Peter Gnas

Schlussstein


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      „Wissen Sie was“, sagte Lenz, „Sie hatten neulich keine Zeit mit uns essen zu gehen. Ich will auf keinen Fall Ihre bezaubernde Figur ruinieren“, damit taxierte er sie von oben bis unten, „ich würde die Pralinen aber gerne Ihnen schenken. Ich kaufe gleich neue für meine Maklerin.“

      Sie errötete. Unsicher schaute sie mit einem flüchtigen Blick hoch zu den Fenstern der Firma. Ihr Mann war da, sie hatte Angst, er könnte es sehen.

      „Schade, dass ich jetzt keine Zeit habe“, meinte Lenz, „ich hätte Sie so gern wenigstens auf einen Kaffee eingeladen.“

      Die Sama lächelte unsicher und drehte sich zur Eingangstür um.

      „Wissen Sie was, ich würde mich Ihnen als künftiger Ansprechpartner gern persönlich vorstellen. Ihrem Mann habe ich schon viel über mich erzählt. Hätten Sie morgen um diese Zeit Lust, hier irgendwo einen Kaffee zu trinken?“

      „Ich weiß nicht“, antwortete sie verlegen, „mein Mann hat es nicht gern, wenn ich mich ins Geschäft einmische.“

      „Als ob es darum ginge, liebe Frau Sama, ich möchte einfach ein wenig freundlich sein.“

      Sie zögerte. Lenz berührte sie leicht am Arm – sie erschauderte und sah auf den Boden.

       „Bitte geben Sie mir keinen Korb“, spielte er ihr ein Flehen vor.

      Sie machte eine Pause. Die Kinder würden morgen etwas später nach Hause kommen, weil sie bei der Oma waren. „Also gut“, sie lächelte ihn an, „um eins. An der nächsten Ecke links“, damit deutete sie in die Richtung, „und danach wieder links, da ist das Café Amadeus. Wir treffen uns dort.“

      „Ich freue mich“, er strahlte sein Lächeln, „ich bin pünktlich.“

      Hamburg, Mittwoch 5. September 2007, 12.50 Uhr

      Am nächsten Tag saß er bereits um zehn Minuten vor eins am Fenster. Die Sama kam um Punkt eins. Bevor sie das Café betrat, sah sie sich noch einmal um. Sie hatte ihn natürlich schon gesehen, gab ihm aber kein Zeichen des Erkennens. Lenz stand auf. Sie kam direkt auf ihn zu und gab ihm die Hand.

      „Herr Lenz, bitte verstehen Sie mich nicht falsch“, sie sprach in einem vertraulich gedämpften Ton zu ihm, „wir treffen uns, weil wir geschäftlich verbunden sind.“

      „Selbstverständlich“, Lenz spielte den Unbedarften.

      „Können wir uns ein wenig weiter nach hinten in die Ecke setzen?“

      „Klar“, antwortete er.

      Als sie an einem von außen kaum mehr einsehbaren Tisch Platz genommen hatten, bestellte sie eine Tasse Cappuccino.

      „Ich hatte Ihnen gestern bereits gesagt, dass mein Mann und ich die Absprache haben, dass er sich um das Geschäft kümmert und ich mich um die Buchführung.“

      Er versuchte unschuldig zu klingen: „Hätte ich gewusst, wie attraktiv eine Buchhalterin sein kann, wäre ich bei meinem letzten Arbeitgeber öfter mal in die Abteilung gegangen.“

      Sie lächelte. Er ist ein Charmeur, mit allen Wassern gewaschen, dachte sie. Er sagt nicht die Wahrheit, aber er ist unwiderstehlich. Sie merkte, wie ihr ein Kribbeln durch den Unterleib fuhr – sie hatte vergessen, dass es das gab. Ihr Mann war in den ersten Jahren wunderbar und aufmerksam gewesen. Ein leidenschaftlicher Liebhaber. Ihre Schwäche galt schon immer südländisch aussehenden Männern.

      Im Laufe der Zeit hatte er sich zum ungeduldigen und autoritären Grobian entwickelt. Frau Sama hatte in den vergangenen Jahren daran gedacht, sich von ihm zu trennen. Aber er war ein unkalkulierbarer Hitzkopf, sie hatte Angst, mit ihm über eine Trennung zu sprechen. Er konnte unvermittelt losbrüllen und sie einschüchtern – davor fürchtete sie sich. Und davor, dass er die Kinder verschwinden lassen könnte, womöglich in den Libanon.

      Sie lebte wie eine Gefangene. Er wollte genau wissen, was sie tagsüber machte. Früher hatte sie auch männlich Freunde, einfach Männer, mit denen sie einen amüsanten Abend verbringen konnte, ganz ohne Sex und Hintergedanken. Das war schon lange vorbei. Wenn Sie abends weggehen wollte, durfte kein Mann dabei sei. Er brachte sie zum vereinbarten Treffpunkt, schaute, wer dort wartete und holte sie wieder ab.

      Es gab zwei beste Freundinnen, denen Sie ab und zu ihr Herz ausschüttete. Wie oft hatten die ihr geraten, die Ehe zu beenden, ihr angeboten, sie könne mit den Kindern zunächst bei ihnen unterkommen. ’Du lebst in Deutschland, nicht im Libanon!’, redeten sie auf sie ein. Letztlich hatte ihr der Mut gefehlt.

      Jetzt saß ihr dieser Mann gegenüber. Was sollte das? Sie fühlte sich total zu ihm hingezogen, wusste aber nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Den ganzen gestrigen Abend und den heutigen Vormittag hatte sie sich gefühlt, als sei sie zum ersten Mal mit einem Jungen verabredet. So wie vor fünfundzwanzig Jahren.

      Sie stand auf ihn. Lenz hatte dafür eine Nase. Er musste versuchen, sie schnellstens ins Bett zu kriegen.

      „Wie heißt du“, fragte er geradeheraus.

      „Jasmin“, antwortete sie. Sie hatte sich einen Moment über das plötzliche Du gewundert, aber nichts dazu gesagt.

      „Ich will bei der Wahrheit bleiben“, sagte er in gedämpftem Ton, dabei fixierte er sie. „Ich sah dich vor zwei Tagen in deinem Büro und du bist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen.“

      Jasmin Sama spürte ihr Herz bis zum Hals klopfen.

      „Ich hatte keine Verabredung mit einer Maklerin“, schob er nach. „Ich wollte dich sehen.“

      „Ich hatte mir so etwas schon gedacht. Der Zufall schien mir zu groß zu sein“, meinte sie. „Aber ich traue oft meinen eigenen Gefühlen nicht.“

      Er sah ihr in die Augen und nahm ihre Hände in die seinen. Wieder spürte sie dieses Kribbeln im Unterleib.

      „Ich weiß nicht, wie ich dich treffen kann“, sagte sie fast atemlos. „Mein Mann ist wie die Stasi. Ich habe schreckliche Angst vor ihm. Ich glaube, er würde mich auf der Stelle töten, wenn er uns hier so sähe.“

      „Wie können wir uns verabreden?“, er hatte etwas Drängendes in der Stimme.

      Er begehrt mich, dachte sie. Er sieht in mir die Frau, nicht die Buchhalterin. Sie überlegte.

      „Ich habe keine Ahnung“, antwortete sie.

      „Denk nach!“, drängte er.

      Ihre Augen strichen unruhig über die Tischplatte. Sie grübelte, ihr schwirrte der Kopf.

      „Warte, ich gehe telefonieren.“

      Na also, dachte er, geht doch. Morgen Abend lege ich sie flach und bumse sie die Wände hoch. Sein Gesicht war undurchdringlich. Er bestellte noch zwei Cappuccino und wartete. Minuten später kam sie zurück an den Tisch.

      „Ich habe mit meiner Freundin Yvonne telefoniert. Sie wird heute Abend anrufen, wenn mein Mann da ist. Sie wird fragen, ob wir morgen etwas unternehmen wollen. Er wird mich zum Treffpunkt bringen. Yvonne bleibt, bis er weg ist. Ich gehe dann zum Hotel Frankenberg. Dort wartest du. Hinterher steht Yvonne wieder dort, wo er mich abholt. Schreib mir deine Telefonnummer auf, falls etwas dazwischenkommt.

      „Du bist so klug“, hauchte er. „Ich kann es kaum erwarten.“

      Hamburg, Mittwoch 5. September 2007, 20.30 Uhr

      Am Abend rief Lenz bei Vogel an. Er sagte ihm, dass sie sich gleich treffen müssten. Vogel wunderte sich über den Treffpunkt in einem Hotel in Ohlsdorf, stellte aber keine Fragen.

      Das Hotel war gepflegter Mittelklasse-Standard. Lenz saß in der Eingangshalle und trank ein Bier. Vogel kam pünktlich.

      Lenz erzählte ihm eine Zusammenfassung des Treffens mit der Sama. Vogel wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Wenn es half, an das Geld zu kommen, war es ihm recht.

      „Ich habe ich ersten Stock ein Zimmer für