. Sie hatte das entschieden abgelehnt. Dann sei er mal im Puff gewesen, seine Alte bekam es raus. Von da an sei es nur noch bergab gegangen mit der Ehe. Heute habe er beschlossen, eine Prostituierte zu bezahlen, um mit ihr einen Swingerclub auszuprobieren. Die Frau hätte ihm diesen vorgeschlagen. Sie sei mittlerweile gefahren – er wolle nur noch einen Absacker