Tabea Thomson

BEYOND – Eine andere Wirklichkeit


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nickte, ihr Blick ruhte am Deckboden. Auf dem Kleid summte es, als wenn man unter einem antiken Strommast steht.

      Obgleich Eile geboten war, ihr Abwehrsystem war komplett hochgefahren, bewahrte Luckas Ruhe, er stand jetzt unmittelbar vor Sophie. Seine Pupillenfarbe hatte vom opalfarbenen ins aquafarbene gewechselt. Er hob behutsam ihr Haupt an. Ein flüchtiger Blickkontakt genügte und Sophies Geist klebte, wie Licht hungrige magische Tagfalter – Ens–, an seinen Augen. Wenige Herzschläge später verebbte ihr Abwehrsystem und Luckas riss sie an sich heran.

      Kerun, er ist ebenfalls Heiler, er entnahm aus dem Notfallrucksack eine Amphisprayhülle, die bestückte er mit einer Betäubungsmittel Ampulle. Ohne eile lief er zu dem magisch verbundenen Paar. Im Vorübergehen legte er den Amphispray in die rechte Hand von Luckas.

      Sophie bemerkte es nicht, ihr Geist schwelgte, wie so oft in den letzten drei Jahren, in einem von Luckas verabreichten meditativen Tagtraum mit zärtlichen Erinnerungsmustern von Sorel.

      Von jetzt auf hier raste das Betäubungsmittel über Sophie hinweg und sie sackte in den Armen von Luckas zusammen. Ein Valpas schob ihm eine schwebende Trage zu.

      Am Minenspiel der Valpas sah Kerun: sie sind unschlüssig, ob sie noch gebraucht werden. »Danke für ihre Unterstützung. Ab hier übernehmen wir.« Eine Geste geleitete die Valpas zur Tür.

      Als die Eingangstür zugefahren war, streichelte er seine Schwiegertochter über die Wangen. »Sie ist hier nicht sicher, wir bringen sie sofort nach Hause.«

      »Ja. Das waren auch Sorels Anweisungen.« Luckas schaute auf, er hockte auf den Fußboden und hatte das Chaos von Kerun im Notfallrucksack beseitigt.

      »Möchtest du auch gleich mit nach Sinu i.«

      »Danke. Ja.« Luckas hob den Notfallrucksack hoch und schulterte ihn. »Zumal es möglich ist das Sophie, bis ihr Sorel eintrifft, nochmals meine beruhigenden Dienste benötigt.«

      ~

      Fünf Minuten später flog das Bergungs-Shuttle Assertor mit Kerun, Sophie, Luckas sowie Torks dem Piloten hinab nach Sinu i.

      * * *

      KAPITEL 9

       Visitor alpha U P.

       Separater Bereich.

       Oberbrücke.

      Unterdessen die Assertor übern Peshk-Gwen-Anwesen zur Landung ansetzte, traf Sorels Lift auf der Oberbrücke ein.

      Träge ruckelnd und markerschütternd quietschend fuhr die Tür vom Lift auf. Weil Sorel wusste, daran hatte das Greenhorn Captain Matise Delune schuld, wartete er geduldig, bis der Spalt breit genug war zum hindurchschlüpfen.

      Insgeheim befürwortete er das mutige Vorgehen vom Captain.

      Die Begebenheit ereignete sich erst kürzlich bei Delune's Nachtdienst. Die Brückencrew war zur Mitternachtsgabe in der Messe und er hatte Brücken Wache. Aus dem Nichts heraus erschienen vier aggressive humanoide Wesen auf der Oberbrücke. Die düsteren sowie fettwampigen Raufbolde tauchten häufig auf und stänkerten herum. Er vermutete, es ist wieder nur eine lausige Übung. Solche, vom ersten Sicherheitsoffizier Arun Potts inszenierte Spielchen war Delune überdrüssig. Ebenso wenig hatte er Bock, tatenlos, auf die gerufenen Sicherheitsleute zuwarten. Also gab er den Drang nach und legte selber Hand an. Das zu tun war ein Befreiungsschlag für sein gelangweiltes Ego. Und noch bevor die Sicherheitsleute auf der Brücke standen, hatte er die wabbeligen Eindringlinge überwältigt sowie einem nach dem anderen gegen die Lifttür geschmettert.

      Die Eindringlinge sind seither nicht mehr aufgetaucht. Jedoch das ohrenbetäubende Quietschen und Rumpeln der Lifttür beehrte die Brückencrew bei jedem Lift. –

      Sobald der Lift mit Sorel ankam, ging ein genervtes Raunen durch die Reihen der Ober- und Unterbrücke. (Letztgenannte war die Hauptbrücke.)

      Damit er auf den hinabführenden Steg gelangt, muss er an den Arbeitsplätzen der Kadetten vorbei. Ihr Ausbilder ist Sorel, sie sagen zu ihm Boss.

      Seine Kadis, wie er sie nannte, standen erwartungsvoll neben den Terminals. Anstatt den Boss zu begrüßen, entstieg ihren Kehlen als seine pon lee Wolke ihre Nasen streifte ein anerkennender Laut.

      Sorel zwinkerte ihnen zu und durch Handzeichen gab er zu verstehen, sie sollen schweigen. So wie immer, wenn er etwas von ihnen verlangt, kamen sie umgehend seinen befehlenden Gesten nach. Wenngleich ihre fragenden Gesichter vermuteten: ›Mit seinem Rausch hat er was voll Fettes vor!?

      Ihr Vorgefühl nährte Sorel noch zusätzlich, indem er am Ende der Reihe innehielt. Genüsslich schniefend führte er den linken Overallärmel an die Nase. Völlig versunken gönnte er sich einige kräftige Schlucke ihres himmlischen pon le. Auf die berauschende Wirkung wartend, verharrte er. Es brauchte nur drei Atemzüge und sein Ego sprang erneut darauf an. Heftiger als erwartet begehrte es ihm nach Sophie. Jedoch sein Wille, alles zu tun, dass er jetzt nicht noch einmal Dienst schieben muss, war stärker als die Genuss-Sucht. Er schmunzelte verwegen.

      »Ich werde mein Bestes geben«, raunte er sich zu. –

      Schwankenden Schrittes lief er auf den Steg zu, der hinunter zur Hauptbrücke führt. Die Kadetten verschlungen geradezu Sorels berauschten Ausfallschritte.

      »Es sieht täuschend echt aus«, raunten sie den Boss zu.

      Taumelnd – einem Trunkenbold gleich – lief er stolpernd und mit unsicheren Schritten übern geländerlosen und leicht geschwungenen Steg. Etliche der schwankenden und holprigen Schritte führten gefährlich nah "Am Abgrund" vorbei.

      Die erschrockenen Kadetten gaben jedes Mal angsterfüllte Kommentare ab.

      Ihre aufgebrachten Stimmen lockten den diensthabenden Captain – Matise Delune aus der Teeküche. Neugierig, was die Kadetten an den Terminals zur Hyperraum-Überwachung in Aufregung versetzte, schlenderte er weiter zur Mitte und spähte nach oben. Er konnte nicht glauben, wem er, in welchem erbärmlichen Zustand dort sah. Sein zweiter Offizier Sorel Gwen zeigte zwar seit einigen Tagen einem etwas unsortierten Zustand, und das hier!; war offensichtlich das Ergebnis.

      Sorel hatte Delune's Gedanken belauscht. »Angebissen«, jubelte er sich zu.

      Überschwänglich vor Schadenfreude wollte Sorel noch einen draufsetzen. Dazu machte er in der hintersten Reihe, vorm erstbesten Citraa Terminal einen zur Orientierung dienenden Halt. Dass er dabei von der Crew belustigt beobachtet wurde, spornte ihm noch mehr an. Und nachdem er sich unauffällig vergewissert hatte, dass auch die vordersten Plätze zu ihm schauten, nahm er Anlauf um sich von einem Terminalplatz zum nächsten zu hangeln. … Sorel forderte auf mentalen Weg, das sie entsetzt darauf reagieren sollen. Das war für sie, so wie es seinen Füßen Mühe bereitete die Orientierung zu behalten, eine echte Herausforderung.

      Delune verfolgte das Torkeln mit Kopfschütteln. Damit er herausfindet, ob Alkohol oder Aufputschmittel dahinter stecken, schnellte er schnurstracks auf den Zweiten zu.

      Die Bewegungen waren für Sorels beduselten Augen zu schnell, ihm schwanden die Sinne.

      Delune fing den Zweiten ab und bugsierte ihm auf den Sessel zu seiner linken Seite. »Hey! Hey! Langsam Mister Gwen.«

      Sorel hörte es wie aus unendlicher Ferne. »Danke Sir.« Der Schreck steckte nicht bloß in seiner Mimik, was nicht nur an den wachrüttelnden Worten vom Captain lag, sondern: Er hörte ein brausendes Geräusch, es schien immer schneller und lauter zu werden. Lauschend führte er einen Zeigefinger zum Mund. Seinen spitzen Ohren sah man deutlich an, dass sie etwas orteten, was anderen verborgen blieb. Mit Leichtigkeit gelang es ihm, den Ausgangspunkt zu bestimmen. Es entsprang, so vermutete er, dem einengenden Gefühl.

      Das hauchzarte Gespinst entging seinen Augen. Es hatte ihm inzwischen schon bis zur Herzgegend eingesponnen. Das damit einhergehende rauschen deutete er als: Das gaukelt mir mein pon le benebelter Geist bloß vor!?