Peter Gnas

Schlussstein


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verklemmt, sie ist geflüchtet.“

      Sie stießen mit dem frisch gezapften Pils an und unterhielten sich über den Club. Lenz erzählte von einigen Spielvarianten, die hier geboten wurden. Vogel war eher gehemmt. Er wollte dies hier mal erleben, hatte aber gemerkt, dass er vor anderen Menschen blockiert war. So offen wie Lenz konnte er sich nicht geben.

      „Was tust du, wenn du dich nicht in Swingerclubs aufhälst“, wollte Vogel wissen.

      „Ich bin in der Baubranche. Ich bin Bauingenieur und arbeite in einem Hamburger Unternehmen, das auf technische Gebäudeausrüstung spezialisiert ist.“

      „Echt?“, fragte Vogel. „Bei Schell?“

      „Kommst du aus der Branche?“ Lenz war überrascht.

      „Ich habe ein Bauunternehmen, draußen in Langenhorn.“

      „Wie heißt deine Firma? Vogel?“

      „Ja, Vogel und Söhne.“

      „Wie viele Söhne hast du?“

      „Zwei, aber noch kleine. Ich bin der Sohn. Ich habe den Laden von meinem Vadder übernommen.“

      Er sagte Vadder, Lenz nahm an, dass er in Hamburg aufgewachsen war. Ihm fiel auch auf, dass er nicht sonderlich klug sein konnte. Wahrscheinlich Maurer, höchstens Maurermeister, dann in Vaters Geschäft eingestiegen und es mehr oder weniger erfolgreich weitergeführt.

      Vogel fühlte sich jetzt auf sicherem Terrain. Er bestellte weiteres Bier und erzählte von schwierigen Zeiten für seine Firma und von der schlechten Zahlungsmoral der Kunden. Er berichtete, dass er im vergangenen Frühjahr Glück hatte und den Zuschlag als Generalunternehmer für den Bau eines Zehnfamilienhauses in Hamburg-Volksdorf bekommen habe. Eigentlich sei er nur Rohbau-Unternehmer und hatte gedacht, dass er mit solch einem Projekt vielleicht in die nächste Liga im Baugeschäft aufsteigen könne.

      „Und“, fragte Lenz, „ist es schiefgegangen?“

      „Nein, im Prinzip nicht.“

      Vogel erzählte, dass er mittlerweile den Rohbau und einige weiterführende Arbeiten erledigt hatte. Im Bereich Rohbau sei er routiniert. Der Auftraggeber, ein Bauträger aus Hamburg-Winterhude, habe jedoch ein paar kleinere Mängel, die längst behoben seien, zum Anlass genommen, die nächste Rate nicht zu begleichen. Das seien immerhin hundertfünfundzwanzigtausend Euro. Er brauche das Geld dringend um seine Leute und die Lieferanten zu bezahlen. Außerdem sollten bald die Fenster eingesetzt werden, damit er über den Winter innen weitermachen konnte. Wenn die fällige Zahlung ausbliebe, käme er in Schwierigkeiten.

      „Deine Bank gibt dir keinen Kredit? Du hast doch den Auftrag.“

      „Ne, da bin ich am Limit. Das Einzige, worauf die sich einließen, wenn ich das Firmengebäude als Sicherheit anbiete.“

      „Mach‘ das doch, das ist kein Risiko mit deinem Projekt.“

      „Ne, da spielt mein Vadder nicht mit. Er hat zeitlebens das Wohnrecht.“

      „Verstehe.“

      Beide schauten eine Weile vor sich hin. Lenz dachte nach. Er erzählte Vogel, dass er gewohnt sei, solche Vorgänge zu handhaben. Auch Schell Facility hielte gelegentlich Teilzahlungen zurück. Das seien aber vergleichsweise kleine Teilbeträge und nicht ganze Zahlungsabschnitte. Es wäre ja niemandem gedient, wenn der Generalunternehmer pleiteginge. Auch der Bauträger würde sein volles Geld erst bekommen, wenn das Haus fertig ist.

      „Ich hatte bei dem gleich ein blödes Gefühl“, meinte Vogel, „das ist ein Libanese, der vor zwanzig Jahren nach Deutschland kam. Der ist in Beirut beim Aufbau zerstörter Bürgerkriegsruinen zu viel Geld gekommen. Er hatte mit seinem guten Aussehen eine jüngere deutsche Frau kennengelernt und sie geheiratet. Seitdem darf er hier leben und arbeiten. Er hat sich sofort selbstständig gemacht. Ich komme mit dieser orientalischen Mentalität einfach nicht klar“, schloss Vogel.

      „Ich kenne die Mentalität ganz gut“, antwortete Lenz, „ich bin immer wieder da unten.“

      Er erzählte, dass Schell ihn vor seinen ersten Aufenthalten in den Emiraten auf ein Seminar geschickt habe. Dort konnte er sich auf den richtigen Umgang im arabischen Raum vorbereiten. Das sei extrem hilfreich gewesen und hatte ihn vor vielen Fehlern bewahrt. Er könne Vogel ein paar Tipps geben.

      „Dafür ist es schon fast zu spät, Sama Baukonzept und ich können nicht mehr vernünftig miteinander sprechen.“

      „Das glaube ich nicht“, entgegnete Lenz, „soll ich dir behilflich sein?“

      Sie gingen einige Optionen durch und verständigten sich darauf, dass Vogel und Lenz Sama einen gemeinsamen Besuch abstatten würden. Lenz wolle sich als neuer Mitarbeiter Vogels vorstellen und versuchen, ob man die Dinge mit einem vernünftigen Gespräch beilegen könne. Lenz suchte Herausforderungen. Vogel und Söhne war zwar kaum vergleichbar mit seiner Tätigkeit bei Schell Facility – aber es war ein neuer Kick. Wer weiß, wo es hinführen würde.

      Hamburg, Dienstag 4. September 2007

      Lenz hatte sich über Ariane Zender geärgert. Im Prinzip hatte er aber sowieso keine große Lust mehr auf sie verspürt. Er war es gewohnt durch die Betten Hamburgs zu streifen, deshalb hinterließ er in den Wohnungen der Frauen nur die Dinge, die er am Morgen vergessen hatte mitzunehmen. Eine Zahnbürste oder eine Packung Präservative. Lenz meldete sich einfach nicht wieder bei ihr. Ariane Zender war abgehakt.

      Es würde so kommen, wie er es mit Anderen erlebt hatte. Anrufe – am Arbeitsplatz ließ er sie abwimmeln, auf dem Mobiltelefon drückte er sie weg. Später kamen E-Mails, zunächst baten und bettelten die Frauen, schließlich beschimpften sie ihn. Am schnellsten wurde er sie los, wenn er sie ignorierte. Es dauerte keine zwei Wochen, dann hatte auch Ariane Zender aufgegeben.

      Lenz hatte beschlossen, Vogel noch ein wenig zappeln zu lassen. Nach vier Tagen rief er ihn an. Vogel sagte, dass er bei Sama angerufen hatte, um für ein Gespräch vorzufühlen. Der sei einverstanden – jetzt ginge es um einen konkreten Termin. Lenz nannte ihm zwei Zeitfenster. Er schlug vor, mit Sama essen zu gehen. In Hamburg-Altona gäbe es ein libanesisches Restaurant, dort solle er einen Tisch reservieren.

      Vogel rief eine halbe Stunde später zurück: „Am kommenden Montag um zwölf Uhr.“ Wie Lenz vorgeschlagen hatte, würden sie Sama von dessen Büro abholen und zum Essen fahren.

      „Warum willst du ihn abholen, ist es nicht bequemer, wir treffen uns im Lokal?“

      „Ich will die Geschäftsräume sehen“, antwortete Lenz, „und sie gebührend bewundern. Araber lieben es, wenn man ihr Heim und ihr Wirken lobt. Außerdem muss ich wissen, ob er ein Schwätzer ist.“

      Am nächsten Montag trafen sich Lenz und Vogel in der Nähe von Samas Firma. Sie fuhren mit Vogels Mercedes vor. Das Gebäude, in dem Sama Baukonzept saß, war nichts Besonderes, keine gute Umgebung und Nullachtfünfzehn-Architektur. Der Empfang bestand aus einem bekannten Bürosystem, dass Lenz Sicherheits-Design nannte. Damit man sicher war, dass ein Besucher erkennt, dass es einem gut geht.

      Während sie auf Sama warteten, ging Lenz in Richtung einer offenen Tür. Er wollte sehen, wie es dort aussah. Als er fast an der Tür war, kam eine Frau herausgeeilt und lief ihm direkt in die Arme. Sie war attraktiv, vielleicht etwas älter als Lenz. Er fing sie mit den Händen ab.

      „Oh, verzeihen Sie“, sagte er, „ich habe mir gerade die schönen Bilder an der Wand angesehen. Gestatten Sie“, er gab ihr die Hand, „Lenz. Ich bin Mitarbeiter von Herrn Vogel. Wir warten auf Herrn Sama.“

      „Ach, Herr Vogel“, sagte die Dame mit unsicherer Stimme, „ich habe gehört, dass Sie kommen wollten.“

      „Guten Tag, Frau Sama“, begrüßte Vogel sie.

      Schau, schau, dachte Lenz, das ist Frau Sama. Er hatte bemerkt, dass er ihr gefiel. Ihre Stimme und die Gestik wurden in seiner Gegenwart kaum merklich weicher.

      „Gehen Sie auch mit zum Essen?“, fragte