Tabea Thomson

BEYOND – Eine andere Wirklichkeit


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nicht nüchtern zum Dienst kam.«

      Mit fast unverständlichem Zungenschlag fragte Sorel: »Matise! Hören Sie es. Ja?!«

      Delune sprang zu ihm heran, und noch bevor er am Zweiten schnuppern konnte, fing der zu lachen an. Wobei es nach einem durchgeknallten Irren klang. Erschrocken, von seinem Possenspiel Talent, sprang Sorel auf. Delune drückte ihn energisch zurück ins Polster. »Sie sind ja bis zu Obergrenze zugedröhnt.«

      »B–in sauber«, konterte Sorel mit schwerer Zunge.

      Delune sah den Zweiten streng ins Gesicht. Die stark geweideten, unruhigen Pupillen sagten klipp und klar: Du lügst. Seine Empörung brachte ein derber Griff an Sorels Schulter zum Ausdruck. »Was haben Sie sich eingeworfen«, fauchte er.

      Als Antwort fuchtelte Sorel unkontrolliert zunächst mit den Händen. »N–nichts!«, nuschelte er dazu.

      Delune schüttelte im Angesicht dieser Lüge unverständlich mit dem Kopf. »Das musste bei den langweiligen Jobs über kurz oder lang passieren, dass sich die Crew, aus Frustration was rein wirft.«

      »Nein«, flüsterte Sorel.

      Delune sah ihn grimmig an. »Oh doch!«

      Ein empörter Blick traf den Captain, mehr konnte Sorel im Moment nicht gegen die ungeheuerliche Anschuldigung machen. In Gedanken sprach er: »Wenn ich jetzt etwas erwidere, könnte es sein, dass er mich in die Arrestzelle verfrachtet. Und das wäre nicht gut, weil dieser Cybord Klon Stella noch irgendwo an Bord ist. Sie, die offiziell noch meine Gefährtin ist, gestattet man ohne weiteres einen Besuch in der Zelle. Und sobald sie meinen pon le wahrnimmt, beginnt ihre Jagd. Der Wachmann ist das erste Opfer, danach ich und letztendlich Sophie.«

      Seine finstere Fantasie zeigte ihm aufs Abscheulichste, wie sie dabei vorgehen wird. Ein Meer von siedendem Angstschweiß sprudelte unablässig aus den ohnehin schon sensiblen Poren. Merkwürdigerweise fühlte es sich auf der Hautoberfläche so an, als ob es sofort gefriert. Zudem brannte es unter dem gefühlten Eispanzer fürchterlich. Instinktiv wollte er den Dienstoverall abstreifen, jedoch der Reißverschluss verklemmte im Stoff. Die unruhigen Hände, über denen lag eine Art silbriger Schimmer, zerrten impulsiv am Zipper.

      Solch Hautbelag war Delune nicht unbekannt, alle gängigen U P C Drogen kennzeichneten so den Junkie.

      In Gedanken fragte er sich: »Wieso schmeißt er sich was rein, und leugnet es.«

      Delune mochte seinen Zweiten. Ja mehr noch, es bestand eine Männerfreundschaft zwischen Captain Matise Delune und dem Halbblut Sorel Gwen. Und das widersprach dem, was man Delune an der U P C Akademie eingetrichtert hatte: Mischlinge sind minderwertig.

      Er hatte sich geschworen: Unter meinem Kommando wird es niemals solch Diskriminierung geben. – Und daran hielt er sich. –

      Unvermittelt blickte Delune den zweiten Offizier scharf an. »Ich sehe doch, was mit Ihnen los ist! Aus jeder Pore schwemmte es doch das U P C Dreckszeug. Wieso leugnen Sie es?«

      Sorel schwieg sich aus. Dachte Delune, aber weit gefehlt. Seine Gedanken weilten bloß nicht mehr auf der Brücke. Er hatte in den letzten Minuten unentwegt die Nase in die süchtig machenden Overallärmel getaucht. Sophies köstlicher Duft, so kam es ihm vor, linderte sowohl das siedende als auch das gefrierende Gefühl. Jedoch Delune's Worte rauschten unverständlich an im vorbei. »Sir, wie meinen ...?«

      Delune trat dicht an Sorel heran. »Ab ins Quartier, und sobald Ihr Rausch verflogen ist, sind Sie wieder hier.«

      Diese Aufforderung war nicht das, was Sorel brauchte. Für ihn war nur ein "Dienstuntauglich" akzeptabel. Folglich legte er noch einen Zahn zu. Hierzu gönnte er sich nochmals einen kräftigen Schluck aus dem Overallärmel.

      »Nach – Dienst – gern«, es klang abgehackt, weil es immer wieder von tiefen Atemzügen unterbrochen wurde.

      Delune kam das Einsaugen wie die Beute Witterung eines wilden Tieres vor. Der Gedanke wurde von Sorels Geste untermauert, er versenkte die Nase tief im Ärmelstoff. – So sah es für Delune aus.

      Mit Freude registrierte Sorel, dass seine Schnief-Orgie aufmerksam vom Brückenteam beobachtet wurde, und dass der Captain fast nicht mehr innehalten konnte.

      In seinem Geist vernahm Sorel ein leises ›Hmh–hah‹, es glich einem heißeren Lachen –, ihm kam es wie Applaus vor. Beflissen spielte er sein Possenspiel weiter, er nahm dazu einen tiefen Atemzug aus dem Ärmel. Wobei er diesmal wirklich den daraus ausströmenden pon le inhalierte. Im nächsten Moment spürte er, wie die berauschende Wirkung einsetzte. Volltrunken taumelte er. Halt bietende Hände griffen zu. Über diese unverhoffte Berührung erschrak Sorel, er wollte fliehen, seine unbeholfenen Füße gerieten ins straucheln. Nur gut das ihm bereits Hände festhielten, sonst wäre er zu Boden gegangen. Dankbar sah er hinab ins Gesicht eines Grauhaarigen, er kannte ihn nicht.

      Von Sorels verdattertem Gesicht unbeeindruckt, sprach der grauhaarige mit väterlichem Tonfall in alt Sumer: »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass der Captain recht hat.«

      Sorel sah den "väterlichen Freund" an. Mechanisch schwebte sein rechter Arm dicht an die Nase, laut schniefend zog er nochmals ihren darin enthaltenen köstlichen pon le begierig ein.

      »Es ist wie eine Droge, ich komme nicht mehr davon los«, flüsterte er.

      Der Grauhaarige nickte zustimmend. Mild lächelnd säuselte er: »Sie ist himmlisch diese Droge, namens reifes Weib«, Wortlos ergänzte er, »Weiter so, es fehlt nur ein Quäntchen und Delune schmeißt dich von der Brücke, im Voraus viel Spaß.«

      Zu mehr als einem zustimmenden nicken blieb Sorel keine Zeit, denn sein Wesen versank in Sophies berauschenden Duft.

      Delune trat zu beiden heran. Ohne ein Wort zu verlieren, griff er derb nach Sorels Arme und zehrte ihn gewaltsam von seinesgleichen weg.

      »Mister Gwen, weil ich nicht weiß, was sie sich reingeschmissen haben«, schrie er mit überhitzter Stimme, »verhänge ich über sie mit sofortiger Wirkung: ein dienstuntauglich. Runter von der Brücke. Melden sie sich in der Krankenstation.«

      In Sorel jubelte es: »Ziel erreicht!«

      Gleichlaufend verfasste Delune einen Brücken Bordbuch Eintrag, der erschien umgehend auf Captain Minn's virtuellen Display. Minn jubelte gleichermaßen.

      Sorel rollte den Sessel zurück und wollte aufstehen, aber seine durchtrainierten Beine verweigerten den Dienst. Das hatte er noch nie erlebt, wenn er nüchtern war. Fassungslosigkeit lag in seinem Gesicht.

      Delune dachte: Sorel verweigert den Befehl, er zehrte ihm rapid am Arm. »Runter von der Brücke!« Zu den Worten sah er den Zweiten besorgt an. So wie der jetzt vor ihm saß, war er total abgebrannt und mit irgendeinem Dreckszeug zugedröhnt.

      Schweißgebadet, ein heftiger Fieberschub breitete sich gerade in Sorel aus. Mithilfe vom Grauhaarigen erhob sich Sorel vom Sessel. Bevor er den ersten Schritt Richtung Steg machen konnte, hielt ihn Delune am Ärmel fest.

      »Ich begleite Sie zur Krankenstation.«

      »Nein danke Sir«, grummelte es zurück. Um Haltung bedacht, setzte er matt und holprig einem Fuß vor den anderen.

      Delune verfolgte jeden Schritt, ein Signal von seinem Kommunikationsterminal lenkte ihn für Sekunden ab.

      Sorel hatte inzwischen zwei Terminals hinter sich gelassen. Urplötzlich hielt er inne, seine Pupillen waren stark erweitert, ihm war schwindelig, und seine Beine verloren die Orientierung. Seine Hände suchten einen Haltepunkt. Vor ihm war ein Terminal. Die tapsigen Finger fanden die Kante der kühlen Metalltischplatte, sie krallten daran. Im selben Moment schwand die Kraft aus seinen Beinen.

      Delune sprintete zu ihm. – Es gelang ihm gerade noch so, Sorel vorm zusammensacken abzufangen. Mit Besorgnis stellte er fest: Die Gesichtshautfarbe vom Zweiten veränderte sich in den letzten Sekunden bedrohlich, seine zart olivfarbene Haut schimmert jetzt bedrohlich neblig weiß. Halsadern und Schläfen pulsierten heftig. Das beunruhigte